Stab fur bezaubernde Arbeit.«

Mr. Ollivander trat naher. Harry wunschte, er wurde einmal blinzeln. Diese silbernen Augen waren etwas gruslig.

»Ihr Vater hingegen wollte lieber einen Zauberstab aus Mahagoni. Elf Zoll. Elastisch. Ein wenig mehr Kraft und hervorragend geeignet fur Verwandlungen. Nun ja, ich sage, Ihr Vater wollte ihn – im Grunde ist es naturlich der Zauberstab, der sich den Zauberer aussucht.«

Mr. Ollivander war Harry so nahe gekommen, da? sich beider Nasenspitzen fast beruhrten. Harry konnte in diesen nebligen Augen sein Spiegelbild sehen.

»Und hier hat… «

Mr. Ollivander beruhrte die blitzformige Narbe auf Harrys Stirn mit einem langen, wei?en Finger.

»Leider mu? ich sagen, da? ich selbst den Zauberstab verkauft habe, der das angerichtet hat«, sagte er sanft.»Dreizehneinhalb Zoll. Tja. Machtiger Zauberstab, sehr machtig, und in den falschen Handen… Nun, wenn ich gewu?t hatte, was dieser Zauberstab drau?en in der Welt anstellen wurde… «

Er schuttelte den Kopf und bemerkte dann zu Harrys Erleichterung Hagrid.

»Rubeus! Rubeus Hagrid! Wie schon, Sie wieder zu sehen… Eiche, sechzehn Zoll, recht biegsam, nicht wahr?«

»Ja, Sir, das war er«, sagte Hagrid.

»Guter Stab, mu? ich sagen. Aber ich furchte, man hat ihn zerbrochen, als Sie ausgesto?en wurden?«, sagte Mr. Ollivander plotzlich mit ernster Stimme.

»Ahm – ja, das haben sie, ja«, sagte Hagrid und scharrte mit den Fu?en.»Hab aber immer noch die Stucke«, fugte er strahlend hinzu.

»Aber Sie benutzen sie nicht, oder?«, sagte Mr. Ollivander scharf.

»O nein, Sir«, sagte Hagrid rasch. Harry bemerkte, da? er seinen rosa Schirm fest umklammerte, wahrend er sprach.

»Hmmm«, sagte Mr. Ollivander und sah Hagrid mit durchdringendem Blick an.»Nun zu Ihnen, Mr. Potter. Schauen wir mal.«Er zog ein langes Bandma? mit silbernen Strichen aus der Tasche.»Welche Hand ist Ihre Zauberhand?«

»Ahm – ich bin Rechtshander«, sagte Harry.

»Strecken Sie Ihren Arm aus. Genau so.«Er ma? Harry von der Schulter bis zu den Fingerspitzen, dann vom Handgelenk zum Ellenbogen, von der Schulter bis zu den Fu?en, vom Knie zur Armbeuge und schlie?lich von Ohr zu Ohr. Wahrend er mit dem Ma?band arbeitete, sagte er:»Jeder Zauberstab von Ollivander hat einen Kern aus einem machtigen Zauberstoff, Mr. Potter. Wir benutzen Einhornhaare, Schwanzfedern von Phonixen und die Herzfasern von Drachen. Keine zwei Ollivander-Stabe sind gleich, ebenso wie kein Einhorn, Drache oder Phonix dem andern aufs Haar gleicht. Und naturlich werden Sie mit dem Stab eines anderen Zauberers niemals so hervorragende Resultate erzielen.«

Harry fiel plotzlich auf, da? das Ma?band, welches gerade den Abstand zwischen seinen Nasenlochern ma?, dies von selbst tat. Mr. Ollivander huschte zwischen den Regalen herum und nahm Schachteln herunter.

»Das wird reichen«, sagte er, und das Bandma? schnurrte zu einem Haufen auf dem Boden zusammen.»Nun gut, Mr. Potter. Probieren Sie mal diesen. Buchenholz und Drachenherzfasern. Neun Zoll. Handlich und biegsam. Nehmen Sie ihn einfach mal und schwingen Sie ihn durch die Luft.«

Harry nahm den Zauberstab in die Hand und schwang ihn ein wenig hin und her (wobei er sich albern vorkam), doch Mr. Ollivander ri? ihm den Stab gleich wieder weg.

»Ahorn und Phonixfeder. Sieben Zoll. Peitscht so richtig. Versuchen Sie's!«

Harry versuchte es, doch kaum hatte er den Zauberstab erhoben, entri? ihm Mr. Ollivander auch diesen.

»Nein, nein – hier, Elfenbein und Einhornhaare, achteinhalb Zoll, federnd. Nur zu, nur zu, probieren Sie ihn aus.«

Harry probierte. Und probierte. Er hatte keine Ahnung, worauf Mr. Ollivander eigentlich wartete. Der Stapel mit den abgelegten Zauberstaben auf dem storchbeinigen Stuhl wuchs immer hoher, doch je mehr Zauberstabe Mr. Ollivander von den Regalen zog, desto glucklicher schien er zu werden.

