Heinz Konsalik

Bittersu?es 7. Jahr

ERSTES KAPITEL

Es begann eigentlich damit, da? Peter Sacher in seinem Beruf Er_folg hatte.

Erfolg ist etwas sehr Schones. Er fullt die Kassen, deckt den Tisch, erfullt die Sehnsucht nach englischen Ma?anzugen und Saphirnerzcapes, la?t karatige Brillanten funkeln und Villen am Rhein bauen, lockt nie gekannte Freunde an, vermehrt die Verwandtschaft geradezu mathematisch potentiell und richtet einen Wall stiller Neider auf.

Das alles hatte Peter Sacher erreicht. Es war ein au?erer Glanz, von dem seine besonders guten Freunde sagten:»Es ist unverstandlich, wie man als Architekt soviel verdienen kann! Seine Bauten sind nicht weltbewegend, seine Ideen nicht besonders originell, seine Auftraggeber keine Krosusse, und trotzdem lebt er wie ein Pascha!«

Alles schien also geregelt zu sein. Geld, Erfolg, liebwerte Freunde, nur Sabine Sacher, Peters Frau, wurde merkwurdig schweigsam, wenn die Rede auf Peter Sachers Erfolgsserie kam.

«Tja«, pflegte sie dann zu sagen,»er hat viel zu tun. Sehr viel. «Es klang fast traurig. Wehmut schwang in der Stimme mit, und mancher, der es vernahm, machte sich seine Gedanken.

Uberraschende abendliche Besucher fanden Sabine allein in der flachdachigen Villa am Rhein vor. Sie sa? am offenen Kamin, starrte in die prasselnden Flammen, trank einen Portwein und machte den Eindruck einer verwunschten Prinzessin, die auf den sie erlosenden Prinzen wartete.

«Peter, ach, der hat eine Besprechung in Duisburg«, sagte sie zu dem Besuch entschuldigend. Oder:»Peter ist nach Brussel geflogen. Er soll einen Wohnblock bauen!«Oder:»Peter kommt in einer Woche erst wieder. Wi?t ihr, in Kopenhagen will man ein Feriendorf bauen.«

Immer war Peter weg, mit dem Flugzeug, mit der Bahn, mit seinem schnellen Sportwagen, einmal sogar mit einem Hubschrauber, von dem aus er sich ein gro?es Terrain zur Bebauung von Bungalows ansehen wollte.

War er aber zu Hause — und Sabine sah diese Stunden wie Feiertage an —, dann lag er auf der Couch, las im >Fachblatt fur Architekten oder im >Haus- und Grundbesitzer-Boten<, argerte sich uber einen vom Bauamt umgezeichneten Bauplan oder sprach von den schonen Frauen, die er auf der Promenade von Scheveningen gesehen hatte.

Auch an diesem schicksalhaften Tage lag er auf der Couch, las die Zeitung und amusierte sich uber die neueste Affare einer Filmdiva. Sabine, die im Hintergrund des Zimmers mit einigen Glasern klapperte, horte er gar nicht. Erst als sie sich kraftig rausperte, schrak er zusammen und merkte, da? er ja noch eine Frau hatte, die im tiefsten Inneren glucklich war, da? er heute nicht in Munchen oder Ascona, sondern zu Hause auf der Couch lag.

Manner, die auf Couchen liegen, haben immer etwas Hilfloses an sich.

Peter Sacher stand deshalb auf. Was ihm gerade in den Kopf scho?, war durchaus nicht hilflos, sondern rechtfertigte eine aufrechte Haltung. Er trat an seinen Schreibtisch, stutzte sich auf das Telefon, spielte mit dem Briefoffner und legte die Stirn in Falten.

«Findest du auch, da? die Abende so lang sind?«fragte er ein wenig unbeholfen.

«Ich?«Sabine sah zu ihm hinuber. Das Strickzeug, das sie gerade aufgenommen hatte, fiel in ihren Scho?. Dabei bemerkte sie, da? seine Hose wieder aufgebugelt werden mu?te. Peter selbst sah so etwas nicht.»Na ja. Wir haben uns in der letzten Zeit reichlich wenig zu sagen.«

«Wenig zu sagen. «Peter schuttelte den Kopf.»Diese Formulierung ist zu allgemein. Unsere Interessen gehen auseinander, das ist es. Mit meinem Beruf will ich dich nicht belasten, vom Haushalt verstehe ich nichts, an Briefmarken hast du kein Interesse, dir beim Wickeln die Strickwolle zu halten, finde ich reichlich dumm, bei klassischer Musik gahnst du, ins Kino gehen«, er hob die Hand und machte ein saures Gesicht,»und das Theater? Operette ist mir zu flach, und du schlafst bei Faust ein. «Er hob beide Arme.»Ich wei? wirklich nicht, was wir beide besprechen sollten.«

