und Schweinekopfen ermoglichte. Pauls Traum war es gewesen, ein Geschaft zu betreiben und genug Geld zu verdienen, um sich seiner geliebten Poesie widmen zu konnen.

Frieda und Paul verbrachten ihre Flitterwochen in einem Gasthof au?erhalb Salzburgs, in einer schonen alten Burg an einem reizenden See, von Wiesen und Waldern umgeben. Frieda hatte sich in Gedanken schon hundertmal die Hochzeitsnacht ausgemalt. Paul wurde die Tur abschlie?en, sie in die Arme nehmen und zartliche Worte flustern, wahrend er sie auszog. Seine Lippen wurden die ihren finden und dann langsam ihren nackten Korper hinunterstreichen, so wie es in all den grunen Buchlein geschah, die sie im geheimen gelesen hatte. Sein Glied wurde hart, steif und stattlich sein, und er wurde sie zum Bett tragen und sie zart niederlegen. Mein Gott, Frieda, wurde er sagen, ich liebe deinen Korper. Du bist nicht wie die mageren kleinen Dinger. Du hast den Korper einer Frau.

Die Wirklichkeit kam wie ein Schock. Es stimmte zwar, dass Paul, als sie in ihrem Zimmer waren, die Tur abschloss. Was danach kam, glich jedoch in nichts dem Traum. Wahrend Frieda zusah, zog Paul schnell sein Hemd aus, wobei er eine hohe, magere, haarlose Brust enthullte. Dann zog er die Hosen herunter. Zwischen seinen Beinen hing ein schlaffer, winziger, von der Vorhaut uberzogener Penis. Er ahnelte in keiner Weise den erregenden Bildern, die Frieda gesehen hatte. Paul streckte sich auf dem Bett aus und wartete auf sie. Frieda merkte, dass sie sich selbst ausziehen musste. Langsam begann sie, ihre Kleider abzustreifen. Nun, Gro?e ist nicht alles, dachte Frieda. Paul wird ein wunderbarer Liebhaber sein. Einige Augenblicke spater legte sich die zitternde junge Frau neben ihren Mann aufs Ehebett. Wahrend sie darauf wartete, dass er etwas Romantisches sagte, walzte Paul sich auf sie, stie? ein paar Mal in sie hinein und rollte wieder herunter. Fur die verbluffte junge Frau war alles zu Ende, ehe es begonnen hatte. Was Paul betraf, so hatte er die wenigen sexuellen Erfahrungen bei den Prostituierten von Munchen gesammelt, und er griff schon nach seiner Brieftasche, als ihm einfiel, dass er ja nicht mehr dafur zu zahlen brauchte. Von jetzt an war es kostenlos. Noch lange, nachdem Paul eingeschlafen war, lag Frieda im Bett und versuchte, nicht uber ihre Enttauschung nachzudenken. Sex ist nicht alles, sagte sie sich. Mein Paul wird einen wunderbaren Ehemann abgeben. Es sollte sich herausstellen, dass auch dies ein Irrtum war.

Kurz nach den Flitterwochen begann Frieda, Paul in einem realistischeren Licht zu sehen. Sie war im Hinblick auf ihre spatere Aufgabe als Hausfrau erzogen worden und gehorchte deshalb ihrem Mann ohne Widerrede, aber sie war keineswegs dumm. Pauls einziges Lebensinteresse galt seinen Gedichten, und Frieda erkannte bald, dass sie herzlich schlecht waren. Sie konnte nicht ubersehen, dass Paul auf beinahe jedem denkbaren Gebiet viel zu wunschen ubrig lie?. Wo Paul unentschlossen war, zeigte Frieda sich fest, und Pauls geschaftlichem Unvermogen begegnete sie mit Klugheit. Anfangs hatte sie still leidend hingenommen, dass das Familienoberhaupt ihre schone Mitgift in seiner an Dummheit grenzenden Gutmutigkeit verschleuderte. Als sie nach Detroit zogen, war Friedas Geduld zu Ende. Eines Tages marschierte sie in den Fleischerladen ihres Mannes und ubernahm die Kasse. Als erstes hangte sie ein Schild auf: Kein Kredit. Ihr Mann war entsetzt, aber das war nur der Anfang. Frieda erhohte die Fleischpreise und begann zu inserieren, uberschuttete die Nachbarschaft mit Reklamezetteln, und das Geschaft begann uber Nacht aufzubluhen. Von diesem Augenblick an war es Frieda, die alle wichtigen Entscheidungen traf, und Paul folgte ihnen. Friedas Enttauschung hatte aus ihr eine Tyrannin gemacht. Sie stellte fest, dass sie Talent besa?, Menschen zu leiten und Geschafte zu fuhren, und sie war unerbittlich. Es war Frieda, die entschied, wie ihr Geld angelegt werden sollte, wo sie wohnen, wo sie Ferien machen wurden; und wann es Zeit war, ein Kind zu haben.

