Verdrossen schob er die Zeitung zur Seite. Sein Gesicht war finster, fast argerlich.

«Was du vorschlagst, ist ja auch nur ein Experiment.«

«Stimmt! Aber es hat einen gro?en Vorzug.«

«Und welchen?«»Es ist das letzte.«

Peter Sacher fluchtete sich in charmante Plaudereien. Er blinzelte Sabine an.»Einen Mann sechs Wochen allein zu lassen, ist gefahrlich.«

«Mein Lieber — unterschatze die Frauen nicht!«

Peter spurte einen kleinen Stich in der Herzgegend. Was hat sie vor, grubelte er. So kenne ich sie ja gar nicht. So entschlossen, so wild um sich schlagend. Immer war sie ein Lamm. Mein Schafchen, das war lange Zeit sein Kosename fur sie gewesen.

Ruhelos schritt er im Zimmer hin und her. Drau?en leuchteten die wei?en Steinplatten der Terrasse im Mondlicht.

«Sechs Wochen. «Er dehnte die Silben.»Du fahrst irgendwohin und ich auch, und wir werden uns nicht fragen, was in diesen sechs Wochen geschah, was wir erlebten und was wir erkannten. So denkst du dir das doch?«

«Ja«, sagte Sabine fest.

«Typisch amerikanisch!«Peter kreuzte die Hande auf dem Rucken und nahm seine Wanderung durch das dunkle Zimmer wieder auf. An seinen Schritten sah man, wie erregt er innerlich war. Er ging mit steifen Knien, wie im verhaltenen Paradeschritt. Haltung bewahren, hie? es. Immer Haltung! Dabei nagten seine Zahne an der Unterlippe.

«Und wenn einer von uns nach sechs Wochen nicht zuruckkommt?«fragte er plotzlich so laut, da? Sabine zusammenzuckte.

«Das ware die einfachste Losung«, antwortete sie ebenso laut.

Sabine sah ihm bei diesen Worten voll ins Gesicht. Konnte man es noch deutlicher ausdrucken, da? ein Zusammenleben in der jetzigen Form unmoglich war?

Peter sagte zunachst kein Wort. Er begriff, da? Sabines Ausflug in die Psychologie keine Spielerei, sondern bitterer Ernst war. Sie scho? nicht mit Schreckschussen, sondern sie hatte scharf geladen. Seine Gedanken jagten sich. Sie pendelten zwischen Verbluffung und Trotz, zwischen Hilflosigkeit und dem Gefuhl der Beleidigung, da? man so mit einem siebenjahrigen Ehemann nicht sprechen kann.

Dann schien er etwas Handfestes in seinen Gedanken entdeckt zu haben. Er wandte sich Sabine wieder zu, und uber sein Gesicht zog der Schimmer von Befriedigung, der wiederum Sabine innerlich erschreckte.

«Gut«, sagte Peter Sacher, als habe er ein Geschaft erfolgreich abgeschlossen.»Du sollst deinen Willen haben. Wir werden uns sechs Wochen trennen.«

«Sechs Wochen Ferien voneinander? Wirklich?«

«Ja.«

«Und wann sehen wir uns wieder?«

Peter nahm einen gro?en Terminkalender vom Schreibtisch und blatterte in ihm herum. Dann legte er seinen Zeigefinger zwischen die Seiten.

«Heute haben wir den 6. Juli. Am 28. August also hier auf der Terrasse, falls es einer von uns noch will.«

Plotzlich hatte seine Stimme einen anderen Klang. Sabines Kopf fuhr hoch. Eine unerklarliche Angst uberfiel sie. Sie zog die Schultern an und lehnte sich tief in den Sessel. Wie ein angstliches Tier starrte sie Peter an, der mit einer beleidigenden Sachlichkeit den Termin im Kalender notierte. Neben Bauterminen und geplanten Richtfesten.

Auf einmal ist er einverstanden, durchzuckte es sie. Ob sein Strauben nur ein gutes Spiel war? Ob er vielleicht froh ist, sechs Wochen einmal allein zu sein, au?erhalb seines Berufes allein? Sanktionierte Freiheit, gewisserma?en. Und ob er vielleicht schon wei?, wohin er fahren wird? Vielleicht zu einer Frau, von der ich nichts ahne. Sein Gesicht ist so suffisant, als traume er schon von anderen wei?en Armen und zerwuhlten Locken.

Eine hei?e Welle stieg in Sabine auf.

«Du bist also einverstanden?«wiederholte sie.

