er den Tranen nahe war.

Rainger wandte sich verwirrt an O'Hanlon. »Wir mussen ihn gekrankt haben.«

»Ach herrje!«

Toby holte tief Atem. »Horen Sie zu, Sie beide, es ist mir egal, ob Sie mich mogen oder nicht, aber -«

»Wir lieben Sie!« rief O'Hanlon aus.

»Sie sind ein Schatz!« fiel Rainger ein.

Toby sah einen nach dem anderen vollig verblufft an. »Was? Sie fuhrten sich wie -«

»Wissen Sie, was mit Ihnen los ist, Toby? Sie sind unsicher. Entspannen Sie sich. Klar, Sie mussen noch viel lernen, aber andererseits, wenn Sie Bob Hope waren, stunden Sie nicht hier.«

O'Hanlon fugte hinzu: »Und wissen Sie, warum? Weil Bob heute in Carmelist.«

»Golf spielen. Spielen Sie Golf?« fragte Rainger.

»Nein.«

Die beiden Autoren sahen sich besturzt an. »Die ganzen Golfwitze im Eimer. Schei?e!«

O'Hanlon griff zum Telefon. »Bitte, bringen Sie uns einen Kaffee, Zsa Zsa.« Er legte wieder auf und sagte zu Toby: »Wissen Sie, wie viele Mochtegern-Komiker es in dieser seltsamen Branche gibt, in der wir arbeiten?«

Toby schuttelte den Kopf.

»Kann ich Ihnen genau sagen. Drei Milliarden siebenhundertacht-undzwanzig Millionen, gestern abend, sechs Uhr. Milton Berles Bruder nicht mitgerechnet. Bei Vollmond kriechen sie alle aus ihren Schlupfwinkeln. Es gibt nur ein halbes Dutzend echte Spitzenkomiker. Die anderen werden's nie schaffen. Spa? ist die ernsthafteste Sache der Welt. Es erfordert gottverdammte Anstrengung, komisch zu sein, ob man nun ein Komiker ist oder ein Komodiant.«

»Gibt es da einen Unterschied?«

»Einen gro?en. Ein Komiker offnet komische Turen. Ein Komodiant offnet Turen komisch.«

Rainger fragte: »Haben Sie sich je uberlegt, was einen Komodianten zu einem Dauerbrenner und einen anderen zum Versager macht?«

»Die Texte«, sagte Toby, der ihnen schmeicheln wollte.

»Schei?dreck. Der letzte neue Witz wurde von Aristophanes erfunden. Im Grunde sind alle Witze gleich. George Burns kann dieselben sechs Witze erzahlen, die sein Vorganger im Programm gerade erst erzahlt hat, und Burns hat den gro?eren Lacherfolg. Und wissen Sie, warum? Personlichkeit.« Genau das hatte Clifton Lawrence ihm auch gesagt. »Ohne die sind Sie nichts, ein Niemand. Sie fangen mit

Personlichkeit an und bauen sie zu einem Charakter aus. Nehmen Sie Hope, zum Beispiel. Wenn er herauskame und einen Jack-BennyMonolog sprache, wurde er wie eine Bombe einschlagen. Warum? Weil er einen Charakter aufgebaut hat. Das erwartet das Publikum von ihm. Wenn Hope auftritt, will das Publikum ein Feuerwerk von Witzen horen. Er ist ein liebenswerter Bursche, ein Gro?stadtjunge, der die Leute um den Finger wickelt. Jack Benny – genau das Gegenteil. Er wusste nicht, was er mit einem Bob-Hope-Monolog anfangen sollte, aber er kann eine Pause von zwei Minuten einlegen und ein Publikum vor Lachen zum Brullen bringen. Jeder der Marx Brothers hat seinen eigenen Charakter. Fred Allen ist einmalig. Damit sind wir bei Ihnen. Kennen Sie Ihr Problem, Toby? Sie sind ein bisschen von jedem. Sie imitieren all die Gro?en. Nun, das ist schon und gut, wenn Sie fur den Rest Ihres Lebens zweite Garnitur sein wollen. Wenn Sie aber mehr erreichen mochten, mussen Sie sich einen eigenen Charakter schaffen. Wenn Sie auf der Buhne stehen, muss das Publikum, noch bevor Sie uberhaupt den Mund aufmachen, wissen, dass da oben Toby Temple steht. Kapiert?«

»Ja.«

O'Hanlon schaltete sich ein. »Wissen Sie, was Sie haben, Toby? Ein liebenswertes Gesicht. Wenn ich nicht schon Clark Gable versprochen ware, ware ich verruckt nach Ihnen. Sie haben etwas Naiv-Su?es an sich. Wenn Sie das richtig verpacken, lie?e sich ein Vermogen daraus machen.«

Rainger pflichtete O'Hanlon bei.