Eines Abends teilte sie Paul ihren Entschluss mit und lie? ihn sich gleich an die Arbeit machen, bis der arme Mann einem Nervenzusammenbruch nahe war. Er furchtete, zuviel Sex konnte seiner Gesundheit schaden, aber Frieda war eine Frau von gro?er Entschlossenheit. »Steck ihn 'rein«, befahl sie.

»Wie kann ich?« wandte Paul ein. »Er ist nicht steif genug.«

Frieda nahm seinen verkummerten kleinen Penis in die Hand und zog die Vorhaut zuruck, und als sich nichts ereignete, nahm sie ihn in den Mund – »Mein Gott, Frieda! Was tust du da?« -, bis er trotz seines Widerstrebens hart wurde, und sie steckte ihn sich zwischen die Beine, bis Pauls Sperma in ihr war.

Drei Monate spater teilte Frieda ihrem Mann mit, er konne sich jetzt ausruhen, sie sei schwanger. Paul wollte ein Madchen, aber Frieda wollte einen Jungen, und so war es denn keine Uberraschung fur ihre Freunde, dass sie einen Jungen bekam.

Frieda bestand darauf, dass das Kind zu Hause von einer Hebamme zur Welt gebracht wurde. Alles ging bis zur Entbindung gut. Erst danach bekamen diejenigen, die sich um das Bett versammelten, einen Schock. Das Neugeborene war in jeder Hinsicht normal, au?er was seinen Penis betraf. Das Glied des Kindes war riesig und hing wie ein geschwollenes ubergro?es Anhangsel zwischen seinen unschuldigen Schenkeln herab.

Sein Vater ist nicht so gebaut, dachte Frieda mit unbandigem Stolz.

Sie nannte ihn Tobias, nach einem Ratsherrn, der in ihrer Nachbarschaft gewohnt hatte. Paul sagte Frieda, er werde die Erziehung des Knaben ubernehmen. Schlie?lich sei dies die Sache des Vaters.

Frieda horte sich das an und lachelte, lie? Paul aber nur selten in die Nahe des Kindes. Sie erzog den Jungen. Sie herrschte uber ihn mit teutonischer Strenge, denn sie hielt nichts von Samthandschuhen. Mit funf war Toby ein dunnes, spindelbeiniges Kind mit einem versonnenen Gesicht und den strahlenden enzianblauen Augen seiner Mutter. Toby betete seine Mutter an und hungerte nach ihrer Anerkennung. Er wollte, dass sie ihn aufhob und auf ihrem gro?en, weichen Scho? hielt, damit er seinen Kopf tief in ihren Busen drucken konnte. Aber Frieda hatte fur dergleichen keine Zeit. Sie war damit beschaftigt, den Lebensunterhalt fur ihre Familie zu verdienen. Sie liebte den kleinen Toby und war fest entschlossen, ihn davor zu bewahren, ein Schwachling wie sein Vater zu werden. Frieda verlangte Perfektion in allem, was Toby tat. Als er in die Schule kam, pflegte sie seine Hausarbeiten zu uberwachen, und wenn er hilflos vor einer Aufgabe sa?, ermahnte sie ihn: »Los, Junge – krempel die Armel hoch!« Und sie stand dabei, bis er das Problem gelost hatte. Je strenger Frieda mit Toby war, desto mehr liebte er sie. Er zitterte bei dem Gedanken, ihr zu missfallen. Sie bestrafte schnell und lobte nur zogernd, aber sie war der Meinung, es sei zu Tobys Bestem. Von dem Augenblick an, in dem ihr Sohn ihr in die Arme gelegt worden war, hatte Frieda gewusst, dass er eines Tages ein beruhmter und bedeutender Mann werden wurde. Sie wusste nicht, wie oder wann, aber sie wusste, dass es so sein wurde. Ganz so, als hatte Gott es ihr ins Ohr geflustert. Noch bevor er alt genug war, um zu begreifen, was sie sagte, sprach Frieda mit ihm von seiner kunftigen Gro?e und horte nie auf, davon zu sprechen. Daher wuchs der junge Toby auf in dem Wissen, dass er beruhmt werden wurde, auch wenn er keine Ahnung hatte, wie oder warum. Er wusste nur, dass seine Mutter sich nie irrte.