»Schwieriger Kunde, was? Keine Sorge, wir werden hier irgendwo genau das Richtige finden. Ich frage mich jetzt – Ja, warum eigentlich nicht – ungewohnliche Verbindung – Stechpalme und Phonixfeder, elf Zoll, handlich und geschmeidig.«

Harry ergriff den Zauberstab. Plotzlich spurte er Warme in den Fingern. Er hob den Stab uber den Kopf und lie? ihn durch die staubige Luft herabsausen. Ein Strom roter und goldener Funken scho? aus der Spitze hervor wie ein Feuerwerk, das tanzende Lichtflecken auf die Wande warf Hagrid johlte und klatschte, und Mr. Ollivander rief.»Aah, bravo. Ja, in der Tat, oh, sehr gut. Gut, gut, gut… Wie seltsam… Ganz seltsam… «

»Verzeihung«, sagte Harry,»aber was ist seltsam?«

Mr. Ollivander sah Harry mit blassen Augen fest an.

»Ich erinnere mich an jeden Zauberstab, den ich je verkauft habe, Mr. Potter. An jeden einzelnen. Es trifft sich nun, da? der Phonix, dessen Schwanzfeder in Ihrem Zauberstab steckt, noch eine andere Feder besa? – nur eine noch. Es ist schon sehr Seltsam, da? Sie fur diesen Zauberstab bestimmt sind, wahrend sein Bruder – nun ja, sein Bruder Ihnen diese Narbe beigebracht hat.«

Harry schluckte.

»Ja, dreizehneinhalb Zoll. Tja. Wirklich merkwurdig, wie die Dinge zusammentreffen. Der Zauberstab sucht sich den Zauberer, erinnern Sie sich… Ich denke, wir haben Gro?artiges von Ihnen zu erwarten, Mr. Potter… Schlie?lich hat auch Er-dessen-Name-nicht-genannt-werden-darf Gro?artiges getan – Schreckliches ja, aber Gro?artiges.«

Harry schauderte. Er war sich nicht sicher, ob er Mr. Ollivander besonders gut leiden mochte. Er zahlte sieben goldene Galleonen fur seinen Zauberstab und Mr. Ollivander geleitete sie mit einer Verbeugung aus der Tur.

Die spate Nachmittagssonne stand tief am Himmel, als sich Harry und Hagrid auf den Ruckweg durch die Winkelgasse machten, zuruck durch die Mauer, zuruck durch den Tropfenden Kessel, der nun menschenleer war. Harry schwieg, wahrend sie die Stra?e entlanggingen; er bemerkte nicht einmal, wie viele Menschen in der U- Bahn sie mit offenem Munde anstarrten, beladen wie sie waren mit ihren merkwurdigen Packchen und mit der schlafenden Schneeule auf Harrys Scho?. Wieder fuhren sie eine Rolltreppe hoch, und hinaus ging es auf den Bahnhof Paddington. Harry erkannte erst, wo sie waren, als Hagrid ihm auf die Schulter klopfte.

»Haben noch Zeit fur einen Imbi?, bevor dein Zug geht«, sagte er.

Er kaufte fur sich und Harry zwei Hamburger und sie setzten sich auf die Plastiksitze, um sie zu verspeisen. Harry sah sich unablassig um. Alles kam ihm irgendwie fremd vor.

»Alles in Ordnung mit dir, Harry? Du bist ja ganz still«, sagte Hagrid.

Harry wu?te nicht recht, wie er es erklaren konnte. Gerade hatte er den schonsten Geburtstag seines Lebens verbracht. Und doch, er kaute an seinem Hamburger und versuchte die richtigen Worte zu finden.

»Alle denken, ich sei etwas Besonderes«, sagte er endlich.»All diese Leute im Tropfenden Kessel, Professor Quirrel, Mr. Ollivander… Aber ich wei? uberhaupt nichts von Zauberei. Wie konnen sie gro?artige Dinge von mir erwarten? Ich bin beruhmt und ich kann mich nicht einmal daran erinnern, wofur ich beruhmt bin. Ich wei? nicht, was passiert ist, als Vol-, tut mir Leid – ich meine, in der Nacht, als meine Eltern starben.«

Hagrid beugte sich uber den Tisch. Hinter dem wilden Bart und den buschigen Augenbrauen entdeckte Harry ein liebevolles Lacheln.

»Mach dir keine Sorgen, Harry. Du wirst alles noch schnell genug lernen. In Hogwarts fangen sie alle ganz von vorne an, es wird dir sicher gut gehen. Sei einfach du selbst. Ich wei?, es ist schwer. Du bist auserwahlt worden und das ist immer schwer. Aber du wirst eine tolle Zeit in Hogwarts verbringen – wie ich damals – und heute noch, um genau zu sein.«

Hagrid half Harry in den Zug, der ihn zu den Dursleys zuruckbringen wurde, und reichte ihm dann einen Umschlag.

»Deine Fahrkarte nach Hogwarts«, sagte er.»Am 1. September Bahnhof King's Cross – steht alles drauf. Wenn du itrgendwelche Schwierigkeiten mit den Dursleys hast, schick mir deine Eule, sie wei?, wo sie mich findet… Bis bald, Harry.«

Der Zug fuhr aus dem Bahnhof hinaus. Harry wollte Hagrid beobachten, bis er au?er Sicht war; er setzte sich auf und druckte die Nase gegen das Fenster. Doch er blinzelte und schon war Hagrid verschwunden.

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