Es ahnelte am ehesten unserem Gemeinschaftspark, nur dass zwischen den Baumen kleine Hauschen und Autos mit Campinganhangern sowie Wohnwagen verstreut standen. Einige Gebaude waren stabiler und gro?er, sicher das Cafe und die Verwaltung.

Der Erste, den ich im Motel traf, war ein Nichthumanoid.

Zuerst hatte ich das gar nicht mitbekommen. Es kam mir so vor, als ob mir ein Jugendlicher meines Alters entgegenkame. Dann dachte ich, es ware ein extrem kleinwuchsiger Erwachsener. Und fragte hoflich: »Entschuldigen Sie bitte, wo kann ich hier ein Zimmer bekommen?«

Mein Gegenuber blieb stehen. Als einzige Kleidung trug er Shorts. Die Beine waren stark behaart und sahen beinahe so aus, als seien sie mit Fell bewachsen. Die Ohren waren klein, die Augen dafur gro?.

Ein Halfling!

»Guten Tag, Menschenkind«, sagte er sehr klar und melodios, »wenn du hier einziehen mochtest, musst du 40 Meter weit zuruckgehen und dich in das Gebaude mit dem Schild ›Rezeption‹ wenden. Das dort vorhandene Personal wird auf alle deine Fragen antworten.«

Ich schluckte und nickte.

»Ich warte«, au?erte der Halfling erstaunt.

»D-danke…«

»Ich helfe gern«, antwortete der Halfling und entfernte sich. Ich glaubte sogar seinen Geruch zu spuren — leicht und angenehm, wie nach Blumen.

Vielleicht hatte er aber auch nur Kolnischwasser benutzt. Oder es duftete nach echten Blumen. Davon gab es hier viele; von den Duften war mir schon schwindlig.

Ich wartete ab, bis sich der Halfling entfernt hatte und lief vorsichtig zuruck.

Die Einweisung erfolgte durch ein derartig sympathisches und nettes Madchen, dass ich zeitweise alle meine traurigen Gedanken verga?. Sie bemerkte sofort, dass ich von einem anderen Planeten kam. Wir unterhielten uns, ich erzahlte vom Karijer, davon, dass ich eine Aufenthaltsgenehmigung beantragen mochte, dafur aber eventuell das Geld nicht ausreichen wurde. Letztendlich bekam ich ein Zimmer fur lediglich 10 Kredit pro Tag. Zwar ganz am Ende des Motels, weit weg vom Weg, aber was machte das schon? Au?erdem lud sie mir das Einwanderungsgesetz aus dem Netz, damit ich keine Ausgaben am Terminal im Zimmer hatte, das namlich gebuhrenpflichtig war. Und sie bewirtete mich mit einer Tasse Tee.

Sie selber stammte von Neu-Kuweit, aber ihr Vater war auch eingewandert, erzahlte sie. Von der Erde! Und obwohl sie erst 22 Jahre alt war, hatte sie bereits die Erde kennen gelernt — die Abschlussklassen auf dem College besuchen generell Erde, Edem oder Avalon. Das Madchen hatte keine Komplexe, dass sie in Anabiose fliegen musste. Und wirklich, was ist denn so interessant an einem zweiwochigen Flug im Zeittunnel? Bei ihnen nutzten sogar einige Jungs die Anabiose, um nicht sinnlos Zeit zu verlieren und so schnell wie moglich die Erde zu sehen. In der Heimat der Menschheit hatten sie London, Kairo, Jerusalem und Shitomir besucht — also alle beruhmten historischen Platze. Danach verbrachten sie und ihre Oma drei Tage in einer kleinen Odessaer Siedlung und gingen auf Lowenjagd. In der Siedlung waren Fremde nicht gern gesehen, es gab also genug Abenteuer, lachelte Sie.

Mit ihr hatte ich sicher noch einige Stunden verbracht, so interessant war es. Es kam aber ein neuer Ubernachtungsgast, irgendeine langhaarige Missgeburt, und ich musste gehen. Ich bekam den Schlussel und einen Prospekt des Motels mit einer detaillierten Karte, sodass ich mein Hauschen ohne Probleme finden konnte.

Es gefiel mir.

Ein schones Holzbett mit sauberer Bettwasche, ein Tisch, zwei Stuhle und zwei Sessel, ein kleiner Videoscreen. Er war im Zimmerpreis inbegriffen und ich schaltete sofort auf den ortlichen Nachrichtensender. Durch das gro?e Fenster konnte man fast das ganze Motel sehen. Das Hauschen stand auf einem Hugel. Unmittelbar hinter dem Haus begann der Zaun, danach kamen die Felder, dahinter waren die Hochhauser der Hauptstadt zu erkennen. Die Luft roch sehr su?. Es konnte doch nicht sein, dass ich keinen Ausweg finden wurde!

Es war mir gelungen, auf einen anderen Planeten zu fliegen. Ohne mich dabei in einen Zombie zu verwandeln. Ich hatte ein Dach uber dem Kopf und etwas Geld in der Tasche.

