John Ringo und Julie Cochrane

Callys Krieg

Prolog

»Also, wie laufen denn deine Plane fur die Menschen, Tir?«

Der Darhel Ghin sa? da in einer Haltung, die er den Menschen abgeschaut hatte: die Beine abgeknickt und ein Fu? uber dem Knie des anderen Beins. Sein Gesicht war ausdruckslos, die Ohren unbewegt; seinem Gesichtsausdruck war nicht abzulesen, was er moglicherweise mit dieser seltsamen Wahl seiner Haltung bezweckte. Sein Haar hatte den metallischen Glanz von altem Silber mit ein paar schwarzen Faden darin. Die Augen mit den geschlitzten Pupillen waren von tiefem Smaragdgrun mit einem leichten Muster violetter Aderchen rings um das Wei? und wirkten in dem schmalen fuchsahnlichen Gesicht vollig ausdruckslos. Das Gesicht hatte elfenhaft aussehen konnen, wenn es nicht so massiv real gewirkt hatte. Fur den Augenblick waren die rasiermesserscharfen Zahne zwischen seinen noch geschlossenen Lippen verborgen. Kurz gesagt, er machte den Eindruck eines typischen Darhel, praktisch in jeder Hinsicht. Doch genau dieses Typische hatte schon mehr als einen nichts argwohnenden Rivalen dazu veranlasst, ihn auf das Argste zu unterschatzen. Zumindest in seiner Jugend.

»Nun ja, Euer Ghin.« Er sah direkt in den wandgro?en Bildschirm. Im Hintergrund konnte man die Indowy- Leibdiener seines Vorgesetzten arbeiten sehen. Ein Mensch hatte sie vielleicht mit kleinen, grunen Teddybaren verglichen, der Tir nahm sie praktisch uberhaupt nicht zur Kenntnis, fur ihn war ihre allgegenwartige Dienstleistung ein selbstverstandlicher Bestandteil seiner Bequemlichkeit. »Die planetarische Ruckgewinnung unserer bislang von Posleen besetzten Interessen mit gro?tem Profitpotenzial verlauft planma?ig. Unfallsbedingte Verluste an menschlichen Kolonisten liegen innerhalb der Zehnprozentgrenze vom Optimum. Verlust menschlicher Kolonieschiffe liegt im Optimum plus oder minus zwei Prozent. Das Verschleierungsprogramm fur Verluste lauft planma?ig. Monatliche Ertragsraten bewegen sich bei sieben Prozent plus oder minus eins Komma funf Prozent mit einer Verlasslichkeit von funfundneunzig Prozent«, rezitierte er. Seine Ohren spitzten durch sein metallisches Silberhaar, was bei dieser Rasse ungewohnlich, aber akzeptabel war, seine Haltung war aufrecht in der Position starken Vertrauens. Der alte Narr musste doch sicherlich allmahlich bemerken, dass er anfing nachzulassen.

»Die Menschen sind … etwas zahlreicher und weniger dankbar, als es Ihrer Vorhersage zu Beginn des Programms wahrend des Posleen-Kriegs entspricht.«

»Samtliche Plane mussen als Teil des Prozesses angepasst werden, wir haben schon fruher uber Sinn und Zweck der Managementaufgabe diskutiert, Euer Ghin.« Wie er das nur immer machte? Dieses obsolete Fossil hatte die lastige Angewohnheit, genau die Frage zu stellen, die bei jedem beliebigen Operationsplan die unbequemsten Aspekte zutage forderte. Aber die Kontrolle des Tir uber die eigene Korpersprache hatte sich im Laufe der Jahre deutlich verbessert, und so spitzte er nur ein Ohr in einer Geste, die zwischen hoflicher Herablassung und sorgfaltiger Aufmerksamkeit schwankte.

»Bei allem Respekt, Euer Ghin, die Ertrage sind gestiegen, und die Eventualplane zur Lenkung der Menschen funktionieren innerhalb akzeptabler Parameter recht gut.« Es juckte ihn links an der Schnauze, unmittelbar unter dem Ansatz seiner Barthaare. Mit einiger Muhe vermied er es, die Barthaare zucken zu lassen. Oder die Augen zusammenzukneifen. Schwacher werdendes Licht hatte den Effekt, die Schlitzpupillen deutlich runder werden zu lassen, und dann fiel es noch starker auf, wenn man die Augen zusammenkniff, als das bei einem Wesen mit runden Pupillen der Fall gewesen ware.

»Ihre Parameter vernachlassigen die jungsten Hinweise auf aktiven menschlichen Widerstand.« Was er an dem alteren Darhel Lord wirklich bewunderte, war, wie sehr er seinen Ausdruck und seine Gesten im Griff hatte. Die Menschen hatten fur diese Art der Selbstkontrolle einen seltsam passenden Ausdruck: Pokergesicht. Sie benutzten den Ausdruck, um ein Spiel zu beschreiben. Eine der wenigen personlichen Interaktionen, auf die er sich mit Menschen einlie?, war ein gelegentlicher Abend, an dem sie dieses Pokerspiel spielten, das der Mensch Worth und einige seiner Untergebenen ihm beigebracht hatten. Der Kontakt war unangenehm, aber man konnte bei diesem Spiel tatsachlich Geld gewinnen, und das tat er regelma?ig, und der Tir fand das so faszinierend, dass es die Nachteile uberwog.