Zu Tobys glucklichsten Augenblicken gehorte es, in der riesigen Kuche zu sitzen und seine Hausaufgaben zu machen, wahrend seine Mutter an dem gro?en, altmodischen Herd stand und kochte. Sie machte eine himmlisch duftende, dicke schwarze Bohnensuppe, in der ganze Frankfurter herumschwammen, und Platten voll saftiger Bratwurste und Kartoffelpuffer mit knusprigen braunen Randern. Oder sie stand an dem gro?en Hackblock in der Mitte der Kuche und knetete Teig mit ihren dicken, starken Handen, staubte eine leichte Schicht Mehl daruber und verwandelte wie durch Zauber den Teig in einen Pflaumen- oder Apfelkuchen, bei denen einem das Wasser im Mund zusammenlief. Toby ging dann zu ihr und umschlang ihren gro?en Korper, wobei sein Gesicht gerade bis zu ihrer Taille reichte. Ihr erregend weiblicher Moschusgeruch wurde Teil all der aufregenden Kuchengeruche, und eine unerbetene Sexualitat begann sich in ihm zu regen. In diesen Augenblicken ware Toby freudig fur sie gestorben. Bis an sein Lebensende weckte der Duft frischer, in Butter schmorender Apfel sofort die lebhafte Erinnerung an seine Mutter.

Eines Nachmittags, als Toby zwolf Jahre alt war, kam Mrs. Durkin, die Klatschbase der Gegend, zu Besuch. Mrs. Durkin war eine Frau mit knochigem Gesicht, schwarzen flinken Augen und einer Zunge, die nie stillstand. Als sie gegangen war, ahmte Toby sie so gut nach, dass seine Mutter in schallendes Gelachter ausbrach. Toby schien es, als horte er sie zum ersten Mal wirklich lachen. Von diesem Augenblick an lauerte Toby auf Moglichkeiten, sie zu amusieren. Er bot ihr phantastische Nachahmungen von Kunden, die in den Fleischerladen kamen, von Lehrern und Schulkameraden, und jedes Mal brach seine Mutter in wahre Lachsturme aus.

Endlich hatte Toby ein Mittel gefunden, die Anerkennung seiner Mutter zu erringen.

Er bewarb sich um die Mitwirkung bei einem Schultheaterstuck, No Ac-count David, und bekam die Hauptrolle. Am Abend der Premiere sa? seine Mutter in der ersten Reihe und beklatschte den Erfolg ihres Sohnes. In diesem Augenblick wusste Frieda, wie sich Gottes Verhei?ung erfullen wurde.

Es war Anfang der drei?iger Jahre, zu Beginn der Depression, und Kinos im ganzen Land wandten jede erdenkliche List an, um ihre leeren Reihen zu fullen. Sie boten kostenlos Speisen an, verschenkten Radios, veranstalteten Keno- und Bingo-Abende und engagierten Organisten, um den springenden Ball zu begleiten,

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