«Leider. «Sabine legte ihre Strickarbeit zur Seite.»Was machen eigentlich die Manner, die zwanzig Jahre verheiratet sind?«

«Entweder haben sie ihren Stammtisch, oder sie sind Trottel!«

«Wie schon. «Sabine wandte sich ab. Bitterkeit stieg in ihr hoch. Scharfer, als sie es wollte, sagte sie:»Dann hast du ja noch dreizehn Jahre Zeit.«

«Sabine! Bitte!«Peter legte den Briefoffner hin.»Ich wei?, da? dich meine Gegenwart langweilt, aber wir wollen wenigstens den Schein einer guten Gemeinsamkeit aufrechterhalten! Ein Korsett der strammen Haltung.«

Er trat an das gro?e Fenster hinter dem Schreibtisch, zog den Vorhang etwas zuruck und blickte hinaus auf den Vorgarten und die abendliche stille Uferstra?e.

Das Haus der Sachers lag etwas au?erhalb der Stadt nach Kaiserswerth hin, unmittelbar an der Rheinpromenade, die von Dusseldorf den Strom hinabfuhrt, bis sie sich in flachen Wiesen verlauft. Vom Vorgarten des wei?en, flachen Hauses mit den gro?en Fensterflachen waren es nur wenige Schritte zum Ufer, und es roch herb nach Tang und Wasser.

Langsam, tief liegend, zogen am Tag die Schleppkahne uber den Rhein, und abends, wenn Peter und Sabine auf ihrer Terrasse sa?en unter dem bunten Schirm, dessen schwerer Betonfu? auf breiten, wei?en Steinplatten stand, drohnten die Sirenen der Dampfer durch das Sommerdunkel und klang das Platschern der Brecher an das steingefa?te Ufer bis hinein ins Schlafzimmer.

Das Haus selbst lag in einem gro?en Garten, der sich parkahnlich bis zu einer Chaussee erstreckte und einen kleinen Pavillon verbarg. Er wurde an warmen Sommerabenden bei Gesellschaften benutzt und hatte daher den Namen >Kaffeeklatsch-Tempel< erhalten. Aber auch wenn Peter absolute Stille suchte, weil er an einem schwierigen Entwurf arbeitete, zog er sich hierhin zuruck.

Sonst war der gro?e Garten das Reich Sabines. Hier konnte sie den Blumen die Liebe geben, die Peter vor lauter Arbeit und Terminen nicht empfangen konnte oder wollte, wie es Sabine bald schien, wenn sie seine Gleichgultigkeit ihren zartlichen Ansatzen gegenuber sah.

Nachdenklich blickte Peter aus dem Fenster auf den Strom; die Nacht war hell, und die Wellen blinkten.

«Ich habe mir gedacht, da? wir nachste Woche Ferien machen«, sagte Peter zogernd und nestelte an der Gardine. Aus den Fransen drehte er kleine Wurstchen.»Wo sollen wir die Wochen verleben? See? Gebirge? Gro?stadt? Landluft? Einsamkeit? Gesellschaft? Mir ist alles gleich. Du kannst es dir aussuchen. Ich will nur Tapetenwechsel.«

«Mir ware am liebsten die See.«

Naturlich, ihm ist es gleich, grubelte Sabine. Nur Tapetenwechsel will er haben. Nach einem Jahr Herumirren in der Welt! Ob See, Gebirge oder ewiges Eis. Er sieht mich sowieso nicht, wie er mich das ganze Jahr uber nicht vermi?t hat. Er wird mit mir durch die Dunen wandern, er klettert mit mir auf die Berge, sitzt in den Hotels oder fahrt mit einem Boot uber die Lagunen, und das alles mit der gleichen Miene, als gehe es ihn nichts an, als sei er weit von allen Dingen entfernt, als sei er auch jetzt nicht dort, wo er ist. Und nach diesen sechs Wochen >Erholung< fahrt man dann wieder nach Hause, la?t die Fotos entwickeln (die man routinema?ig macht, weil sie eben zum anstandigen Urlaub gehoren), klebt sie in ein Album und zeigt sie spater den neugierig anschwirrenden Bekannten und Verwandten.»O ja, es war schon. Es war herrlich. Unverge?liche Tage.«

Dann legt man sie wieder weg, irgendwo in eine Ecke, und mit ihnen legt man die Verbindlichkeit der Erinnerung ab, gahnt und fuhlt sich viel muder als vor der Ferienreise. Und vor allem viel langweiliger, weil man ja nichts anderes erlebt hat als sechs Wochen sich selbst.

Wir leben uns auseinander, dachte Sabine erschrocken und wandte sich wieder Peter zu. Sie sah seinen Rucken und die langen graumelierten Haare. Er war einmal ein netter Mann. Vor sieben Jahren. Er konnte tanzen, bis die Fu?e brannten, er konnte plaudern, da? allein der Klang seiner Stimme genugte, um glucklich zu werden.

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