(Seite 261–262).

[36]

«Ich sehe ihn darin, daß, obzwar das Dasein der Person in der ontischen Ordnung notwendig ihrem Wert vorhergeht, mit ihrem Sosein (als Individuum) in dieser Ordnung aber gleichursprünglich ist, in der Ordnung für uns (προς ημας) es in der Tat die Wertgegebenheit der Person ist, die zwar nicht ihrer Daseinsgegebenheit — wie unsere ethische Lehre will —, wohl aber ihrer So-seinsgegebenheit in der Ordnung vorhergeht. Daß die Wertgegebenheit der Person der Daseinsgegebenheit überhaupt vorhergehe (nicht nur ihrer Soseins-gegebenheit), ist wesensgesetzlich unmöglich, da es daseinsfreies Wertsein nicht geben kann — weder in der Sphäre der Gegebenheit, noch in der Sphäre des Seins. Und dies gilt um so mehr, wenn der weitere Irrtum noch hinzukommt, die Wertgegebenheit, die alles ideale Sollen und erst recht alle 'Anerkennung' idealen Sollens schon fundiert, erst auf die Akte der Anerkennung und Würdigung gründen zu wollen. Dieser Akt der 'Annerkennung und Würdigung' träfe doch vollständig ins 'Leere', wenn ihm nicht Persondasein von etwas (X) und Wertdasein dieses Daseinenden bereits vorgegeben ist» (S. 263–264).

[37]

«Nicht nur dieser oder jener sittliche Akt, sondern alle sittlich relevanten Akte, Erlebnisse und Zustände — soweit in ihnen die Wesensbeziehung auf andere sittliche Personwesen intentional eingeschlossen ist (Schuld, Verdienst, Verantwortung, Pflichtbewußtsein, Liebe, Versprechen, Dank usw.) — weisen in der Tat von sich aus kraft ihrer Aktnatur auf fremde Personwesen hin — ohne daß darum diese fremde Personen schon in der zufälligen Erfahrung müßten vorher gegeben sein; ohne daß man vor allem zur Annahme berechtigt wäre, es seien diese Akte — wir nennen sie wesenssoziale Akte — erst in tatsächlichem Verkehr des Menschen mit dem Menschen entsprungen und entstanden. Gerade diese Akte und Erlebnisse zeigen vielmehr bei genauerer Untersuchung, daß man sie nicht auf eine Zusammensetzung einfacherer uorsozialer Akte und Erlebnisse plus zufälliger Erfahrung anderer Menschen zurückführen kann. Sie zeigen, daß schon dem essentiellen Bestand des menschlichen Bewußtseins nach jedem Individuum die Gesellschaft auch irgendwie innerlich gegenwärtig ist und daß der Mensch nicht nur Teil der Gesellschaft ist, sondern auch die Gesellschaft als Beziehungsglied ein wesentlicher Teil von ihm; daß das Ich nicht nur ein 'Glied' des Wir ist, sondern auch das Wir ein notwendiges Glied des Ich. Ja, man wird fragen müssen, ob diese wesensmäßige Hinordnung des individuell- singulären Ich auf mögliche Gemeinschaft nicht auch eine mehrfach qualifizierte sei, so daß vor und unabhängig von aller zufälligen empirischen Kenntnisnahme und unabhängig von aller faktischen Wechselwirkung der Menschen untereinander die Hinordnung auch auf eine Mehrheit wesensverschiedener Gruppenarten und gemeinsamer Gruppenwerte durch rein immanente Untersuchung und Erkenntnis des wesenhaften Aktbestandes jedes ich aufgefunden werden könnte. Als ein Spezielfall dieser Gemeinschaften, zugleich aber als grundlegende und oberste Bedingung für die ideale Möglichkeit des Stattfindens aller anderen läßt sich die Gemeinschaft jeder Person mit Gott als Person der Personen herausstellen — gegründet in den religiösen Akten der Gottesliebe, Gottesehrfurcht, Gottesfurcht, Verantwortlichkeit und Mitverantwortlichkeit 'gegenüber' Gott, Schuldbewußtsein, Dankbarkeit usw. angesichts Gottes. Eis ist — insbesondere — die ethische Evidenz der objektiven Verbindlichkeit von Akten des Versprechens überhaupt, die ohne Rekurs auf Gott als Gegensubjekt eines, allen anderen im Ursprung vorhergehenden Personverhältnisses überhaupt nicht verständlich ist» (Seite 264–266).

