sind im Begriff, unser Lager zu umzingeln. Wie lauten deine Befehle?«

Aus der Wunde spritzte das Blut auf Gesicht und Hande des Chirurgen und seiner Helfer, die sich bemuhten, sie zu tamponieren, wahrend ein anderer, das gluhende Eisen in der Hand, herantrat. Der Chirurg tauchte es in die Wunde, und der Kommandant Claudianus bi? stohnend die Zahne zusammen, um nicht zu schreien. Ein scharfer Geruch nach verbranntem Fleisch erfullte den kleinen Raum, und von dem gluhenden Eisen, das immer noch in der Wunde zischte, stieg dichter Rauch auf.

Aurelius sagte noch einmal: »Kommandant ...«

Claudianus streckte ihm die Hand entgegen, die er noch bewegen konnte: »Hor zu ... Odoaker will uns vernichten, weil wir ein Hindernis darstellen, das er um jeden Preis aus dem Weg raumen mu?. Unsere Legion ist ein Uberbleibsel aus der Vergangenheit, aber sie verbreitet immer noch Angst: Sie besteht ausschlie?lich aus Romern, aus Italern und Leuten aus den Provinzen des Romischen Reiches, und er wei?, da? sie ihm niemals gehorchen wird. Deshalb mochte er uns alle tot sehen. Geh, reite zu Orestes und sag ihm, da? wir umzingelt sind, da? wir verzweifelt Hilfe brauchen ...«

»Schick einen anderen, ich bitte dich«, antwortete Aurelius. »Ich mochte bleiben: Alle meine Freunde sind hier.«

»Nein, du gehorchst! Nur du kannst es schaffen. Geh und beeile dich, damit wir noch die Kontrolle uber die Olubnabrucke behalten: Sie wird bestimmt ihr erstes Ziel sein, um uns von der Stra?e nach Piacenza abzuschneiden. Geh, bevor der Kreis sich schlie?t, und la? dich durch nichts und niemanden aufhalten! Orestes befindet sich in seiner Villa vor der Stadt, zusammen mit seinem Sohn, dem Kaiser. Unterdessen werden wir hier versuchen, Widerstand zu leisten.«

»Ich komme zuruck«, erwiderte Aurelius. »Haltet durch, so gut ihr konnt.« Er drehte sich um. Hinter ihm starrte Batiatus schweigend seinen verwundeten Kommandanten an, der totenbleich auf der von Blut ganz rot gefarbten Pritsche lag. Aurelius brachte es nicht ubers Herz, ihm etwas zu sagen. Er lief hinaus und ging zu Vatre-nus auf die Estrade: »Er hat mir befohlen, Verstarkung zu holen. Ich komme zuruck, sobald ich kann. Haltet durch, haltet durch, wir konnen es schaffen.« Vatrenus nickte, ohne ein Wort hervorzubringen. Man konnte sehen, da? in seinem Blick keine Hoffnung lag und da? er sich darauf gefa?t machte, den Soldatentod zu sterben.

Mehr konnte Aurelius nicht sagen. Er steckte zwei Finger in den Mund und stie? einen Pfiff aus. Als Antwort kam ein Wiehern, und schon trottete ein gesattelter Fuchs auf die Erdwalle zu. Aurelius sprang auf und sprengte auf das hintere Tor zu. Vatrenus gab den Befehl, die Riegel der Torflugel aufzuschieben. Diese offneten sich kurz, um den Reiter, der bereits im Galopp ritt, hindurchzulassen, und wurden hinter ihm sofort wieder geschlossen. Vatrenus blickte ihm von der Estrade aus nach, wahrend er in der Ferne immer kleiner wurde und auf die Brucke uber die Olubna zujagte. Der Trupp, der mit der Bewachung der Brucke beauftragt war, begriff sofort, was geschah, zumal eine gro?ere Gruppe barbarischer Reiter sich vom Gros der Streitkrafte abgesetzt hatte und jetzt mit gro?er Geschwindigkeit auf sie zuritt.

»Ob er es schaffen wird?« fragte Canidius, wahrend er uber die Erdwalle spahte.

»Und zuruckkommt? Ja, vielleicht«, antwortete Vatrenus. »Aurelius ist der beste, den wir haben.« Aber Ton und Ausdruck seiner Stimme verrieten nicht denselben Optimismus wie seine Worte.

Er wandte erneut den Blick, um Aurelius nachzuschauen, der mit hochster Geschwindigkeit auf dem noch freien Gelande zwischen dem Lager und der Brucke dahinjagte, und er erkannte, da? jetzt eine weitere Abteilung barbarischer Reiter von links kam und sich per Handzeichen mit den anderen abstimmte, die von rechts heranritten, um dem Fluchtigen gemeinsam den Weg abzuschneiden. Aber Aurelius war schnell wie ein Pfeil, und sein Pferd legte die Strecke auf dem ebenen Gelande zwischen dem Lager und dem Flu? in Windeseile zuruck. Er lag fast flach nach vorne gestreckt auf der Kruppe, um sich den Wurfgeschossen, die bald auf ihn herabprasseln wurden, nicht allzusehr auszusetzen.

»Lauf, lauf«, knurrte Vatrenus zwischen den Zahnen hindurch. »Lauf, mein Schoner, brav, brav ...« Aber in derselben Sekunde wurde ihm klar, da? die Angreifer zu zahlreich waren und gleich den Kopf der Brucke erreichen wurden. Er mu?te seinem Kameraden einen gro?eren Vorsprung geben. Deshalb rief er: »An die Katapulte!«, und die Artilleristen, die bereits verstanden hatten, richteten ihre Wurfmaschinen auf die barbarische Reiterei, die von rechts und von links auf die Brucke zustromte.

