«Wo steckt er?», fauchte die Hoch- und Gro?meister-Hexe und suchte auf dem Podium herum. «Wo hat sich diese Maus versteckt?»

Sie konnte sie nicht entdecken. Der schlaue Bruno musste vom Tisch gesprungen sein und sich in irgendeine Ritze oder vielleicht sogar in ein kleines Loch verkrochen haben. Dem Himmel sei Dank dafur.

«Das spielt jetzt keine Rolle!», rief die Hoch- und Gro?meister-Hexe. «Schweigt still und setzt euch hin!»

Die Uralten

 Die Hoch- und Gro?meister-Hexe stand jetzt genau in der Mitte des Podiums, und ihre mordlustigen Augen wanderten langsam uber die Versammlung der Hexen, die eingeschuchtert zu ihren Fu?en sa?en.

«Alle diejenigen, die uber siebzig sind, die Hand heben!», bellte sie plotzlich.

Sieben oder acht Hande fuhren in die Hohe.

«Es kommt mir so vor», sagte die Hoch- und Gro?meisterHexe, «als ob ihr Alten nicht mehr imstande sein konntet, auf die hohen Baume zu klettern, um die Grunzer-Eier zu suchen.»

«Das konnen wir auch nicht, Euer Hochgeboren, ich glaube, das konnen wir nicht mehr!», murmelten die alten Hexen.

«Und ihr seid auch nicht mehr imstande, den Grabbengnacker zu fangen, der hoch oben auf felsigen Glippen haust», fuhr die Hoch- und Gro?meister-Hexe fort. «Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass ihr den geschwinden Gatzengnilch jagt oder in die tiefen Glufte daucht, um den Glatschmaulglauer mit dem Speer zu erlegen, oder gar mit einer Flinte unterm Arm durch die dusteren Moore streift, um den Grabbelspritzer zu treffen. Ihr seid zu alt und zu schwach dafur.»

«Das sind wir», murmelten die Alten. «Das sind wir! Das sind wir!»

«Ihr Uralten habt mir viele Jahre lang treu gedient», sagte die Hoch- und Gro?meister-Hexe. «Und ich denke nicht daran, euch nur deshalb um das Vergnugen zu bringen, ein paar tausend Ginder pro Nase verschwinden zu lassen, weil ihr alt und schwach geworden seid. Deshalb habe ich hochstpersonlich und mit meinen eigenen Handen eine kleine Menge des Mausemachers hergestellt, und bevor wir das Hotel verlassen, werde ich ihn unter den Alten verteilen.»

«Oh, danke schon, danke schon!», riefen die alten Hexen. «Du bist zu gut zu uns, hochgeborene Herzenshexe. Du bist so freundlich und fursorglich!»

«Hier ist eine Probe dessen, was ich euch schenken will», rief die Hoch- und Gro?meister-Hexe. Sie kramte in einer Tasche ihres Gewandes herum und zog eine sehr kleine Flasche heraus. Die hielt sie in die Hohe und rief:

«Diese winzige Flasche enthalt funfhundert Dosen des Mausemachers! Das reicht aus, um funfhundert Ginder in Mause zu verwandeln!» Ich konnte erkennen, dass das Flaschchen aus dunkelblauem Glas bestand und wirklich sehr klein war, ungefahr so gro? wie die Flaschen mit Nasentropfen.

«Jede von euch Alten wird zwei von diesen Flaschen erhalten!», verkundete sie.

«Danke schon, vielen Dank, du Gro?zugige und Fursorgliche!», sangen die alten Hexen im Chor. «Keinen Tropfen werden wir vergeuden! Jede von uns wird hoch und heilig versprechen, eintausend Kinder zu zermalmen und zu vernichten und wegzupusten.»

«Die Sitzung ist geschlossen!», verkundete die Hoch- und Gro?meister-Hexe. «Ich sage jetzt noch an, wie unsere Zeit fur den Rest unseres Aufenthaltes in diesem Hotel eingeteilt ist. Direkt anschlie?end an diese Sitzung mussen wir auf die Sonnenterrasse und mit diesem lacherlichen Direktor Tee trinken. Als Nachstes werden sich jene Hexen, die zu alt sind, um noch auf Baume zu klettern und Grunzer-Eier zu suchen, um sechs Uhr in meinem Zimmer melden und pro Nase zwei Flaschchen Mausemacher abholen. Meine Zimmer-Nummer ist 454. Bitte nicht vergessen! Und um acht Uhr werden wir uns alle im Speisesaal zum Abendessen versammeln. Wir sind die entzuckenden Damen von der KGVK, und sie haben zwei gro?e Tische extra fur uns reserviert. Aber vergesst nicht, euch Wattepfropfen in die Nase zu stecken. In diesem Speisesaal wird es nur so von ekelhaften gleinen Gindern wimmeln, und ohne unsere Nasenpfropfen wird der Gestank unertraglich sein. Aber das ist nicht so wichtig. Denkt vor allem immer daran, euch stets und standig normal zu benehmen. Ist alles klar? Noch irgendwelche Fragen?»

