»Ich gehe von Ihnen, mein lieber Olivier, doch nur, um Ihnen Ihre ganze Zeit zu lassen. Haben Sie mir sonst einen Auftrag zu geben?«

»Ja, bitte. Ich brauche zwei Zeugen: Gehen Sie in den Club, und sagen Sie Alfred de Nerval, ich rechne auch mit ihm; das wird ihm nicht zu lästig sein, er wird bis um diese Stunde spielen, und damit ist alles abgemacht. Dann brauchen wir - bei meinem Ehrenwort, ich weiß nicht, wo ich den Kopf habe -, wir brauchen einen Arzt; ich habe keine Lust, diesem Herrn, wenn ich ihm einen Degenstich beibringe, das Blut auszusaugen; es ist mir lieber, wenn man ihn zur Ader läßt.«

»Haben Sie an jemand Bestimmtes gedacht?«

»Wie meinen Sie?«

»Ob Sie an einen bestimmten Arzt gedacht haben.«

»Nein! Ich halte von ihnen allen nicht viel. Nehmen Sie Fabien; ist es nicht Ihr Arzt? Es ist auch mein Arzt; er wird uns diesen Dienst mit Vergnügen leisten, wenn er nicht etwa befürchtet, es könnte ihm beim König schaden; Sie wissen ja wohl, daß er alle Vierteljahre bei Hof ist, um den König zu untersuchen.«

»Seien Sie unbesorgt, er wird nicht daran denken.«

»Ich glaube es auch, denn er ist ein vortrefflicher Junge; entschuldigen Sie mich bei ihm, daß ich ihn zu einer solchen Stunde aufzustehen veranlasse.«

»Bah, er ist daran gewöhnt!«

»Für eine Geburtshilfe, ja, aber nicht für ein Duell. - Doch ich plaudere hier wie eine Elster und halte Sie auf, während Sie im Bett sein sollten. Legen Sie sich nieder, mein lieber Freund, legen Sie sich nieder.«

»Gute Nacht und guten Mut!«

»Ich schwöre Ihnen, ich weiß nicht, wie es sein wird«, sagte Olivier, indem er gähnte, als wolle er sich den Kiefer ausrenken, »in der Tat, Sie machen sich keinen Begriff davon, wie sehr es mich langweilt, mich mit diesem Burschen zu schlagen.«

Nach diesen Worten verließ mich Olivier, um nach Hause zu gehen, während ich in den Club und zu Fabien ging.

Ich hatte ihm, als ich ihn verließ, die Hand gegeben und gefühlt, daß seine Hand von einem nervösen Zittern befallen war.

Ich begriff das nicht. Olivier stand beinahe in dem Ruf, keinem Duell aus dem Wege zu gehen. Wie konnte ein Zweikampf plötzlich einen so heftigen Eindruck auf ihn machen.

Nichtsdestoweniger war ich seiner für den anderen Tag sicher.

4. Kapitel

 Vorbereitungen

Ich lief zum Doktor und von da in den Club; Alfred versprach, sich nicht niederzulegen, und Fabien wollte zur verabredeten Stunde aufgestanden sein. Beide sollten sich drei Viertel fünf bei Olivier einfinden.

Ich kam halb fünf Uhr zu ihm, um ihm zu sagen, es sei alles nach seinem Belieben geordnet.

Er saß an seinem Tisch und schrieb einen Brief.

Er hatte sich nicht niedergelegt.

»Nun, mein lieber Olivier«, fragte ich, »wie befinden Sie sich?«

»Sehr unbehaglich. Sie sehen den müdesten Menschen der Erde; ich hatte, wie ich vermutete, nicht Zeit, auch nur eine Minute zu schlafen, und kein Feuer hier, so daß ich mich nicht wärmen konnte. Ist es kalt draußen?«

»Nein, aber es ist feucht und neblig.«

»Sie werden sehen, wir sind noch so glücklich, das Wasser in Strömen herabstürzen zu sehen. - Wie belustigend ist es, sich im Regen, die Füße im Kot, zu schlagen!

