«Du wirst mit Old Firehand und einigen Zeugen zum nachsten Hauptlinge der Bleichgesichter gehen mussen; damit der Kauf dort seine Gultigkeit erhalte. Dafur wirst du noch ein besonderes Geschenk erhalten, gro? oder klein, viel oder wenig, wie du es verdient oder wie es Old Firehand beliebt. Du siehst, ich sehe auf deinen Nutzen; aber ich hoffe, da? du mich den Verrat vergessen lassest. Jetzt rufe einige deiner Leute heruber, welche die gefangenen Utahs hinuberschaffen sollen, damit sie nicht auch ertrinken!«

Das» lange Ohr «gehorchte dieser Aufforderung, und es war hohe Zeit, da? die Gefangenen in Sicherheit gebracht wurden. Als der letzte von ihnen drau?en vor dem Gebaude niedergelegt worden war, horte man ein Prasseln und Gurgeln; das Wasser hatte die dunne Mauer eingedruckt und war nun auch druben im Keller eingedrungen. Nur zehn Minuten spater, und die Utahs hatten ertrinken mussen.

Sie wurden in den Kanoes hinuber an das Ufer geschafft und den Timbabatschen zur Bewahrung anvertraut. Deren Hauptling wurde nicht bei ihnen gelassen, weil man ihm doch noch nicht wieder trauen konnte. Er mu?te mit vor nach dem Eingange, wo die Wei?en noch scharf auf Posten lagen, da die Utahs ihnen gegenuberstanden und sich noch nicht zuruckgezogen hatten.

Diese Leute wu?ten nicht, woran sie waren. Die meisten derer, welche nach der Insel hatten gehen sollen, waren schon in den Gang eingedrungen gewesen, als derselbe plotzlich durch eine machtige Stein- und Erdmasse von oben eingedruckt worden war. Diese Masse hatte viele der Eindringlinge erdruckt und den Gang so vollstandig und fest verschuttet und verstopft, da? das Wasser des Sees nicht hinauszudringen vermochte. Und das hatte in der Absicht des» gro?en Baren «gelegen. Das Wasser sollte nicht nach au?en in den Canon abflie?en, sondern in das Innere der Insel dringen.

Die hintersten Utahs, welche nicht mit verschuttet wurden, waren erschrocken zuruckgewichen und zu der andern Abteilung geeilt, um dort zu erzahlen, was geschehen war. Man wu?te nicht, ob alle, die sich in dem Gange befunden hatten, verloren seien, oder ob es denen, die nicht direkt verschuttet worden waren, gelungen sei, nach der Insel zu gelangen. War das letztere der Fall, so mu?ten diese Krieger die Wei?en im Rucken angreifen. Man wartete von Minute zu Minute, da? dies geschehen werde, aber die Zeit verging, ohne da? sich diese Hoffnung erfullte. Nun stand es fest, da? alle ein Opfer der Katastrophe geworden seien.

Es wurde Tag, und noch hielten die Utahs mit ihren Pferden an derselben Stelle. Sie hatten, um nicht von den Bleichgesichtern uberrumpelt zu werden, einige Posten vorgeschoben. Da sahen sie Old Shatterhand unter den Baumen erscheinen. Er rief ihnen zu, da? er mit ihrem Anfuhrer zu sprechen wunsche. Dieser war uberzeugt, da? der Jager keinen Verrat beabsichtige, und ging ihm entgegen. Als sie zusammentrafen, sagte Old Shatterhand:»Du wei?t, da? sich mehrere eurer Hauptlinge und Krieger als Geiseln bei uns befinden?«

«Ich wei? es. Es sind die beruhmtesten unsrer Manner, «antwortete der Gefragte finster.

«Und wei?t du, was mit euren Kriegern, welche den Gang betreten haben, geschehen ist?«

«Nein.«

«Der Gang sturzte zusammen, und das Wasser trat in denselben; sie sind alle ertrunken. Nur das» lange Ohr «ist entkommen. Soeben sind die erwarteten zweihundert Navajos angelangt. Wir sind euch weit uberlegen, aber wir wunschen nicht euer Blut, sondern wir wollen euch Frieden geben. Die Geiseln glauben uns nicht, da? so viele eurer Leute im See umgekommen sind. Einer von euch soll es ihnen sagen, um sie zu uberzeugen. Schlie?en sie nicht Frieden, so mussen sie binnen einer Stunde sterben, und euch werden wir jagen und hetzen, bis ihr zusammenbrecht. Sei klug, und gehe jetzt mit mir! Ich fuhre dich zu den Hauptlingen. Sprich mit ihnen, und dann kannst du wieder hierher zuruckkehren.«

Der Mann blickte eine Weile vor sich nieder und sagte dann:»Old Shatterhand kennt keine Hinterlist. Du wirst Wort halten und mich zuruckkehren lassen. Ich traue dir und gehe mit.«

Er unterrichtete seine Leute von seinem Vorhaben, legte die Waffen ab und folgte dann dem Jager nach dem See. Dort herrschte reges Leben, denn die Navajos waren wirklich angekommen. Sie brannten vor Begierde, die Niederlage der Ihrigen an den Utahs zu rachen, und es hatte mehr als die gewohnliche Uberredungsgabe erfordert, sie dem Frieden geneigt zu machen. Die Geiseln waren von ihren Fesseln befreit worden; sie sa?en unter hinreichender Bewachung bei einander, als Old Shatterhand ihren Kameraden brachte. Er lie? sich bei ihnen nieder, und dann wurde das» lange Ohr «zu ihnen geschickt, um ihnen den Hergang der Katastrophe zu berichten. Sonst mischte sich weiter niemand in ihre Beratung; sie mu?ten ja nun endlich selbst einsehen, da? sie von au?en keine Hilfe zu erwarten hatten.