Ich setzte mich an den Tisch und begann das Einwanderungsgesetz zu lesen. Alles war sehr richtig und vernunftig. Ich erfullte alle Voraussetzungen — ich war jung, mannlich, keine Vorstrafen… hatte lediglich die Landebahn betreten, war aber dabei nicht erwischt worden… Mir war naturlich eigenartig zumute, dass man eine Beschneidung »als Zeichen der Achtung der kulturellen und historischen Traditionen des Volkes« verlangte, aber wenn es sein musste… Au?erdem waren hier drei Ehefrauen erlaubt. Ich hatte gehort, dass das auf vielen Planeten ublich sei, aber fruher hatte ich eher abstrakt daruber nachgedacht. Jetzt sah es also ganz praktisch so aus, dass ich spater drei Ehefrauen haben durfte. Eigenartig, sich das vorzustellen. Wenn Vater drei Ehefrauen gehabt hatte, wie hatte ich sie genannt? Tanten? Und auch Vater hatte sicherlich reichlich Probleme gehabt. Wenn eine Frau ein Geschenk bekommen hatte, waren die anderen beleidigt gewesen…

Dann las ich, dass nur 40 Prozent der Bevolkerung mehr als eine Ehefrau hatten, und beruhigte mich wieder. Nach einer Stunde hatte ich alle Formulare ausgefullt. Ich aktivierte das Computerterminal und versandte meinen Antrag aufZuerkennungderStaatsburgerschaftindas Einwanderungsministerium von Neu-Kuweit. In die Spalte fur besondere Bemerkungen schrieb ich, dass ich sehr wenig Geld hatte und um »moglichst schnelle Bearbeitung meines Antrags« ersuchte. Die Anmerkung fand ich gelungen, ehrlich und wurdevoll. Es war kein Herumjammern, ich erklarte lediglich die Situation.

Das Terminal erstellte mir eine Eingangsbestatigung mit der Bemerkung, dass der Antrag »in der vom Gesetz vorgegebenen Frist« bearbeitet wurde. Mir wurde ebenfalls mitgeteilt, dass ich bis zur Entscheidung meiner Sache den Touristenstatus beibehielte und kein Recht auf Arbeit in der »legalen oder illegalen Wirtschaft Neu- Kuweits« hatte.

Danach warf ich mich aufs Bett und schaute mir die Nachrichten an. Hauptsachlich berichteten sie uber das Leben auf dem Planeten und waren sehr interessant. Es ging zum Beispiel um den Besuch des Sultans auf einem »nordlichen Archipel«, wo der Bau eines gewaltigen Energiekomplexes geplant war. Gezeigt wurden verschneite Inseln, das kalte, dunkle Meer und der Sultan personlich — gar nicht alt und mit einem klugen, ehrlichen Gesicht.

Ich schaute mir ungefahr drei?ig Minuten lang die Nachrichten an und uberzeugte mich davon, dass Neu- Kuweit wirklich ein herrlicher Planet war. Hier gab es Dschungel, aber keine sehr gefahrlichen, Meere und Ozeane, Wusten und Walder. Nicht wie bei uns, wo das Komfortniveau 51 Prozent betrug. Au?erdem wurde der festliche Abschluss des Hip-Hop- Festivals in Agrabad ubertragen: Auf der Freiluftbuhne vor einem luxuriosen Palast tanzten und sangen die Girls. Um sie herum schwebten bunte holographische Illuminationen, die Zuschauer klatschten in die Hande und sangen mit.

Es kamen auch galaktische Nachrichten. Daruber, dass ein gewisser Planet mit Namen Inej seine Kriegsflotte in einem Ma?e erweitert hatte, dass die vom Imperium genehmigte Gro?e uberschritten wurde. Es ware an der Zeit, dass sich die Administration der Erde sowie der Imperator selbst einmischten. Es ging um galaktische Rennen, bei denen klar die Mannschaft der Halflinge gewinnen wurde, aber die beste Jacht vom Avalon, Kamelot, und andere fremde Raumschiffe um den zweiten Platz kampften. Berichtet wurde uber eine Beulenpestepidemie, die in irgendeiner kleinen Kolonie ausgebrochen war. Gezeigt wurden Raumschiffe des Quarantanedienstes des Imperiums, die den Planeten von der Au?enwelt abschnitten und den Bewohnern das Verlassen des Planetenverwehrten,daesbisherkeine Behandlungsmoglichkeit fur die Pest gab. Diese Krankheit verlauft todlich und ist ansteckend fur die Menschheit und fast alle fremden Rassen. Als auf dem Bildschirm Aufnahmen vom Planeten erschienen — uberfullte Krankenhauser, uberforderte Arzte in hermetisch abgeschlossenen Schutzanzugen, Kranke, die von Geschwuren bedeckt waren: zuerst von einem einfachen, roten Ausschlag, dann von Pusteln, und dann beginnt der Korper zu zerfallen -, schaltete ich den Bildschirm ab. Wie eklig… Seit meiner Kindheit hatte ich Angst davor, an etwas Schlimmem und Unheilbarem zu erkranken. Naturlich findet sich gegen jede Krankheit ein Medikament, aber manchmal dauert das einige Jahre und in der Zwischenzeit sterben ganze Planeten aus. Daran wollte ich gar nicht erst denken, zumal mir sofort schien, dass auch meine Haut zu jucken anfing — das ist das erste Anzeichen der Pest.

Also verschloss ich das Hauschen und ging spazieren. Ich hatte ohnehin nichts zu tun und beschloss, Fremde anzuschauen. Denn wenn hier Halflinge waren, konnte es auch andere Au?erirdische geben. Au?er Menschen sah ich aber niemanden. Es wurde dunkel und alles begann sofort aufzuleben. Bei vielen Autos und Hauschen wurden Feuer entzundet oder Herdplatten aufgestellt und Essen zubereitet. Die Leute konnten sicher

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