»Schie?en!« befahl Vatrenus, und sechzehn Katapulte schleuderten ihre Wurfspie?e gegen die Spitze der beiden Schwadronen und trafen in den Haufen. Die ersten unter den Verfolgern fielen zu Boden, und diejenigen, die unmittelbar hinter ihnen kamen, wurden bei dem katastrophalen Massensturz mit nach unten gerissen. Andere wurden vom Gewicht ihrer Pferde zermalmt, und wieder andere, die an den Seiten ritten, fielen unter dem Beschu? der Soldaten, die die Brucke besetzt hielten. Zuerst ging auf sie eine ganze Wolke von Pfeilen nieder, die auf Mannshohe waagrecht abgeschossen worden waren, und dann ein dichter Regen von Wurfspie?en. Viele sanken durchbohrt zu Boden, wahrend die Pferde strauchelten, die Reiter weiterstolpernd mitschleppten und unter sich zertrampelten. Aber ihre Gefahrten zogen sich zuruck, um weniger Angriffsflache zu bieten, und setzten ihren Ruckzug heulend vor Wut uber die erlittene Niederlage fort.

Aurelius war nunmehr in Horweite seiner Kameraden, die auf der Brucke Stellung bezogen hatten. Er erkannte Vibius Quadratus, einen Mitbewohner seines Zeltes, und rief: »Gebt mir Deckung! Ich hole Hilfe, ich komme zuruck!«

»Ich wei?!« schrie Quadratus und hob den Arm, um das Signal zu geben, da? fur Aurelius ein Durchgang geoffnet wurde. Wie ein Blitz jagte der Reiter zwischen seinen Kameraden hindurch, und die Brucke schwankte unter den Hufen des schweren Schlachtrosses, das unaufhaltsam weitergaloppierte. Die Abteilung schlo? sofort wieder die Reihen, und dabei stie?en ihre Schilde mit einem kurzen metallischen Klang aneinander. Wahrend die ersten Manner knieten und die zweiten dahinter standen, lie?en sie nur die Spitzen der Lanzen herausgestreckt, deren Schafte sie in den Boden stemmten. Die barbarischen Reiter sturzten sich auf das tapfere Hauflein; ihre Wut ergo? sich wie eine Sturmwelle uber dieses letzte Bollwerk romischer Disziplin: Da sie gezwungen waren, sich wegen der Enge der Brucke dicht aneinanderzudrangen, prallten einige der Angreifer mit gro?er Wucht auf die Gegner und rollten zu Boden, andere gelangten bis zur Mitte der Brucke und sturzten sich mit entsetzlicher Gewalt auf die kleine Garnison, die unter dem Ansturm zuruckwich, aber dennoch standhielt. Viele Pferde verletzten sich an den Piken, andere scheuten, blieben abrupt stehen und warfen ihre Reiter nach vorn ab, wo sie sich auf den Eisenspitzen aufspie?ten. Dann artete die Schlacht in ein wildes Gemenge aus, Mann gegen Mann, Schwert gegen Schwert. Die Verteidiger wu?ten, da? jede Sekunde, die fur den sich immer weiter entfernenden Reiter gewonnen wurde, die Rettung der ganzen Truppe bedeuten konnte, und sie wu?ten auch, was fur furchterliche Qualen sie erwarteten, wenn sie lebendig in Gefangenschaft gerieten. Deshalb kampften sie mit allen Kraften und machten sich gegenseitig mit lauten Zurufen Mut.

Unterdessen wandte sich Aurelius, der schon am anderen Ende der Ebene angelangt war, um, ehe er in das Dickicht eines Eichenwaldes eintauchte, das sich vor ihm ausbreitete. Das letzte, was er sah, waren seine Kameraden, die nun von dem entsetzlichen Ansturm der Feinde uberrannt wurden.

»Er hat es geschafft!« jubelte Antoninus von der Estrade des Feldlagers herunter. »Er ist im Wald, jetzt erwischen sie ihn nicht mehr. Uns bleibt noch eine Hoffnung!«

»Das stimmt«, erwiderte Vatrenus. »Unsere Kameraden auf der Brucke haben sich niedermetzeln lassen, um seinen Ruckzug zu decken.«

In diesem Augenblick kam Batiatus aus dem Feldlazarett heraus.

»Wie geht es dem Kommandanten?« fragte Vatrenus.

»Der Chirurg hat seine Wunde kauterisiert, aber er sagt, da? die Pike ihm einen Lungenflugel durchbohrt hat. Er spuckt Blut, und das Fieber steigt.« Er ballte seine Riesenfauste und pre?te die Kiefer zusammen. »Ich schwore, da? ich den ersten, der mir in die Hande fallt, niederschlage, zerquetsche und seine Leber vertilge ...«

Die Kameraden sahen ihn mit einer Art bewunderndem Staunen an: Sie wu?ten sehr wohl, da? dies keine leeren Worte waren.

Vatrenus wechselte das Thema. »Was fur einen Tag haben wir heute?«

»Die Nonae des November«, antwortete Canidius. »Ist das so wichtig?«

»Vor drei Monaten um diese Stunde war Orestes gerade im Begriff, seinen Sohn dem Senat vorzustellen, und jetzt mu? er ihn schon vor Odoakers Angriff schutzen! Wenn Aurelius Gluck hat, konnte er noch in finsterer Nacht eintreffen. Die Verstarkungen konnten dann im Morgengrauen aufbrechen und in zwei Tagen hier sein. Wenn Odoaker nicht schon samtliche Passe und Brucken hat besetzen lassen und wenn Orestes noch uber treuergebene Truppen verfugt, die er sofort in Marsch setzen kann, und wenn ...«

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