«Ich habe eine Frage, Euer Hochgeboren», erklang eine Stimme im Publikum. «Was geschieht, wenn ein Erwachsener eine von den Su?igkeiten aus unseren Laden isst?»

«Pech fur den Erwachsenen», erwiderte die Hoch- und Gro?meister-Hexe. «Die Sitzung ist geschlossen!», rief sie. «Hinaus mit euch!»

Die Hexen standen auf und begannen, ihre Sachen zusammenzusammeln. Ich beobachtete sie durch die Ritze und hoffte instandig, dass sie sich beeilen und weggehen wurden, damit ich endlich in Sicherheit ware.

«Wartet!», schrie eine der Hexen in der letzten Reihe. «Lasst alles stehen und liegen!» Ihre gellende Stimme scholl wie eine Trompete durch den Ballsaal. Alle Hexen hielten auf der Stelle inne und drehten sich um und schauten die Schreierin an. Sie war eine von den gro?eren Hexen, und ich konnte sie genau sehen. Sie stand da, hatte den Kopf zuruckgeworfen und die Nase in die Luft gereckt und sog diese in tiefen langen Zugen durch ihre geriffelten rosa Muschelnustern ein.

«Wartet!», schrie sie wieder.

«Was ist denn?», fragten die anderen.

«Hundekottel!», kreischte sie. «Gerade hab ich eine Spur von Hundekotteln gerochen!»

«Aber nicht doch!», riefen die anderen. «Das kann doch gar nicht sein!»

«Jajajaja!», heulte die erste Hexe. «Da ist es wieder! Es ist nicht sehr stark! Aber da ist es schon! Ich glaube wenigstens, dass es da ist. Es ist bestimmt hier irgendwo ganz in der Nahe!»

«Was geht da unten vor?», grollte die Hoch- und Gro?meister-Hexe und spahte vom Podium herab.

«Mildred hat gerade Hundekottel gewittert, Euer Hochgeboren!», rief jemand zu ihr empor.

«Was ist das fur ein Unfug?», rief die Hoch- und Gro?meister-Hexe. «Sie hat Hundegottel auf dem Geks. Hier in diesem Saal gibt's geine Ginder!»

«Halt, halt!», rief die Hexe, die sie Mildred genannt hatten. «Seid mal ganz still! Bewegt euch nicht! Ich hab es schon wieder!»

Ihre riesigen Nusternruschen wedelten wie ein Flossenpaar auf und ab.

«Es wird starker! Jetzt wirft's mich fast um! Konnt ihr das denn nicht riechen?»

Alle Hexennasen im ganzen Saal reckten sich in die Luft, und alle Nustern begannen zu beben und zu schnuppern.

«Sie hat Recht!», rief eine zweite Stimme. «Sie hat absolut Recht! Hundekottel, das ist es, stark und stinkig!»

Innerhalb von Sekunden hatte die gesamte Hexenversammlung in das ungluckselige Hundekottelgeheul eingestimmt. «Hundekottel!», kreischten sie. «Der ganze Saal stinkt! Puuh! Pfuii! Warum haben wir das nicht vorher gerochen? Es pestet wie ein Misthaufen! Irgendein kleines Biest muss sich ganz in der Nahe verstecken!»

«Sucht es!», schrie die Hoch- und Gro?meister-Hexe. «Nehmt seine Spur auf! Scheucht es auf! Folgt euren Nasen, bis ihr es am Wickel habt!»

Schwei? brach mir am ganzen Leibe aus.

Die Haare auf meinem Kopf ' straubten sich wie die Borsten einer Nagelburste, und der kalte «Scheucht es auf, dies gl eine Dreckstuck!», kreischte die Hoch-und Gro?meister-Hexe. «Lasst es nicht entfliehen! Wenn es hier

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