herumhantieren horen. Um in ihr Priesterinnengewand zu schlupfen und es vor der Brust zu verknoten, brauchte sie kein Licht. Durch ihre jahrelange Ubung fand sie sich blind zurecht.

Als sie sich umdrehte, sah sie einen winzigen Funken in der Dunkelheit, der binnen eines Atemzugs zu einer kleinen Flamme anwuchs, die den Docht der Ollampe hinaufleckte. Jetzt endlich konnte sie den Nubier sehen. Er trug ein Leopardenfell um die Huften, das von einem Gurtel gehalten wurde, in dem ein langes Messer steckte. Halb im Schatten verborgen erkannte sie den in Leinentucher eingeschlagenen Kopf, der hinter dem Krieger auf der Kline lag.

»Glaubst du, dich damit gegen einen Gott verteidigen zu konnen?« Sie zeigte auf die gebogene Klinge des Messers, die golden im Lampenlicht glanzte.

»Ich wei?, da? kein Mensch gegen einen Gott bestehen kann. Doch bin ich auch Krieger. Ich wurde nie aufgeben, ohne gekampft zu haben. So wie der Lowe in der Wuste, der sich trotz aller .«

»Schon gut.« Samu kannte die Angewohnheit des Nubiers, sich in seltsame Metaphern zu versteigen. Dazu war jetzt keine Zeit. »Komm mit der Ollampe hier zum Tisch heruber.«

Stumm gehorchte der Krieger. Seine mit Ol eingeriebenen Muskeln glanzten matt im Schein des Lampchens. Er roch nach Nussen und sauerlichem Angstschwei?. Ihn so dicht neben sich zu haben, weckte in der Priesterin langst verdrangte Erinnerungen. Sie bi? sich auf die Lippen. Es war vorbei! Er hatte sie betrogen und war ein Morder.

Nervos kramte Samu in einer kleinen Schmuckschatulle. Endlich hatte sie gefunden, was sie suchte. Sie zog ein kleines Amulett aus Karneol hervor, das an einem Lederband hing. Es zeigte das Udjat, das Auge des Horus. Angeblich war das Amulett sehr alt. Samu hatte es von einem Osiris-Priester geschenkt bekommen. Wenn es uberhaupt eine Macht gab, die Batis vor dem Zorn des Thanatos schutzen konnte, dann war es der falkenkopfige Horus, der Bezwinger des Seth.

»Beuge dein Haupt, Batis.« Der Nubier gehorchte und blickte zweifelnd auf das Amulett.

»Moge der Blick des Horus auf dir ruhen!

Moge der Herr der Harpunierstatte deine Feinde mit seinem Speer durchbohren.«

Feierlich legte die Priesterin dem Krieger das Udjat um den Hals und gab ihm ein Zeichen, ihr zu folgen.

»Was willst du jetzt tun, Herrin?«

»Wir werden dafur sorgen, da? Buphagos seinen Frieden findet und dich nicht weiter mit seinem zornigen Blick verfolgt, weil du seinen Leichnam geschandet hast. Knie vor dem Haupt des Toten nieder und bitte ihn um Verzeihung fur deine Untat. Bete zu ihm und versprich ihm ein Opfer. Wenn du den Mundschenk ehrst und in Zukunft, wenn du den Gottern opferst, auch ihm eine Gabe darbringst, dann wird sein erzurnter Geist vielleicht von dir ablassen. Ich erwarte dich drau?en im Saulengang. Bring den Kopf mit, denn wir werden gemeinsam bis an die Grenze des Totenreiches reisen.«

Der Nubier schluckte. »Ist es nicht besser, wenn du an meiner Seite bleibst, bis .«

Samu schuttelte verargert den Kopf. »Du bist hingegangen und hast den Leichnam geschandet. Es ist ganz allein deine Sache, den Toten dafur um Vergebung zu bitten.« Die Priesterin nahm sich ihren Wollumhang und ging zur Tur.

Es schien eine Ewigkeit zu vergehen, bis sich die Tur zum Porticus offnete und Batis den Saulengang betrat. Unter seinen linken Arm hatte er das Bundel aus Leinentuchern geklemmt. In der Rechten hielt er das Ollampchen, dessen kleine Flamme er sorgsam gegen den Wind abschirmte.

»Und?« Samu musterte den Nubier gespannt.

»Ich . ich glaube, er wird mir vergeben. Ich habe seine Augen geschlossen. Sein Blick verfolgt mich nicht mehr.«

»Gut, dann werden wir ihm jetzt den Weg zu Osiris weisen. Folge mir!«

Die Priesterin verlie? die Villa und fuhrte den Nubier uber das Gelande des Tempels nach Osten. Noch immer wutete der Sturm, und obwohl au?er ihnen niemand zwischen den niedrigen Hausern des Tempelgelandes zu sehen war, blickte Batis immer wieder angstlich uber seine Schulter. Schaudernd uberlegte Samu, ob Thanatos oder die Erinnyen ihnen folgten. Es war nicht weise, sich in die Angelegenheiten fremder Gotter einzumischen. Was mit Batis geschehen wurde, kummerte sie nicht, doch war sie fest entschlossen, Buphagos auf den Weg in das Reich des Osiris zu geleiten.