»Sie konnen ungestraft Dinge sagen, die die anderen Jungs nicht bringen durfen. Es ist wie bei einem Chorknaben, der vor sich hinflucht – man findet es reizend, weil man nicht glaubt, dass er tatsachlich wei?, was er sagt. Als Sie hier reinkamen, fragten Sie, ob wir die Burschen seien, die Ihre Witze schreiben wurden. Die Antwort lautet nein. Das hier ist kein Witzladen; wir werden Ihnen zeigen, was in Ihnen steckt und was Sie damit anfangen konnen. Wir werden einen Charakter fur Sie zurecht-schneidern. Nun – was sagen Sie dazu?«

Toby sah von einem zum anderen, grinste uberglucklich und sagte: »Krempeln wir die Armel hoch und gehen wir an die Arbeit.«

Von nun an a? Toby taglich mit O'Hanlon und Rainger im Studio zu Mittag. Die Kantine der Twentieth Century-Fox war ein riesiger Raum, der von einem Ende zum anderen mit Stars besetzt war. An jedem x- beliebigen Tag konnte Toby Tyrone Power und Loretta

Young und Betty Grable und Don Ameche und Alice Faye und Richard Widmark und Victor Mature und die Ritz Brothers und Dutzende anderer sehen. Einige sa?en an Tischen in dem gro?en Saal, andere a?en in dem kleineren Direktoren-Speiseraum, der neben der Hauptkantine lag. Toby liebte es, sie alle zu beobachten. In kurzer Zeit wurde er einer der Ihren sein, die Leute wurden ihn um ein Autogramm bitten. Er war auf dem richtigen Weg, und er wurde sie alle ubertreffen.

Alice war begeistert von dem, was mit Toby geschah. »Ich wei?, du wirst es schaffen, Liebling.«

Toby lachelte sie an und schwieg.

Toby, O'Hanlon und Rainger fuhrten lange Diskussionen uber den neuen Typ, den Toby verkorpern sollte.

»Er sollte sich einbilden, ein kluger Mann, ein Mann von Welt zu sein«, sagte O'Hanlon. »Aber jedesmal, wenn er dran ist, macht er Mist.«

»Was macht er beruflich?« fragte Rainger. »Metaphern mischen?«

»Er sollte noch bei seiner Mutter leben. Er ist in ein Madchen verliebt, aber er furchtet sich davor, von zu Hause wegzuziehen, um sie zu heiraten. Schon funf Jahre ist er mit ihr verlobt.«

»Zehn ist eine komischere Zahl.«

»Richtig. Also zehn. Seine Mutter wurde selbst einen Hund zur Verzweiflung bringen. Jedesmal, wenn Toby heiraten mochte, wird sie krank. Das Time Magazin ruft jede Woche bei ihr an, um zu erfahren, was es in der Medizin Neues gibt.«

Toby war fasziniert von dem Schlagabtausch. Er hatte noch nie mit Profitextern gearbeitet, und es gefiel ihm. Besonders, da sich alles um ihn drehte. O'Hanlon und Rainger brauchten drei Wochen, um fur Toby eine Nummer zu schreiben. Als sie sie ihm schlie?lich zeigten, war er begeistert. Sie war wirklich gut. Er machte ein paar Anderungsvorschlage, sie fugten ein paar Zeilen hinzu, strichen andere, und Toby Temple war fertig. Clifton Lawrence rief ihn zu sich.

»Sie fangen Sonnabend abend im Bowling Ball an.«

Toby starrte ihn an. Er hatte erwartet, an das Giro oder das Trocadero vermittelt zu werden. »Was – was ist der Bowling Ball?«

»Ein kleiner Club an der Sudwest Avenue.«

Toby machte ein enttauschtes Gesicht. »Ich habe noch nie davon gehort.«

»Und die haben von Ihnen auch noch nichts gehort. Darauf kommt's an, mein Junge. Wenn Sie da Mist machen, wird niemand etwas davon erfahren.« Au?er Clifton Lawrence.

Der Bowling Ball war eine richtige Mullkippe. Es gab kein passenderes Wort dafur. Er war nicht besser und nicht schlechter als die zehntausend anderen schmutzigen kleinen Bars im ganzen Land, ein Treffpunkt fur Versager. Toby war schon tausendmal da aufgetreten, in tausend Stadten. Die Gaste waren Manner mittleren Alters, Arbeiter in dunklen Hemden ohne Krawatte, zu deren Freizeitgewohnheiten es gehorte, sich hier mit ihren Kumpeln zu treffen, mit den muden Kellnerinnen in ihren engen Rocken und tief ausgeschnittenen Blusen anzubandeln und bei einem billigen Whisky oder einem Glas Bier dreckige Witze zu erzahlen. Die Show fand auf engem Raum im Hintergrund des Lokals statt, wo drei gelangweilte Musiker spielten. Ein homosexueller Sanger eroffnete die Vorstellung, ihm folgte ein akrobatischer Tanzer und dann eine Stripperin, die mit einer schlafrigen Kobra arbeitete.

Toby sa? zusammen mit Clifton Lawrence, O'Hanlon und Rainger an einem Tisch, sah den anderen Darbietungen zu, lauschte dem Publikum und versuchte, dessen Stimmung abzuschatzen.

»Biertrinker«, sagte Toby verachtlich.

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