achtete genau auf die Zeit und rief Miss Marchmont wenige Minuten spater an. Er brauchte nur in das Telefon mit verstellter Stimme zu sagen: ›Sie werden aus London verlangt‹, das genugte, um ein Ferngesprach vorzutauschen. Eine Unterbrechung von ein oder zwei Minuten in einem Ferngesprach ist heutzutage nichts Auffalliges.«

»Deinem Alibi zuliebe hast du mich also angerufen, David«, sagte Lynn. Ihr Ton war ruhig, aber es schwang etwas darin mit, was David veranlasste, Lynn prufend anzusehen.

Mit einer Gebarde der Resignation wandte er sich dann Poirot zu: »Sie haben Recht. Ich lief funf Meilen bis Dasleby und fuhr mit dem Milchzug am Morgen nach London. Beim Morgengrauen schlich ich mich in unsere Wohnung und kam gerade noch rechtzeitig, um das Bett zu zerwuhlen und mit Rosaleen Kaffee zu trinken.«

»Die gro?e Schwierigkeit lag in der Frage des Motivs«, fuhr Poirot in seinem Bericht fort. »Sie hatten ein Motiv, Arden zu toten, jeder der Cloades hatte ein Motiv, Rosaleen Cloade zu toten.«

»Sie wurde also ermordet? Es war kein Selbstmord?«, fragte David scharf.

»Nein, es war Mord. Und Sie haben sie ermordet, Mr Hunter.«

»Ich?«, fuhr David auf. »Wieso sollte ich meine eigene Schwester ermorden?«

»Weil sie nicht Ihre Schwester war. Ihre Schwester kam bei dem gleichen Bombenangriff um wie ihr Mann Gordon Cloade. Es gab nur zwei Uberlebende damals. Sie und das Stubenmadchen namens Eileen Corrigan. Ich erhielt heute ihr Bild aus Irland.«

Er hielt dem jungen Mann eine Fotografie hin. David ergriff sie, sprang auf und war zur Tur hinaus, bevor einer der Anwesenden recht begriffen hatte, worum es ging.

»Das kann nicht wahr sein!«, rief Lynn aus.

»Leider ist es wahr. David Hunter drangte das Stubenmadchen, die Rolle seiner Schwester zu spielen, um so das Cloadesche Vermogen fur sich zu retten. Kein Zweifel, dass er ihr schon vorher den Kopf verdreht hatte und uberzeugt war, sie zu der Komodie uberreden zu konnen. Er verstand es, mit Frauen umzugehen.«

Poirot machte diese Feststellung sachlich und vermied es, Lynn anzusehen.

»Doch als die Geschichte eine unerwartete Wendung nahm und der Brief des Erpressers kam, wurde Eileen- Rosaleen von Angst gepackt. David schickte Eileen-Rosaleen nach London, als der Fremde auftauchte, weil er nicht riskieren konnte, dass der richtige Underhay die falsche Rosaleen zu Gesicht bekam. Und wie die Situation am schwierigsten wird, beginnt auch das Madchen durch seine Gewissensbisse gefahrlich zu werden. Sie zeigt alle Anzeichen eines Nervenzusammenbruchs. Wer wei?, was daraus werden wird. Au?erdem storen ihn ihre Liebesbezeugungen, denn er hat sich inzwischen in Miss Marchmont verliebt. So sieht er als Ausweg nur Eileens Tod. Und er schmuggelt Morphium zwischen die Schlafpulver, die sie auf sein Gehei? allabendlich nimmt. Der Verdacht wird nicht auf ihn fallen, da der Tod seiner Schwester ja den Verlust des Cloadeschen Vermogens fur ihn bedeutet. Mangel an Motiv, das war sein Trumpf. Ich habe von Anfang an erklart, dass das Muster dieses Falles nicht stimmt.«

Die Tur wurde geoffnet, und Inspektor Spence trat ein.

»Wir haben ihn«, sagte er gemutlich. »Alles in Ordnung.« 

34

An einem Sonntagmorgen klopfte es an Rowleys Tur. Er offnete und sah sich Lynn gegenuber.

»Lynn!«

»Darf ich hereinkommen, Rowley?«

Rowley trat etwas zuruck, und Lynn ging an ihm vorbei in die Kuche. Langsam nahm sie ihren Hut ab und setzte sich.

»Ich bin heimgekommen, Rowley.«

»Was willst du damit sagen?«

»Ich bin heimgekommen. Dies ist mein Heim, hier, wo du bist. Ich war eine Narrin, Rowley. Ich gehore zu dir.«

»Du wei?t nicht, was du sagst, Lynn«, entgegnete Rowley heiser. »Ich habe versucht, dich umzubringen.«

Lynn lachelte.

»Gerade weil du das tatest, kam mir zu Bewusstsein, was fur ein dummes Ding ich gewesen war. Ich habe doch immer nur dich haben wollen, Rowley. Aber dann brachte der Krieg uns auseinander, und du erschienst mir so zahm, so langweilig. Ich hatte Angst vor dem eintonigen Leben. Aber als du sagtest, wenn du mich nicht haben konntest, durfte auch niemand sonst mich haben, da wurde mir klar, dass ich dich und nur dich liebte.«

»Es hat keinen Sinn, Lynn. Du kannst keinen Mann heiraten, der, wenn’s gut geht, ins Gefangnis wandert.«

»Dazu wird es nicht kommen. Die Polizei glaubt, dass Hunter sowohl Arden wie Rosaleen ermordet hat. Aber nach englischem Gesetz kann man nicht zweimal des gleichen Verbrechens angeklagt werden. Sie haben ihn wegen des Mordes an Arden freigelassen. Fur ihn andert sich nichts. Doch solange die Behorden glauben, dass David der Tater ist, suchen sie nach keinem anderen.«

»Aber dieser Hercule Poirot wei? es doch…«

»Er sagte dem Inspektor, es sei ein Unfall und kein Mord gewesen, und der Inspektor lachte nur. Nein, Monsieur Poirot wird niemandem etwas sagen, dafur lege ich meine Hand ins Feuer. Er ist ein – «

»Nein«, unterbrach Rowley sie. »Du darfst mich nicht heiraten, es ware nicht sicher – «

»Moglich…« Lynn lachelte. »Aber ich liebe dich nun einmal, Rowley, und au?erdem habe ich mir nie sehr viel aus Sicherheit gemacht.«

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