Er reichte ihm die Munze, und der Bauer nahm sie bereitwillig an.

»Moge Wotan euch vor euren Feinden beschutzen«, rief er. »Moge Thunors Hammer alle zerschmettern, die euch ubelwollen!«

»Vade in pace, gehe in Frieden!« erwiderte Eadulf, als der Wagen in die wirbelnden Wolken von Schnee eintauchte.

»Wie hat ihn der Gastwirt genannt? Den verruckten Mul?« fragte Fidelma, wahrend sie dem verschwindenden Wagen nachschauten. »Ich wurde ihn nicht als verruckt bezeichnen. Eher verbissen. Die Natur hat einen zahen Gegner in einem Mann, der ihr derartig trotzen kann.«

Eadulf hob ihre Taschen von dem schneebedeckten Boden auf und wandte sich dem gro?en dunklen Tor der Abtei zu.

»Da scheint sich nichts zu ruhren«, stellte Fidelma erstaunt fest. »Jemand mu?te doch unsere Ankunft bemerkt haben. Halt denn dort niemand Wache?«

»Neben dem Tor hangt ein Glockenstrang. Bei diesem Schneesturm und in dieser Dunkelheit hat wahrscheinlich keiner Muls Wagen bemerkt.«

Er setzte eine Tasche ab, langte nach dem Seil neben der pendelnden Sturmlaterne und zog kraftig daran. Durch das Pfeifen des Windes konnten sie gerade noch horen, da? in der Ferne eine Glocke anschlug.

Es dauerte eine ganze Weile, bis etwas rasselte und ein winziges Gitterfenster im Tor aufging. Eadulf spahte durch die Offnung, konnte aber nur einen Schatten dahinter ausmachen.

»Wer seid ihr und was wollt ihr hier?« fragte eine barsche, unfreundliche Stimme.

»Ich bin Bruder Eadulf von Seaxmund’s Ham und reise zusammen mit Schwester Fidelma von Cashel. Wir suchen Schutz vor dem Sturm und mochten den Verwalter dieser Abtei sprechen.«

Erst kam keine Antwort, dann sagte die Stimme: »Wir haben uns zu einer geschlossenen Gemeinschaft von Brudern im Dienste Christi erklart. Frauen gewahrt diese Abtei keinen Einla?.«

Eadulf wurde rot vor Arger.

»Du wirst dieses Tor offnen, im Namen von Theodor von Canterbury, den ich hier vertrete«, erwiderte er mit Nachdruck. »Wenn wir auf eurer Schwelle erfrieren, wird der Erzbischof von dieser Abtei eine schwere Suhne fordern.«

Nach kurzem Schweigen wurde das Gitterfenster geschlossen. Es schien noch eine Ewigkeit zu dauern, dann horten sie, wie Riegel knirschend zuruckgeschoben wurden. Endlich ging einer der beiden gro?en holzernen Torflugel ein kleines Stuck auf.

Eadulf zwangte sich durch die schmale Offnung, zog Fidelma dicht hinter sich her, und sofort schlug das Tor hinter ihnen zu.

Sie standen in einem schmalen, uberwolbten Eingang, dessen graue Steine von einer Deckenlaterne erhellt wurden. Er fuhrte auf einen weiten Hof, hinter dem die Hauptgebaude der Abtei und die Kapelle lagen. Sie horten, wie die Riegel vorgeschoben wurden und dabei ein Gerausch machten, das Fidelma eher an ein Gefangnis denn an eine religiose Gemeinschaft erinnerte.

Der Mann, der das Tor aufgemacht hatte, trat jetzt vor und betrachtete sie forschend mit einem dunklen, scharfen Auge. Uber dem anderen trug er eine Lederklappe. Im Licht der Laterne sah Fidelma, da? der Torhuter gro? war, in die braune Wollkutte eines Monchs gekleidet war und ein holzernes Kreuz an einer Lederschnur um den Hals trug. Er war hager, hatte eine Hakennase und schmale rote Lippen. Die Stirn war kahl, doch uber den Ohren und im Nacken wuchsen unordentliche graue Haarstrahnen. Sein rechtes Auge war dunkel und unruhig. Unter der Klappe lief eine wei?liche Narbe diagonal uber die linke Augenhohle.

»Ich bin Bruder Willibrod, der dominus des domus hospitale der Abtei.« Er hielt inne und sah Fidelma an. »Das hei?t, ich leite das Gastehaus ...«

»Wenn du lateinisch sprechen mochtest«, unterbrach ihn Fidelma spottisch in dieser Sprache, »ich beherrsche es hinlanglich, um dir zu folgen.«

Bruder Willibrod verzog mi?billigend den Mund. Er fiel ins Sachsische zuruck.

»Schwester, ich mu? dir sagen, da? dies kein con-hospitae ist, kein gemischtes Haus. Wir sind hier alle Bruder im Glauben. Es gibt keine Frauen, und wir haben auch keine Unterkunft fur weibliche Gaste.«

Eadulf war fast au?er sich vor Zorn.

