der gesamten Verwaltung des Krankenhauses Tomasellis zielbewu?te, aber verbindliche Tuchtigkeit zum Ausdruck.

Vor einem Jahr war O'Donnell zum Prasidenten des medizinischen Ausschusses des Krankenhauses gewahlt worden, wodurch er zum leitenden Arzt des Three Counties Hospitals wurde. Seitdem hatten er, Tomaselli und Dr. Chandler erfolgreich das Ausbildungsprogramm des Krankenhauses fur Praktikanten und Assistenzarzte erweitert, und die Antrage auf Einstellung nahmen zu.

Noch lag ein weiter Weg vor ihnen. O'Donnell wu?te, da? sie in mancher Hinsicht erst am Anfang eines umfangreichen Programmes standen, das die drei Grundsaulen der Medizin umfa?te: Heilung, Ausbildung, Forschung. Er selbst war jetzt zweiundvierzig, wurde in wenigen Monaten dreiundvierzig. Er bezweifelte, ob er in den aktiven Jahren, die ihm noch bevorstanden, die Aufgabe vollenden konnte, die er sich gestellt hatte. Aber der Anfang war gut. Soweit war er zuversichtlich, und er wu?te, da? seine Entscheidung vor dreieinhalb Jahren im Flugzeug richtig gewesen war. Naturlich gab es bei dem gegenwartigen Stand der Dinge noch schwache Punkte. Das konnte nicht anders sein. Eine so gro?e Aufgabe war weder leicht noch schnell zu losen. Einige der alteren Mitglieder des Arztestabes kampften unvermindert gegen jede Veranderung, und sie ubten einen starken Einflu? auf die alteren Ausschu?mitglieder aus, von denen einige immer noch im Amt waren - Eustace Swayne, halsstarrig wie immer, an ihrer Spitze. Vielleicht war das sogar gut, dachte O' Donnell, und vielleicht war die Behauptung, da? >junge Manner zu viele Anderungen zu schnell vornehmem, manchmal gerechtfertigt. Aber diese Gruppe und ihr Einflu? erzwangen, da? die Planung in manchen Fallen aus Vorsicht verwassert werden mu?te. O'Donnell selbst unterwarf sich dieser Notwendigkeit, hatte aber manchmal Schwierigkeiten, die jungeren Mitglieder des Arztestabes davon zu uberzeugen.

Es war gerade diese Tatsache, die ihn nach dem Gesprach mit Bill Rufus nachdenklich stimmte. Die Pathologie im Three Counties Hospital war immer noch eine Bastion des alten Regimes. Dr. Joseph Pearson, der die Pathologie wie sein eigenes Reich regierte, gehorte seit zweiunddrei?ig Jahren zum Krankenhaus. Er kannte die meisten der alten Ausschu?mitglieder gut und spielte mit Eustace Swayne haufig Schach. Genaugenommen war Joe Pearson durchaus nicht unfahig. Seine Leistungen und Kenntnisse waren beachtlich. In jungeren Jahren war er durch seine Forschungsarbeiten bekannt und zeitweise Prasident der State Pathology Association gewesen. Das wirkliche Problem bestand darin, da? die Arbeitslast in der Pathologie so angewachsen war, da? ein Mann allein die Zugel nicht mehr in Handen halten konnte. O'Donnell vermutete auch, da? ein Teil der technischen Verfahren in der Pathologie einer Erneuerung bedurfte. Aber so wunschenswert eine Anderung auch erschien, in diesem Falle wurde sie schwierig sein.

Da mu?te die Sammelaktion fur die Erweiterung des Krankenhauses berucksichtigt werden. Wenn es zu Reibungen zwischen O'Donnell und Joe Pearson kam, wie wurde Pearsons Einflu? bei Eustace Swayne sich auf Orden Browns Plan, das ganze Geld bis zum nachsten Herbst aufzubringen, auswirken? Swaynes eigener Beitrag mu?te normalerweise hoch sein. Und schon allein dieser Verlust war ernst. Aber ebenso ernst war Swaynes Einflu? auf andere Leute in der Stadt. In gewisser Weise besa? der alte Finanzhai die Macht, ihre nachsten Zukunftsplane gelingen oder scheitern zu lassen.

Weil so viele Dinge in der Schwebe hingen, hatte O'Donnell gehofft, er konne das Problem der Pathologie eine Weile auf sich beruhen lassen. Aber ungeachtet dessen mu?te er wegen Bill Rufus' Beschwerde etwas unternehmen, und das bald.

Er wendete sich von den Planen ab. »Harry«, sagte er zu dem Verwaltungsdirektor, »ich furchte, wir mussen mit Joe Pearson Krieg anfangen.«

III

Im Gegensatz zu der Hitze und der regen Tatigkeit in den oberen Stockwerken war es in dem wei?gekachelten Korridor im Souterrain des Krankenhauses still und kuhl. Die Stille wurde auch nicht durch eine kleine Prozession gestort: Schwester Penfield und neben ihr eine fahrbare Trage, die leise auf kugelgelagerten Rollen glitt und von einem Pfleger in einer wei?en Pflegeruniform und mit gummibesohlten Schuhen geschoben wurde.

Wie oft hatte sie diesen Weg wohl schon zuruckgelegt, uberlegte Schwester Penfield, wahrend sie auf die verhullte Gestalt auf der Trage hinunterblickte. Vielleicht funfzigmal in den letzten elf Jahren, vielleicht ofter. Das war etwas, woruber man nicht Buch fuhrte, diese letzte Fahrt zwischen dem Krankenzimmer und der Leichenkammer, zwischen dem Reich der Lebenden und dem der Toten.