Der Sturmwind hatte die dunklen Wolkenbander am Himmel zerpfluckt, so da? das silberne Licht des Horu-sauges ihnen fur eine Zeitlang den Weg wies.

Bald erreichten sie den Fu? des Hugels, der hinter dem Artemision lag. Dort stand ein kleiner Schrein, der der Gottin Kybele geweiht war. Dicht daneben erhob sich ein niedriges Haus, in dem die Weihegaben des Schreins verwahrt wurden.

Samu wu?te, da? die Priesterinnen des Artemisions den Leichnam des Mundschenks dorthin gebracht hatten. Er sollte am nachsten Abend auf einem Scheiterhaufen verbrannt werden. So hatte es die Hohepriesterin angeordnet.

Samu schauderte bei der Vorstellung an diese barbarische Sitte. Einen Korper den Flammen zu ubergeben, hie?, ihn fur alle Freuden, die das Jenseits bereithalten mochte, unempfanglich zu machen. Er ware dort wenig mehr als ein Geist.

Doch die Totenverbrennung war Brauch bei den Griechen.

Vielleicht reisten ihre Toten ja an einen anderen Ort. Auch viele der ptolemaischen Pharaonen hatten an dieser alten Sitte festgehalten und ihre Korper den Flammen ubergeben lassen. Hatte Buphagos noch die Zeit gehabt, einen Wunsch zu seiner Totenfeier zu au?ern, so hatte auch er wahrscheinlich nach alter Sitte verbrannt werden wollen. Im Grunde kam diese Art der Bestattung ihnen sogar entgegen.

»Gib mir jetzt das Licht und hole den Toten dort vorne aus dem Haus. Ich werde hier auf dich warten.«

Batis warf Samu einen zweifelnden Blick zu. »Bist du sicher, da? wir das Richtige tun, Herrin?«

Naturlich war sie nicht sicher, dachte Samu argerlich. Sie taten das Notwendige, aber ob es richtig war, wu?te sie nicht.

»Geh jetzt dort hinein!« herrschte sie den Krieger an. »Oder hast du etwa Angst? Vertraue dem Udjat. Es wird dich beschutzen!«

Batis zogerte einen Moment. Dann gab er ihr die Lampe und legte das Leinenbundel mit dem Kopf des Mundschenks auf den Boden. Vorsichtig schlich er zur Tur. Sie war nicht verschlossen. Kurz spahte der Nubier ins Innere des Hauses, dann verschwand er durch den Turspalt.

Ob die Priesterinnen Wachen aufgestellt hatten? Samu fluchte leise. Warum hatte sie nicht fruher daran gedacht? Es war ublich, einen Toten bei Nacht nicht alleine zu lassen. Zogernd blickte sie zur Tur hinuber, hinter der der Nubier verschwunden war. Sollte sie ihm folgen? Es ware ohnehin zu spat, um ihn noch zu warnen. Vielleicht ware es das klugste, sich davonzustehlen?

Ein merkwurdiger Schrei erklang hoch uber ihr in der Luft.

War es ein Vogel? Die Priesterin mu?te an die Erinnyen denken, die blutdurstigen Rachegottinnen der Griechen. Sie brachten Wahnsinn und Tod uber ihre Opfer. Ob sie wohl irgendwo hier drau?en in der Finsternis lauerten?

Samu wunschte, sie hatte selbst ein Schutzamulett angelegt. Mit zitternder Stimme flusterte sie einen Bannspruch gegen bose Geister.

Endlich offnete sich wieder die Tur. Undeutlich konnte die Priesterin den Nubier erkennen. Er trug ein gro?es Bundel uber der Schulter, doch hatte er auch irgend etwas unter den Arm geklemmt. Er schleppte eine riesige Amphore mit sich herum! Wahrscheinlich war sie voller Ol. Wenn das Holz feucht war, wurde sie es brauchen, um den Scheiterhaufen uberhaupt entzunden zu konnen.

Schnaufend erreichte der hunenhafte Krieger Samu.

»Waren keine Wachen bei dem Toten?«

»Oh, doch.« Batis nickte. »Eine hubsche junge Priesterin.«

Samu blickte zu dem Dolch am Gurtel des Kriegers. »Du ... du hast sie doch nicht etwa .«

Der Nubier grinste. »Das war nicht notwendig. Sie war eingeschlafen. Sie hat mich nicht bemerkt.«

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