»Weil bereits Plane in der Umsetzung begriffen sind, um diese kleine Einzelheit wieder in Einklang mit optimalen Managementumstanden zu bringen.« Wie konnte dieses alte Fleisch gewordene Hindernis das wissen? War es moglich, dass seine eigene Kommunikation sich als weniger sicher erwies, als er das geglaubt hatte? Er wurde das untersuchen mussen.

»Ich stelle auch fest, dass unfallbedingte Verluste an menschlichen Kolonisten au?erst selektiv wirken.« Er hatte das Wort »selektiv« leicht betont. Unmoglich festzustellen, ob das schwaches Lob oder Kritik bedeutete.

»Ja. Das ermoglicht es uns, unsere Ertrage von den verbliebenen Kolonisten zu optimieren.« Er musste sich Muhe geben, seine Freude daruber nicht sichtbar werden zu lassen, weil diese Errungenschaft eher einen personlichen Ausdruck der Befriedigung mit der eigenen Leistung erforderte. Sein Vorgesetzter lie? sich wie ublich in keiner Weise anmerken, dass er beeindruckt war.

»Es ist gut zu wissen, dass deine Leistung wie gewohnlich hochsten Ma?staben gerecht wird, Tir.« Das Aufblitzen von Reihen rasiermesserscharfer, spitzer Zahne, die ganz kurz sichtbar wurden und damit einen menschlichen Ausdruck kopierten, das Grinsen, loste beinahe ein leichtes Schaudern aus. Aber in Wirklichkeit bemuhte sich der alte Narr blo?, gute Miene dazu zu machen, dass die Jagd ihm im Nacken sa?. Das Alter fing an, seiner Lebenskraft zuzusetzen, und wurde ihm bald den Verstand und zu guter Letzt das Leben nehmen.

Diesmal schaffte der Tir es nicht ganz, seine Freude und Genugtuung zu verbergen.

1

Chicago

Freitag, 10. Mai 2047

Der Inhaber seiner Lieblingsbar in Chicago hatte einen alten, noch aus der Vorkriegszeit stammenden Bartresen, der mitten im Raum stand, umgebaut und die Insel in der Mitte, bestehend aus Glasern, Barkeeper und Getranken, durch einen riesigen Holotank ersetzt. Rauchen war — was fur eine Bar ungewohnlich war — streng verboten, weil der emporziehende Rauch sich gewohnlich storend auf die Bilddarstellung auswirkte. Das Surround-Sound-System war praktisch perfekt, und die Kellner und Kellnerinnen, die die Getranke von einer traditionellen Bar lieferten, die nachtraglich neben der Kuche eingebaut worden war, achteten besonders darauf, die Bestellungen der Gaste moglichst leise entgegenzunehmen, um das Spiel nicht zu storen. Diese Bar roch daher nicht nach dem ublichen abgestandenen Rauch, sondern nach einer Mischung aus Bier, Pommes, Hamburger und dem Zitronenol, mit dem die Angestellten den Tresen standig auf Hochglanz polierten. Er kam selten her, weil ein Mann in seinem Gewerbe darauf achten musste, keine auffalligen Verhaltensmuster zu entwickeln. Trotzdem war dies die von ihm bevorzugte Wasserstelle, weshalb er vermutlich ofter herkam, als er das eigentlich sollte.

Charles Worth war ein gro?er Anhanger des Hockey-Sports. Dabei ging es ihm jedoch nicht so sehr um die Gewalttatigkeiten, die man dabei manchmal erleben konnte; schlie?lich war Gewalt in seinem Beruf ein alter Hut. Was ihm am Hockey viel mehr gefiel, war das Tempo, der Wettkampf und die Spielkunst. Hockey war ein rechtes Mannerspiel, das merkte man auch an der echten Musik, die man dazu spielte, nicht etwa die schrillen Tone irgendwelcher albernen Bands. Cheerleader gab es auch keine, aber er betrachtete sich als Frauenkenner und hatte seine Frauen ohnehin lieber in Griffweite. Worth zog das Ursprungliche, das Echte, das Ungewohnliche vor, immer vorausgesetzt, dass sie auch schon war. Die Blondine zu seiner Linken war ihm aufgefallen. Er konnte eine Wasserstoffblondine auf eine Meile weit entdecken und achtete sehr darauf, sich nie, na ja, fast nie mit Kunstlichem zu begnugen. Die hier war ganz eindeutig eine echte Blondine. Selbst ein guter Friseur hatte immer noch Muhe, beim Farben all die Lichter naturlicher Haarfarbe zu erzeugen — er wusste das sehr wohl, er musste ja schlie?lich haufig genug selbst sein

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