Wenn dieser Mensch nicht ein gemeiner Kerl wäre, hätte man das Duell auf später verschoben oder unter Dach vorgenommen; er kann auch ruhig sein, seine Sache soll glatt abgemacht werden, und ich werde ihn von der Lust, zum zweitenmal Streit mit mir zu suchen, heilen, dafür stehe ich Ihnen.«

»Mein Lieber, Sie sprechen, als ob Sie ihn zu töten sicher wären.«

»Sie begreifen, man ist nie sicher, daß man seinen Mann tötet; nur die Ärzte können hierfür stehen. Nicht wahr, Fabien?« fügte er lächelnd hinzu, indem er dem Arzt, der eben eintrat, die Hand reichte. »Doch ich werde ihm einen hübschen Degenstich beibringen, das ist gewiß.«

»So etwa wie der, den Sie am Vorabend Ihrer Abreise nach Guadeloupe dem portugiesischen Offizier gaben, den ich nur mit der allergrößten Mühe dem Tode entrissen habe, nicht wahr?« fragte Fabien.

»Bei ihm war es etwas anderes; das war im Mai; und außerdem fragte er höflich, wann es mir angenehm sei, anstatt mir brutal seine Stunde ins Gesicht zu werfen. Denken Sie sich, mein Lieber, es war eine Vergnügungspartie, wir schlugen uns um elf Uhr morgens in Montmorency, es war ein herrlicher Tag. Erinnern Sie sich, Fabien, in dem Gebüsch neben uns sang eine Grasmücke: Ich bete die Vögel an. Während des Kampfes hörte ich die Grasmücke singen; sie entflog erst bei der Bewegung, die Sie machten, als Sie meinen Gegner fallen sahen.

Wie gut er fiel, nicht wahr? Er grüßte mich dabei mit der Hand; es war ein äußerst anständiger Mann, dieser Portugiese; der andere, Sie werden es sehen, wird fallen wie ein Ochs und mich bespritzen.«

»Ah, mein lieber Olivier«, sagte ich, »Sie sind also ein heiliger Georg, da Sie im voraus so sprechen?«

»Nein, ich fechte sogar ziemlich schlecht, aber ich habe ein festes Handgelenk und auf dem Kampfplatz eine Kaltblütigkeit wie alle Teufel; dabei habe ich es diesmal mit einem Feigling zu tun.«

»Mit einem Feigling ... und trotzdem hat er Sie herausgefordert?«

»Das tut nichts, es bestätigt im Gegenteil meine Behauptung. Sie haben wohl gesehen, daß er, statt mir ruhig seine Zeugen zu schik-ken, wie man dies in guter Gesellschaft tut, sich den Kopf dadurch zu erhitzen versuchte, daß er mich beleidigte; auch ging er zweimal an mir vorüber, ohne etwas anderes zu tun, als mich anzuschauen; erst als er mich ihm aus dem Wege gehen sah, glaubte er, ich hätte Angst, und ließ sich den Kamm wachsen; es ist ein Mensch, der es nötig hat, sich mit einem Mann von Stand zu schlagen, um die Flecken von seiner Ehre zu tilgen. Es ist nicht ein Duell, was er mir vorschlägt, sondern eine Spekulation, die er unternimmt, eine Spekulation, die darauf abzielt, daß dieser Bauernkerl als meinesgleichen betrachtet werden will. Übrigens werden Sie dies alles auf dem Kampfplatz sehen . Da kommt endlich Nerval; ich glaubte, er würde gar nicht kommen.«

»Das ist nicht mein Fehler, mein Lieber«, sagte Nerval eintretend. »Übrigens komme ich nicht zu spät.« (Er zog die Uhr.) »Fünf Uhr. Denke dir, daß ich dreißigtausend Franc von Valjuson gewonnen habe und daß ich ihm Revanche auf Revanche geben mußte, bis er nur noch zweitausend verlor. - Du schlägst dich also?«

»Oh, mein Gott, ja.«

»Alexandre kam gerade, um es mir zu sagen, als ich um zweihundert Louisdor leichter gemacht worden war, so daß ich ziemlich schlecht hörte. - Hättest du nicht auch gehalten, neunundzwanzig durch den Umschlag und das Ausspielen?«

»Gewiß hätte ich gehalten.«

»Nun gut! Ich finde fünf Kreuz; dieser Dummkopf von Larry, der die Karten gemischt hat, hatte sich drei allein und albernerweise wie alles, was er tut, das As und den König einem anderen gegeben. Ich hatte bereits zehntausend Franc verloren, als mir der gute Gedanke kam, mich beim Ecarte mit Valjuson zu erholen, wo ich weder verlor noch gewann. Sie spielen nicht, Fabien?«

»Nein.«

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