»Sonderkorrespondent«. Er blieb in Nurnberg, bis die obersten Nazis gehangt waren, und schrieb eine Reihe hervorragender Berichte uber den Proze?. Das war gerade erst ein paar Monate her.

ANS bewilligte Mark einen dringend benotigten Urlaub, bevor man ihn nach Palastina schickte, wo ein ortlich begrenzter Krieg bevorzustehen schien. Um diesen Urlaub im gewohnten Stil zu verbringen, lud Mark Parker ein Madchen von der UNO ein, das er von fruher her kannte, eine leidenschaftliche Franzosin, die an das Buro der UNO in Athen versetzt worden war.

Und dann geschah alles aus vollig heiterem Himmel. Er sa? in Athen in der American Bar und vertrieb sich die Zeit mit einigen Kollegen von der Presse, als im Lauf der Unterhaltung die Rede irgendwie auf eine amerikanische Kinderpflegerin kam, die in Saloniki griechische Waisenkinder betreute und ihre Sache gro?artig machte. Einer der Korrespondenten war soeben von dort zuruckgekommen und hatte einen Bericht uber das Kinderheim geschrieben. Der Name der Kinderpflegerin war Kitty Fremont. Mark forschte sofort nach und stellte fest, da? sie auf Zypern im Urlaub war.

Das Taxi verlie? jetzt die Ebene und begann eine schmale Stra?e hinaufzufahren, die in Windungen zu dem Pa? anstieg, der uber das Pentadaktylos-Gebirge hinuberfuhrte. Die Dammerung setzte ein. Als sie die Hohe erreicht hatten, bat Mark den Fahrer, am Stra?enrand zu halten.

Er stieg aus und sah hinunter auf Kyrenia, die kleine Stadt, die, an den Fu? des Berges geschmiegt, schon wie ein Schmuckstuck am Rand des Meeres lag. Links uber ihm ragten die Ruinen von St. Hilarion, dem alten Schlo?, in dem die Erinnerung an Richard Lowenherz und die schone Berengaria geisterte. Er nahm sich vor, eines Tages mit Kitty hierherzufahren.

Es war schon fast dunkel, als sie Kyrenia erreichten. Die kleine Stadt bestand aus lauter wei? gekalkten Hausern mit roten Ziegeldachern, daruber lag das Schlo?, und davor erstreckte sich das Meer. Kyrenia war so malerisch, so altmodisch und romantisch, wie es ein Ort nur sein konnte. Sie kamen an dem Miniaturhafen vorbei, wo im Schutz einer breiten Mole, die rechts und links ins Meer hinauslief, Fischerboote und kleine Jachten lagen. Auf dem einen Arm der Mole befand sich der Kai, auf dem anderen stand eine alte Befestigungsanlage, das Castellum Virginae.

Kyrenia war seit langem ein Zufluchtsort fur Maler und pensionierte englische Offiziere. Es war einer der friedlichsten Orte, die es auf der Welt gab.

Nicht weit vom Hafen erhob sich der Riesenbau des Dom-Hotels, der unverhaltnisma?ig gro? und in dieser verschlafenen kleinen Stadt fehl am Platze schien; doch das Dom-Hotel hatte sich zu einem Zentrum des Britischen Empire entwickelt. Uberall in der Welt, wo der Union-Jack wehte, war es als Treffpunkt fur Englander bekannt. Es bestand aus einem Gewirr von Gesellschaftsraumen, Terrassen und Veranden, die auf das Meer hinausgebaut waren. Ein langer Pier von ungefahr hundert Meter Lange verband das Hotel mit einer kleinen Insel, auf die sich die Gaste begaben, um zu schwimmen oder in der Sonne zu liegen.

Das Taxi hielt. Ein Hotelboy kam und nahm das Gepack. Mark bezahlte und sah sich um. Es war November, doch die Luft war noch warm, und das Wetter war klar. Welch wunderbarer Ort fur das Wiedersehen mit Kitty!

Der Portier uberreichte Mark einen Brief.

Lieber Mark!

Ich bin in Famagusta aufgehalten und kann erst gegen neun zuruck sein. Wirst du mir das jemals verzeihen konnen? Ich kann es kaum noch erwarten. Alles Liebe Kitty.

»Ich hatte gern ein paar Blumen, eine Flasche Whisky, und einen Kubel Eis«, sagte Mark.

»Mrs. Fremont hat fur alles gesorgt«, sagte der Portier, wahrend er dem Boy die Schlussel gab. »Sie haben zwei ineinandergehende Zimmer mit Blick auf das Meer.«

Mark entdeckte auf dem Gesicht des Portiers ein Grinsen. Es war das gleiche dreckige Grinsen, das er in hundert Hotels gesehen hatte, in denen er mit hundert verschiedenen Frauen gewesen war. Er hatte zuerst die Absicht, dem Portier klarzumachen, da? er sich irre, entschlo? sich aber dann, den Mann denken zu lassen, was immer er wollte.

Er nahm das Bild des dunkelnden Meeres in sich auf, dann packte er die Koffer aus, mixte sich einen Whisky mit Soda und trank ihn, wahrend er in der Badewanne lag.

Sieben Uhr — noch zwei Stunden.