«Ja. «Trocken und sachlich kam seine Antwort.

«Mit allem einverstanden?«

«Ja, mit allem!«

«So plotzlich?«»Plotzlich? Du wei?t, Sabine, wenn ich dir eine Freude machen kann, tue ich es gern und moglichst sofort.«

Er war ganz umschmeichelnde Hoflichkeit, glatt wie nasses Wachstuch. Sabine war es ein korperlicher Schmerz, ihn so bereitwillig und frohlich-unternehmungsfreudig zu sehen.

«Es ist aber eine gefahrliche Freude, die du mir gewahrst!«Sie sprang auf und sturzte fast auf Peter zu.»Wei?t du etwa schon, wohin du fahrst?«

«Allerdings.«

«Wohin?!«Ihr Atem stockte. Schuft, dachte sie unmotiviert.

Peter Sacher lachelte und hob wie ein milde strafender Lehrer den Zeigefinger.»Es ist doch nach deinen Satzungen verboten, das zu sagen.«

«Auch gut!«Sie drehte sich schroff um und ging zum Tisch zuruck.»Ich werde schon am 8. Juli fahren«, sagte sie schnippisch.

«Um so besser.«

Sie fuhr herum, als habe er sie geboxt.»Was sagst du?«

«Ich sagte: um so besser. Dann bleiben mir noch zwei Tage mehr, um meine Pa?angelegenheiten zu regeln.«

«Pa?? Du willst also ins Ausland?«

«Naturlich. Da ist es am sichersten, dich nicht zu treffen.«

Oh, dachte Sabine, das mu? er mir sagen! Er hat kein Schamgefuhl mehr. Er ist glucklich, mich nicht zu sehen, und er sagt es mir sogar! Wie gemein! O wie gemein! Ich hasse ihn. Bei Gott, ich konnte ihn jetzt umbringen!

«Nun bist du plotzlich von meinem Vorschlag begeistert, nicht wahr?«sagte sie muhsam mit heiserer Stimme.»Ich bewundere deine Intelligenz und dein Einfuhlungsvermogen in Dinge, die dir augenscheinlich sehr gelegen kommen.«

«Ich war immer ein Mensch, der bekannt war fur sein Akklima-tionstalent.«

«Man kann's auch so nennen!«

«Man mu? es so nennen, meine Liebe.«

Mit zusammengepre?ten Lippen ging sie schnellen Schrittes zur

Tur. Aber bevor sie das Zimmer verlie?, drehte sie sich noch einmal mit einem Schwung herum.

«Gute Nacht!«rief sie giftig.»Ich wunsche dir viel Spa? im Ausland. Und vergi? nicht, da? der Pa? deinen vollen Namen und deine Anschrift tragt.«

Peter lachelte sie verbindlich an.»Ich werde sechs Wochen unter gro?zugigen Menschen verbringen…«Die Tur krachte zu. Peter schuttelte den Kopf. Das erst fur blodsinnig gehaltene Spiel begann ernsthaft und wirklich seelisch entblo?end zu werden. Eifersuchtige Anwandlungen bei Sabine waren ihm neu, jetzt entdeckte er sie. Und er entdeckte noch mehr: Er spurte, da? es ihm durchaus nicht gleichgultig war, wo Sabine die sechs Wochen verbrachte. Und gar nicht gefiel ihm der Gedanke, da? sie ihm nicht erzahlen wurde, was sie in diesen Wochen des Alleinseins erlebt hatte. Schon das Bewu?tsein, da? sie etwas erleben konnte, was sie nicht erzahlen wurde, nagte an seinen Nerven wie eine Maus am Speck.

Man mu? da etwas erfinden, dachte Peter Sacher und setzte sich an seinen Schreibtisch. Er knipste die Tischlampe an und starrte auf die aufgeschlagene Briefmappe. Was kann so alles passieren, wenn eine Frau allein verreist. Und Sabine ist eine Frau, die man nicht ubersieht.

Der Widersinn seiner Gedanken zu der Tatsache seiner Ehe wurde ihm nicht bewu?t. Ein Zuruck von Sabines Plan gab es nicht, aber dem Schicksal allein mi?traute Peter Sacher ebenso sehr wie der stillen eigenen Versicherung, da? es vielleicht ohne dieses amerikanische Experiment gehen wurde, wenn man sich Muhe gab.

«Sei es also!«sagte er zu sich. Er nahm einen Bogen aus der Schreibmappe und begann zu schreiben:

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