Dieser unauffallig eingefugte letzte Gang mit einem gestorbenen Patienten gehorte zur Tradition. Der Weg fuhrte durch die Hintergange des Krankenhauses und mit dem Lastenaufzug hinunter, um den Lebenden den dunklen, bedruckenden Anblick des nahen Todes zu ersparen. Es war der letzte Dienst, den die Pflegerin ihrem Pflegling erwies, eine Anerkennung dessen, da? der Patient nicht fallengelassen worden war, wenn auch die Medizin versagt hatte. Der Akt der Pflege, des Dienens, des Heilens wurde wenigstens symbolisch fortgesetzt, obwohl die Schwelle schon uberschritten war.

Der wei?e Korridor zweigte hier nach zwei Richtungen ab. Aus dem Gang von rechts klang das Surren von Maschinen. Dort befanden sich die Maschinenanlagen des Krankenhauses, die Heizung, die Hei?wasseranlagen, die Stromerzeuger, der Notgenerator. In die andere Richtung wies ein einziges Schild:

>Pathologische Abteilung - Leichenkammer <.

Als Weidman, der Pfleger, mit dem Wagen nach links abbog, senkte ein Hausmeister, der entweder eine Pause machte oder sich heimlich von seinem Arbeitsplatz fortgeschlichen hatte, die Cola-Flasche, aus der er gerade trank, und trat zur Seite. Er wischte sich mit dem Handrucken uber die Lippen, deutete dann auf den Wagen. »Hat's diesmal nicht mehr geschafft, wie?« Die Frage galt Weidman. Es war ein freundschaftlicher Eroffnungszug eines oft gespielten Spiels.

Auch Weidman war das Spiel vertraut. »Seine Nummer war diesmal wohl dran, Jack.«

Der Hausmeister nickte, hob dann die Flasche wieder an den Mund und trank weiter.

Wie kurz ist die Spanne zwischen dem Leben und dem Obduktionsraum, dachte Schwester Penfield. Vor weniger als einer Stunde noch war die Gestalt unter dem Leichentuch George Andrew Dunton gewesen, lebendig, dreiundfunfzig Jahre alt, Ingenieur. Diese Einzelheiten waren ihr von dem Krankenblatt auf der Notiztafel unter ihrem Arm bekannt.

Die Familie hatte sich nach dem Tode so gefa?t verhalten wie vorher: erschuttert, gewi?, und betroffen, aber keine hemmungslosen Ausbruche. Das hatte es Dr. McMahon erleichtert, um die Erlaubnis zur Obduktion zu bitten. »Mrs. Dunton«, hatte er still gesagt, »ich wei?, wie schwer es fur Sie sein mu?, jetzt daruber zu sprechen und daran zu denken, aber ich mu? Sie um etwas bitten: um Ihre Erlaubnis, an Ihrem Mann eine Obduktion vorzunehmen. «

Er hatte weitergesprochen, die ublichen Satze, ihr erklart, wie das Krankenhaus versuche, seinen medizinischen Standard zum Wohle aller aufrechtzuerhalten, wie die Diagnose des Arztes uberpruft und die medizinischen Kenntnisse gefordert werden konnten, da? es auch eine Vorbeugungsma?nahme im Interesse der Familie und jedes anderen sei, der in Zukunft in das Krankenhaus komme, da? sie aber nicht ohne Erlaubnis vorgenommen werden konne...

Der Sohn hatte ihn freundlich unterbrochen: »Wir verstehen. Wenn Sie das, was erforderlich ist, aufsetzen wollen, wird meine Mutter unterschreiben.«

Darauf hatte Schwester Penfield das Obduktionsformular ausgefullt, und nun war George Andrew Dunton, tot, dreiundfunfzig Jahre alt, hier und fur das Messer des Pathologen bereit.

Die Tur des Obduktionsraumes offnete sich. Der Diener in der Pathologie, George Rinne, ein Neger - der Totenwachter -, sah auf, als der Wagen hereinrollte. Er hatte gerade den Obduktionstisch gesaubert. Jetzt glanzte er in fleckenlosem Wei?. Weidman begru?te ihn mit dem abgedroschenen Scherz: »Hier kommt ein Patient fur euch.« Hoflich, als hatte er diesen Kalauer nicht schon hundertmal gehort, entblo?te Rinne seine Zahne zu einem fluchtigen Lacheln. Er deutete auf den wei?emaillierten Tisch. »Hier, bitte.«

Weidman schob den Wagen neben den Tisch, und Rinne zog das Laken weg, das die nackte Leiche von George Andrew Dunton bedeckte. Er faltete es ordentlich zusammen und reichte es Weidman. Ungeachtet des Todes - die Krankenstation mu?te uber das Leichentuch Rechenschaft ablegen. Dann hoben die beiden Manner den Toten mit dem zweiten Tuch unter ihm auf den Tisch hinuber.

George Rinne schnaufte, als er das Gewicht spurte. Der Tote war ein schwerer Mann gewesen, von uber ein Meter achtzig, der gegen Ende seines Lebens zugenommen hatte. Als Weidman die Bahre zuruckschob, grinste er. »Du wirst alt, George. Du bist auch bald dran.«

Rinne schuttelte den Kopf. »Ich werde noch hier sein, um dich auf den Tisch da zu legen.«

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