Er offnete die Tur zu Kittys Zimmer. Es roch gut. Ihr Badeanzug und ein paar frisch gewaschene Strumpfe hingen uber dem Rand der Badewanne. Ihre Schuhe standen aufgereiht neben dem Bett, er sah auf dem Frisiertisch ihre Toilettesachen. Mark mu?te lacheln. Selbst in Kittys Abwesenheit war das Zimmer erfullt von der Atmosphare eines Menschen, der anders war als alle ubrigen, die er kannte.

Er ging zuruck in sein Zimmer und streckte sich auf dem Bett aus. Was mochten die Jahre aus ihr gemacht haben? Wie war sie mit dem tragischen Ungluck fertig geworden? Kitty, dachte er, liebe, wunderschone Kitty, bitte sei, wie du warst. Es war jetzt November 1946; wann hatte er sie das letztemal gesehen? 1938, kurz bevor er im Auftrag von ANS nach Berlin ging. Also vor acht Jahren. Dann war Kitty jetzt achtundzwanzig.

Erregung und Spannung wurden zuviel fur Mark. Er war mude und nickte ein.

Das Klirren von Eiswurfeln im Glas — ein liebliches Gerausch fur Mark Parker — weckte ihn aus tiefem Schlaf. Er rieb sich die Augen und suchte nach einer Zigarette.

»Sie haben geschlafen wie ein Toter«, horte er eine Stimme mit sehr englischem Akzent sagen. »Ich habe funf Minuten lang geklopft. Schlie?lich hat mich der Hotelboy hereingelassen. Sie haben hoffentlich nichts dagegen, da? ich mich mit einem Whisky versorgt habe.«

Die Stimme gehorte Major Fred Caldwell von der britischen Armee. Mark gahnte, reckte sich, um wach zu werden, und sah auf seine Uhr. Es war acht Uhr funfzehn. »Was zum Teufel machen Sie denn hier in Zypern?« fragte er.

»Dasselbe wollte ich gerade Sie fragen.«

Mark steckte sich eine Zigarette an und richtete den Blick auf Caldwell. Er mochte ihn nicht sonderlich, ha?te ihn aber auch nicht. Er war ihm zuwider, das war wohl das richtige Wort. Sie waren einander bisher zweimal begegnet. Caldwell war Adjutant von Colonel Bruce Sutherland gewesen, dem spateren Brigadier, einem durchaus befahigten Frontoffizier der britischen Armee. Das erstemal waren sie sich wahrend des Krieges in Holland begegnet. In einem seiner Berichte hatte Mark auf einen taktischen Fehler der Englander hingewiesen, der zur Folge gehabt hatte, da? ein ganzes Regiment aufgerieben worden war. Das zweitemal waren sie sich in Nurnberg bei dem Proze? gegen die Kriegsverbrecher begegnet, uber den Mark fur ANS berichtete.

Gegen Ende des Krieges hatten Bruce Sutherlands Truppen als erste den Fu? in das Konzentrationslager Bergen-Belsen gesetzt. Sutherland und Caldwell waren beide nach Nurnberg gekommen, um hier als Zeugen auszusagen.

Mark ging ins Bad, wusch sich das Gesicht mit eiskaltem Wasser und suchte nach einem Handtuch. »Was kann ich fur Sie tun, Freddy?«

»Wir wurden heute nachmittag von der CID telefonisch davon unterrichtet, da? Sie mit dem Flugzeug hier angekommen seien. Es liegt keine offizielle Bestatigung Ihres Auftrages vor.«

»Mein Gott, was seid ihr fur eine mi?trauische Bande! Tut mir leid, Freddy, aber ich mu? Sie enttauschen. Ich bin auf dem Weg nach Palastina, und hier verbringe ich nur meinen Urlaub.«

»Mein Besuch bei Ihnen hat keinen dienstlichen Charakter, Parker«, sagte Caldwell. »Nur, sehen Sie, wir sind so ein bi?chen empfindlich bei dem Gedanken an unsere Beziehungen in der Vergangenheit.« »Ihr habt ein gutes Gedachtnis«, sagte Mark und fing an, sich umzuziehen. Caldwell machte fur Mark einen Whisky zurecht. Mark betrachtete den englischen Offizier nachdenklich und fragte sich verwundert, warum dieser Mann ihm eigentlich so sehr gegen den Strich ging. Vielleicht lag es an der Arroganz, die ihn als typisches Exemplar dieser ewigen Kolonisten abstempelte. Caldwell war ein schrecklich langweiliger Bursche, stur und engstirnig. Was Mark beunruhigte, war Freddy Caldwells Gewissen, oder vielmehr das vollige Fehlen eines Gewissens. Was recht oder unrecht war, das ergab sich fur Caldwell aus einer Heeresdienstvorschrift oder aus einem Befehl.

»Habt ihr vielleicht irgendwelche schmutzigen Dinge hier auf Zypern zu verbergen?«

»Werden Sie bitte nicht komisch, Parker. Diese Insel gehort uns, und wir mochten gern wissen, was Sie hier wollen.«

»Wissen Sie, das gefallt mir an euch Englandern. Ein Hollander wurde sagen: Scheren Sie sich zum Teufel. Ihr Burschen aber sagt immer: Wurden Sie bitte so freundlich sein, sich zum Teufel zu scheren. — Ich sagte bereits, da? ich hier im Urlaub bin. Feiere hier Wiedersehen mit einer alten Bekannten.«

»Und wer ist das?«

»Ein Madchen namens Kitty Fremont.«

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