«Nein!«schrie er.»Ich will nicht!«Er sah auf das Glas in seiner Hand, schrie auf und lie? es zu Boden fallen.»Was habe ich getan! Ich will nicht sterben.! Vater. Mutter. Mutter. ich will nicht! Mutter! Rette mich doch, hilf mir! Ich sterbe ja. ich sterbe. «Er sturzte zu einem Schrank in der Ecke, ri? ein Gegengift aus den Fachern und taumelte zu den Glasern zuruck.

Eine plotzliche Lahmung hinderte ihn, die Arme zu heben.

Mit grauenvoll aufgerissenen Augen starrte er um sich. Er wollte zu dem Stuhl gehen, aber auch die Beine waren gelahmt, er wollte schreien und merkte, wie seine Zunge schwer wurde und die Kehle sich zusammenschnurte.

«Der Tod.«, rochelte er.»Der Tod. «Er fuhlte, wie sein ganzer Korper einzeln starb, Glied um Glied, und wie der Tod an ihm emporstieg, grauenhaft langsam und unaufhaltsam. Die Kerze begann vor seinen Augen zu verblassen, die zuckende Flamme wurde fahl, versank in einem Nebel und erlosch.»Blind«, rochelte er.»Komm, komm doch… Tod. «Er fuhlte ganz entfernt, da? er zu Boden fiel, und wollte rufen, doch er horte nichts mehr. Es war dunkel und stumm um ihn. Nur denken konnte er noch. Klar und schrecklich denken. Und er dachte. Mutter. dachte immer nur Mutter. Mutter. liebe Mutter.

Und Mutter dachte er, als auch das Denken erlosch.

Uber die Berge schob sich der Tag herauf.

Und es begann zu regnen.

An einem offenen Grabe, ausgelegt mit hollandischen Tulpen, Christrosen und Veilchen aus den koniglichen Treibhausern, stand ein schlanker Mann in schwarzer Robe.

Das weite Rund der Trauernden schwieg. Der Pfarrer war zuruckgetreten. Am Rande der Gruft stutzte der Munzmarschall Kummer seine leise weinende Frau, das gebrochene Dorchen.

Und der Mann am offenen Grab streute Blumen auf den Sarg und warf eine kleine Rolle beschriebenen Pergamentes den Bluten nach.

Dann blickte er stumm in die Gruft, lange, als sanne er ein ganzes Leben zuruck und sagte langsam mit einem Zittern in der tiefen Stimme:

«Wie kurz ihm auch den Lenz der Jugend die Parze des Geschickes spann, er lebte als ein Held der Tugend und starb entschlossen als ein Mann.«

Noch einmal blickte er auf den Sarg, gru?te hinab und trat dann gesenkten Hauptes zuruck.

Da trat der Munzmarschall zu ihm, ergriff seine schlaffe Hand und druckte sie fest und innig.

Gro? blickten sich die beiden Manner an. Stumm, aufgerissen, unendlich traurig.

«Ich danke Ihnen«, sagte der Munzmarschall endlich mit zitternder Stimme.»Seien Sie auch mein Freund, Freiherr von Maltitz.«

Als die Trauernden gegangen waren, schaufelten vier Manner das blumenuberfullte Grab zu.

Freiherr von Maltitz.

Der Herr von Seditz.

Ritter von Bruneck.

Und Willi Bendler.

Und uber den stillen Friedhof sang der erste warme Wind, spielte mit den Bluten und taute die Erde auf fur den kommenden, sprie?enden Samen.

Da warf der Riese Willi Bendler seine Schaufel hin, bedeckte die Augen mit beiden Handen und schluchzte wie ein Kind.

«Ich kann nicht mehr«, stammelte er.»Er starb fur nichts, fur gar nichts! Das Kind hatte das Gift nicht genommen, weil dem Arzt der Geruch auffiel und er ihm die Tropfen nicht gab! Fur nichts, fur gar nichts — das!«

Maltitz schuttelte den Kopf und legte beide Hande auf Bendlers Schulter.

«Er suchte einen Grund zum Sterben. Er war ein Mensch, der fruhvollendet sterben mu?te! Er war die letzte Stufe eines Menschen, die ich kenne: ein einsames Herz!«

Die Wolken am Himmel zerrissen, der Wind wehte die Fetzen davon. Hell brach die Sonne durch und spielte uber die Kreuze, Steine und Blumen.

«Die Sonne«, sagte Willi Bendler leise.

«Ja, die Sonne«, Maltitz blickte auf den frischen Hugel.»Sie wird ewig uber seinem Grabe stehen, unsterblich wie die Seele, die ihr entgegenfliegt.«

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