[38]

«Nach meinem Formalismus hat die Evidenz und die nur der zufälligen, beobachtenden, induktiven 'Erfahrung' gegenüber allerdings auch objektiv und subjekniv apriorische Evidenz des Robinson von der Existenz irgendeines 'Du' überhaupt und seiner Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft eben doch eine bestimmte Anschauungslage — nämlich das bestimmte und wohlumgrenzte Leerbewußtsein resp. Nichtdaseinsbewußtsein (im Sinne zufälligen Daseins eines vorgegebenen echten Wesens) für emotionale Akte, wie sie z. B. die Akte in den 'echten' Arten der Fremdliebe darstellen; für Strebensakte dürfte man auch sagen: das 'Mangelsbewußtsein', das 'Nichterfüllungsbewußtsein', das unser Robinson immer und wesensgesetzlich dann erleben würde, wenn er Geistesund Gemütsakte vollzieht, die nur mit möglichen sozialen Gegenakten zusammen eine objektive Sinneinheit bilden können. Aus diesen wesensmäßig bestimmten und unverwechselbaren Leerstellen gleichsam des Auftreffens seiner intentionalen Aktvollzüge würde ihm also nach unserer Meinung die höchst positive Anschauung und Idee von etwas aufgehen, was als Sphäre des Du da ist — und wovon er nur kein Exemplar kennt. Von einer sogenannten 'eingeborenen Idee' (virtuell oder aktuell) war und ist dabei keine Rede und ebensowenig von einer 'intuitiven Gewißheit von etwas Unerfahrbarem', da es ja durchaus bestimmte Selbste r — fahrungen — allerdings eidologisch geschaut und betrachtet — sind, an denen resp. an deren positiv erlebtem 'Leergang' Robinson sich diese Idee des 'Du', diese Idee der 'Gemeinschaft überhaupt' bildete» (Seite 270– 271).

[39]

«Wir sagen (in unserer Terminologie) nichts Anderes, als daß die Duwelt oder die Gemeinschaft genau so eine selbständige Wesenssphäre des Seienden ist, wie die Außenweltsphäre, die Innenweltsphäre, die Leib-Umweltsphäre, die Sphäre des Göttlichen. Für jede echte unreduzible 'Sphäre' des Seienden gilt aber, daß sie als Wesensganzheit der Realsetzung jedes möglichen Gegenstandes in ihr als 'Hintergrund' vorgegeben ist; daß sie also keineswegs nur die Summe aller zufälligen Fakta in ihr bildet. Diese Lehre von der Vorgegebenheit bestimmter Seinssphären, die zu je ganz bestimmten Aktarten in strenger Korrelation stehen, und zwar für jedes mögliche menschliche 'Wissen von Etwas', bildet — wie sich in anderem Zusammenhang genauer zeigen wird — eine allgemeine erkenntnisei-dologische Voraussetzung für die her vertretene Theorie der Erkenntnis überhaupt. Immer und überall muß dieses 'Sphärenproblem' scharf getrennt werden 1. vom Realitätsproblem, z.B. Realität der Außenwelt, Realität des Göttlichen usw.; 2. von der Frage, welche so bestimmten realen Fakta oder Vorkommnisse es in einer dieser vorgegebenen Sphären tatsächlich gibt» (Seite 272).

[40]

«Und doch erklärt Miss Ghinn[366] von ihrer Nichte, daß sie schon um diese Zeit Interesse an menschlichen Gesichtern kundgegeben habe — lange bevor sie auf einfache Farbenreize reagiert. Ähnlich sind die Klangeinheiten der menschlichen Stimme, nicht etwa einfache Schallreize dasjenige, was zuerst Aufmerksamkeit und Interesse erweckt. Nach W. Sterns Untersuchungen zur Pyschologie der Kindheit läßt sich schon im zweiten Lebensmonat beobachten, daß das Kind gegen die Stimme und Antlitz der Mutter nicht gleichgültig bleibt, sondern 'zu einem leisen Lächeln' veranlaßt wird. In der Mitte des 1. Lebensjahres läßt sich ein differentes Verhalten auf differente Ausdruckseinheiten der Elterngesichter feststellen. Ganz richtig bemerkt Koffka hierzu: 'Dann bliebe die Ansicht, Phänomene wie 'Freundlichkeit' und 'Unfreundlichkeit' seien ganz primitiv, primitiver als etwa die eines blauen Flecks.' (S. 96 a.a. O.). Aus diesen und ähnlichen Tatsachen folgern wir, daß 'Audruck' sogar das Allererste ist, was der Mensch an außer ihm befindlichen Dasein erfaßt; und daß er irgendwelche sinnliche Erscheinungen zunächst nur soweit und insofern erfaßt, als sich seelische Ausdruckseinheiten in ihnen 'darzustellen' vermögen. Nicht nur vom 'Analogieschluß' ist hier keine Rede; es kann ebensowenig die Rede sein von den komplizierten 'Assimilationsprozessen', die B. Erdmann in seinen Arbeiten annimmt, um das erste 'Verstehen' zu erklären[367]» (S. 275).

[41]

«Wir haben ferner zwar ein Bewußtsein von unseren Ausdrucksbewegungen — aber soweit wir nicht an Spiegel denken und ähnliches — doch nur in der Form von Bewegung sintentionen und Folgen von Bewegungsund Lageempfindungen, während uns von anderen Wesen doch an erster Stelle nur die optischen Bilder dieser Bewegungen gegeben sind, die jenen uns gegebenen Daten zunächst in Nichts gleichen oder ähnlich sind» (Seite 276).

[42]

«Denn logisch richtig (und keine quaternio terminorum) wäre ja der Analogieschluß nur dann, wenn er dahin lautete, daß wenn gleiche Ausdrucksbewegungen da sind, wie ich sie vollziehe, auch mein Ich hier noch einmal vorhanden sei — nicht aber ein fremdes und anderes ich. Soll der Schluß ein fremdes, von

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