Ihre Unterhaltung wahrte lange; dann meldete das» lange Ohr«, da? sie den Entschlu? gefa?t hatten, auf den Friedensvorschlag einzugehen.

Infolgedessen gab es eine feierliche Sitzung, an welcher die hervorragenden Wei?en und Roten sich beteiligten; sie dauerte mehrere Stunden, und es wurden viele Reden gehalten, bis endlich die Friedenspfeife die Runde machte.

Das Resultat war ein» ewiger «Friede zwischen allen Parteien; Suhne war von keiner Seite zu leisten; die Gefangenen wurden freigegeben, und alle, Utahs, Navajos und Timbabatschen, verpflichteten sich, den Bleichgesichtern, welche im Felsenkessel wohnen und arbeiten wollten, Freundschaft zu erweisen und allen Vorschub zu leisten.

Hierauf folgte eine gro?e Jagd, welche bis zum Abend wahrte und reiche Beute brachte, und darauf, wie ganz selbstverstandlich, ein Wildbretessen, bei welchem die Roten schier das Unmogliche leisteten. Die Festlichkeit wahrte bis zum fruhen Morgen. Die aufgehende Sonne sah zu, als die Helden des Friedensschlusses sich in ihre Decken wickelten, um einzuschlafen. Was die Zeichnung betrifft, welche der rote Cornel gehabt hatte, so war sie verschwunden, sie ware nun auch gegenstandslos gewesen.

Eine schwierige Aufgabe fur die Wei?en war es, den» gro?en Wolf «nun freundlich zu behandeln. Er war es, der am meisten gegen sie gesundigt hatte; er trug die Schuld an allem, was geschehen war; aber auch ihm wurde vergeben.

Es verstand sich ganz von selbst, da? der ganze nachste Tag verschlafen wurde. Am nachsten Morgen schlug die Trennungsstunde. Die Utahs zogen nord- und die Navajos sudwarts. Auch die Timbabatschen kehrten in ihre Wigwams heim. Das» lange Ohr «versprach, wegen des Verkaufes des Felsenkessels Beratung zu halten und dann das Resultat derselben mitzuteilen. Er kehrte schon am dritten Tage zuruck und berichtete, da? die Versammlung darauf eingegangen sei und sich mit dem vom» gro?en Bar «festgesetzten Preise einverstanden erklart habe. Es galt nun nur noch, den Kauf an zustandiger Stelle abzuschlie?en und beglaubigen zu lassen.

Der Digging-Platz war also gegeben, und es hie? nun nur, ihn in Arbeit zu nehmen. Das sollte moglichst bald geschehen. Das gab ein Schwarmen und ein Hoffen, mit welchem nur ein einziger nicht einverstanden war — der Lord. Er hatte den Humply-Bill und den Gunstick-Uncle engagiert, ihn nach Frisco zu bringen; diesen beiden aber fiel es gar nicht ein, unter den jetzigen Verhaltnissen Wort zu halten. Sie hatten schon hubsche Summen im Buche stehen, und falls sie mit dem Englander gingen, stand zu erwarten, da? sie bis San Francisco das Honorar fur noch manches Abenteuer erhalten wurden, weit mehr aber mu?ten sie sich von dem Placer versprechen, welches zu erwerben Old Firehand im Begriffe stand. Darum wollten sie bleiben, und der Lord war verstandig genug, ihnen das nicht ubel zu nehmen. Ubrigens konnte die Arbeit im Felsenkessel noch lange nicht begonnen werden. Der Lord hatte also noch genugsam Zeit, sich mit seinen beiden Fuhrern nach Abenteuern in den Bergen umherzutreiben.

Zunachst ritt Old Firehand mit dem» gro?en Baren «und dem» langen Ohre «nach Fillmore City, wo der Kauf in Ordnung gebracht wurde. Das war zugleich der passende Ort, die notigen Maschinen und Werkzeuge zu bestellen. Die Tante Droll war mitgeritten, um durch Zeugen vor dem Notar erharten zu lassen, da? der rote Cornel tot sei. Dadurch beabsichtigte er, in den Besitz der Pramie zu gelangen, auf welche er es abgesehen hatte.

Ein schones, geschwisterliches Verhaltnis entwickelte sich zwischen Ellen und dem» kleinen Baren«. Er war den ganzen Tag um ihr kleines Personchen, und wenn er eimal auf sich warten lie?, so fehlte er ihr an allen Ecken und Enden.

Endlich, nach fast anderthalb Monaten, kam die Botschaft, da? die Maschinen abgeholt werden konnten. Man brach auf, um dies zu thun, und der Lord benutzte diese gute Gelegenheit, in Gesellschaft nach bewohnten Orten zu gelangen, wo er leicht andre Fuhrer finden konnte.

Als die Gesellschaft in Filmore City ankam, erregte sie Aufsehen. Man ahnte, da? es sich um ein gro?es Miner-Unternehmen handle, und gab sich alle Muhe, das Nahere zu erfahren. Aber die Interessenten bewahrten die gro?te Verschwiegenheit, da es nicht in ihrer Absicht liegen konnte, allerlei abenteuerliches Gesindel in ihrer Nahe zu haben.

Dann, als man alles oben am See bei einander hatte, begann der Ingenieur seine Thatigkeit zu entwickeln.

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