Anka los? Vielleicht hat sie Angst gehabt um Paschka. Aber was hatte ich denn tun sollen? Jetzt gehe ich hinter ihnen her wie ein Ausgesto?ener. Ich kann ja fortlaufen. Gleich werde ich nach links abbiegen, dort ist ein schoner Tumpel. Vielleicht fange ich sogar eine Eule. – Aber er verlangsamte nicht einmal seinen Schritt. Das hei?t also »fur immer«, dachte er. Er hatte gelesen, da? das haufig vorkam.

Sie erreichten die Vergessene Stra?e sogar fruher, als sie gedacht hatten. Die Sonne stand schon hoch, es war sehr hei?. Die Fohrennadeln stachen im Genick. Es war eine Betonstra?e, und sie bestand aus zwei Reihen geborstener, rotlichgrauer Blocke. In den Fugen wuchs ein dichtes, vertrocknetes Gras. Die Bankette zu beiden Seiten waren voll von staubigen Kletten. Uber der Stra?e flogen dicke Schmei?fliegen mit Gebrumm dahin, und eine freche bumste Anton genau gegen die Stirn. Es war still und schwul. »Schaut!« sagte Paschka.

Uber der Stra?enmitte hing an einem rostigen, quergespannten Draht eine runde Eisentafel, von der die Farbe abgeblattert war. Mit Muhe war noch zu erkennen, da? es ein heller Querstrich auf rotem Hintergrund war.

»Was ist das?« fragte Anka ohne besonderes Interesse. »Ein Verkehrszeichen«, sagte Paschka. »Einfahrt verboten.«

»Negative Einbahn«, erlauterte Anton naher. »Wozu ist das gut?« fragte Anka.

»Das hei?t, man darf dort nicht hineinfahren«, sagte Paschka. »Aber wozu ist dann eine Stra?e da?« Paschka zuckte mit den Schultern. »Das ist ein sehr alter Weg«, sagte er.

»Ein anisotroper Weg«, erklarte Anton. Anka stand mit dem Rucken zu ihm. »Der Verkehr geht nur in eine Richtung.«

»Wie weise waren doch unsere Vorfahren«, sagte Paschka nachdenklich. »Da fahrst du so zweihundert Kilometer gemutlich dahin, und auf einmal – bumms! – Einfahrt verboten! Und du darfst nicht mehr weiterfahren, und fragen kann man auch niemanden.«

»Stellt euch nur vor, was da hinter diesem Verkehrszeichen alles sein kann!« sagte Anka. Sie blickte um sich. Ringsum war auf viele Kilometer nichts als menschenleerer Wald, und man konnte niemanden fragen, was da wohl hinter dem Verkehrszeichen lag. »Aber vielleicht ist es gar kein negatives Einbahnschild«, sagte Anka. »Die Farbe ist ja schon ganz abgeblattert …«

Da legte Anton an, zielte sorgfaltig und scho?. Es ware zu schon, wenn der Pfeil den Draht durchschlagen und das Verkehrsschild genau Anka vor die Fu?e fallen wurde. Aber der Pfeil traf in die obere Halfte des Schildes, durchschlug das rostige Eisen, und herunter rieselte nur vertrocknete Farbe.

»Esel!« sagte Anka, ohne sich umzudrehen.

Das war das erste Wort, mit dem sie ihn bedachte, nachdem sie Wilhelm Tell gespielt hatten. Anton lachelte schief. »And enterprises of great pitch and moment«, deklamierte er, »with this regard their current turn away and lose the name of action.«

Der treue Paschka schrie:

»Kinder, hier ist ein Auto gefahren! Nach dem Gewitter! Da ist das Gras noch niedergedruckt! Und hier …«

Paschka hat Gluck, dachte Anton. Aufmerksam betrachtete er die Spuren auf der Stra?e. Auch er sah das zusammengedruckte Gras und einen schwarzen Streifen an jener Stelle, wo das Auto vor einem Schlagloch im Beton gebremst haben mu?te. »Aha!« sagte Paschka. »Der ist von hinter dem Schild gekommen.« Das war ganz klar, aber Anton sagte: »Quatsch, er ist von der andern Seite gekommen!« Paschka schaute ihn mit erstaunten Augen an: »Was ist mit dir los? Bist du blind geworden?«

»Er ist von der andern Seite gekommen«, behauptete Anton hartnackig. »Gehen wir der Spur nach.«

»Unsinn!« ereiferte sich Paschka. »Erstens fahrt kein anstandiger Fahrer gegen die Einbahn. Und zweitens, schau: hier ist das Schlagloch und dort die Bremsspur … Also, woher ist er gekommen?«

»Was gehen mich deine anstandigen Fahrer an? Ich bin selber keiner von der Sorte, und ich geh jetzt in diese Richtung, gegen die Einbahn.«

Paschka wurde ganz wei? im Gesicht. »Geh, wohin du willst!« sagte er zornig. Er bekam einen leichten Schluckauf. »So ein Blodsinn. In der Hitze ist dir wohl das Hirn verraucht, was?« Anton drehte sich um, blickte gerade vor sich hin, buckte sich unter dem Verkehrsschild durch und ging davon. Er wunschte sich nur eines: auf eine eingefallene Brucke zu sto?en und sich auf die andere Seite hinuberarbeiten zu mussen. Was habe ich mit diesen Anstandigen zu tun, dachte er. Sollen sie doch gehen, wohin sie wollen … Mit ihrem kleinen Paschka. Da fiel ihm ein, wie Anka Paschka das Wort abgeschnitten hatte, als er sie Anetschka genannt hatte, und es wurde ihm ein wenig leichter. Er blickte sich um.

Paschka entdeckte er gleich. Don Sarancha ging, vornubergebeugt wie ein Fahrtenhund, der Spur des geheimnisvollen Autos nach. Die rostige Tafel uber der Stra?e schaukelte leicht im Wind, und durch das Loch blitzte das Blau des Himmels. Anka sa? am Bankett. Sie hatte ihre Ellbogen auf die nackten Knie gestutzt, und ihr Kinn ruhte auf den kleinen geballten Fausten.

Als sie zuruckkehrten, dammerte es schon. Die beiden Jungen ruderten, Anka sa? am Steuer. Uber dem dunklen Wald stand ein roter Mond, und unermudlich quakten die Frosche. »Es war alles so schon geplant«, sagte Anka traurig. »Ach, ihr …!« Die Jungen schwiegen.

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