»Verweigerst du uns die Gastfreundschaft?« fragte er in drohendem Ton.

»Dir nicht, Bruder. Es ist nur, da? wir ein geschlossener Orden sind und Frauen zu der Abtei keinen Zutritt haben. Das sagt unsere Regel.«

»Wo bleibt eure Pflicht zur Gastfreundschaft?«

»Die Gastfreundschaft steht Frauen nicht zu«, erwiderte der dominus storrisch. »Seit der gro?en Synode von Whitby richten wir uns nicht mehr nach den Regeln der Missionare aus Eireann. Ich habe gehort, Domnoc’s Wic ist noch ein gemischtes Haus. Es liegt zwolf Meilen von hier.«

Eadulf trat einen drohenden Schritt auf Bruder Wil-librod zu. Der dominus fuhr zuruck, doch Eadulf deutete keine weitere korperliche Gewalt an.

»Ich nehme an, du kennst die Wetterlage und wei?t, da? es nur wenige Stunden vor Mitternacht ist?« fragte er kuhl.

Bruder Willibrod sah ihn unsicher an.

»Ich kann nur sagen, wie die Regel der Abtei lautet«, verteidigte er sich.

»Dominus, hor mir zu. Ich bin Eadulf von Seax-mund’s Ham, ich komme aus Canterbury und ...«

Der dominus nickte rasch. »Du hast schon gesagt, da? du Erzbischof Theodor von Canterbury vertrittst. Deshalb habe ich euch eingelassen. Bist du von unserem neuen Erzbischof hergesandt? Stimmt es, da? er Grieche ist und in derselben Stadt geboren wurde wie der heilige Paulus von Tarsus?«

Eadulfs Mund verzog sich leicht vor Arger, doch er dachte, da? die Ehrerbietung, mit der der andere von Theodor sprach, ganz nutzlich sein konne.

»Ich kenne Theodor gut und diene ihm als Gesandter«, antwortete er ruhig. »Ich war so glucklich, ihm die Brauche unseres Landes erklaren zu durfen, als wir in Rom weilten. In seinem Namen verlange ich, da? du .«

»Du warst selbst in Rom?« Bruder Willibrod flusterte beinahe vor Ehrfurcht.

»Ja, das war ich. Aber jetzt, Bruder, fordere ich im Namen Theodors Gastfreundschaft fur mich und meine Ehefrau!«

Bruder Willibrods Unterkiefer sank leicht herab, und er starrte erst Eadulf, dann Fidelma an.

Fidelma konnte sich einen befremdeten Blick auf ihren Gefahrten nicht versagen, und sie fugte peinlich korrekt hinzu: »Ich bin nur eine ben charrthach.«

Bruder Willibrod hatte keine Ahnung von den feinen Unterschieden in den irischen Ehegesetzen und dem Status von Ehefrauen. Er schuttelte betrubt den Kopf.

»Ich werde euer Ersuchen um Gastfreundschaft dem Abt ubermitteln, da es im Namen des Erzbischofs gestellt wird, den Rom hergesandt hat, und weil, wie du gesagt hast, das Wetter zu unwirtlich ist, als da? die fremde Frau noch Weiterreisen konnte. Aber ich mu? euch warnen. Abt Cild gehort zu den Geistlichen, die an das Zolibat fur alle Monche und Nonnen glauben. Bis zur Synode von Whitby war dies ein gemischtes Haus. Als in Whitby die Entscheidung gegen die Iren fiel, wurden die meisten irischen Abte und Monche - und viele Angelsachsen, die bei ihrer Lehre bleiben wollten - aus diesen Konigreichen ausgewiesen.

Cild wurde hier zum Abt ernannt und trat spater zur romischen Regel uber. Damit befurwortete er das Zolibat. Die verheirateten Monche und Nonnen wurden aufgefordert, das Haus zu verlassen. Wir wurden eine geschlossene Gemeinschaft. Es ist gegen meine Anweisungen, wenn ich eine Frau in diese Gebaude einlasse. Nur deine Vollmacht als Abgesandter Erzbischof Theodors zwingt mich dazu, deinen Fall Abt Cild vorzulegen. Vielleicht verweigert er euch die Gastfreundschaft . « - er hielt inne und schaute Fidelma verlegen an -, »besonders, wenn er erfahrt, da? ihr zu den verheirateten Monchen und Nonnen gehort.«

Fidelma lachelte den dominus gewinnend an, denn sie meinte, mit Diplomatie mehr zu erreichen als mit dem Pochen aufs Recht.

»Wir werden unser Verhaltnis nicht besonders betonen, Bruder Willibrod«, sagte sie mit einem bedeutsamen Blick auf Eadulf. »Und vielleicht respektierst du unser Vertrauen, wenn es dadurch fur alle Beteiligten leichter wird?«

Der dominus zogerte einen Moment und zuckte dann die Achseln. »Ich werde es

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