»Entschuldigung, das kommt nicht wieder vor«, murmelte ich und umfasste krampfhaft den Griff meines Koffers. Der Alteste nahm mir schweigend den Koffer aus der Hand, prufte das Gewicht und gab ihn mir zuruck.

»Gehen wir«, sagte der Kapitan. Alle drehten sich um und gingen zur Schleuse, bei der schon ein Kleinbus wartete.

Niemand beachtete mich. Die Turen des Busses gingen zu, kaum dass ich meinen Fu? auf die Stufen gesetzt hatte.

Der Alteste und der Arzt sa?en zusammen, Lagermeister und Navigator ebenfalls. Neben dem Kapitan war ein freier Platz, aber auf diesen legte er sehr sorgfaltig seine Mutze.

Ich ging nach hinten und setzte mich in eine freie Reihe.

Der Kapitan nahm seine Mutze und setzte sie auf.

Der Bus folgte den orangen Markierungen. Die Kljasma war ein Gutertransporter der Standardklasse, wie sie bei uns standig verkehrten. Der keramische Korper war zweihundert Meter lang und erinnerte an ein uberma?ig in die Lange gezogenes Ei. Zur Landung hatte es Stutzen ausgefahren, die im Vergleich zum Raumschiff fast unsichtbar schienen, so winzig waren sie. Es hatte den Anschein, als ob die Kljasma direkt auf dem Sand, der im Laufe der Jahre zu einer Steinkruste zusammengebacken war, auflag.

Die Ladeluke war bereits geschlossen, aber in der Ferne schwebte noch die Staubwolke der Schwerlasttransporter, die das angereicherte Erz zum Raumschiff gebracht hatten.

»Der letzte Flug in dieses Schlangennest«, sagte der Alteste, »Gott sei Dank!«

»Aber was fur eine Menge Geld«, wandte leise derjenige ein, den ich fur den Navigator hielt. Ein betagter dicker Schwarzer mit gutmutigem Gesicht.

»Richtig, der Verdienst ist gut«, stimmte der Arzt zu, »au?erdem haben wir ein gutes Modul eingestellt.«

»Das mussen wir noch uberprufen«, widersprach der Alteste sauerlich.

»Ein gutes, ein gutes«, wiederholte der Arzt, »oder denkst du, dass ich das Testen verlernt hatte?«

Beide sprachen uber mich, als ob ich ein Einkauf ware, der auf dem Rucksitz lag. Ich biss die Zahne zusammen und schwieg eisern. Das ist bestimmt ein Test. Um festzustellen, ob ich ernsthaft mit ihnen arbeiten will oder anfange zu jammern und mich zu beklagen, dachte ich.

Der Bus fuhr an die Schleuse heran, ein durchsichtiges Rohr, das sich von oben herabneigte. Zu sechst pressten wir uns mit Muhe in den kleinen Fahrstuhl. Ich wurde gegen den Kapitan gequetscht.

»Entschuldigung, Kapitan«, sagte ich.

Er schwieg. Der Alteste tippte auf meine Schulter und belehrte mich eisig: »Gestatten Sie eine Au?erung, Kapitan…«

»Gestatten Sie eine Au?erung, Kapitan«, wiederholte ich.

»Ich gestatte.«

»Wo sind denn die anderen Mitglieder des Rechenzentrums? Sind sie fruher zuruckgekommen?«

Mir wurde auf einmal ganz seltsam zumute. Ich dachte, dass sie uberhaupt keine anderen Module hatten und deshalb mein Gehirn ununterbrochen arbeiten musste.

»Sie haben das Raumschiff nicht verlassen«, antwortete der Kapitan.

Ich stellte keine weiteren Fragen.

Aus der Schleusenkammer heraus verteilten sich sofort alle entsprechend ihren Aufgaben. Die Schleusenkammer selbst war ziemlich gro?, mit Raumanzugen in verglasten Nischen und einer in den Boden eingelassenen Flugkapsel.

Der Kapitan sagte, ohne jemanden konkret anzusprechen: »Start in funfzig Minuten, Onlineregime fur alle in vierzig Minuten.«

Ich stand da, sperrte den Mund auf und verstand nur Bahnhof.

Und wohin musste ich?

Die Finger des Arztes bohrten sich in meine Schulter. »Komm mit!«

Wir nahmen den Fahrstuhl nach oben und gingen durch einen Flur. Der Arzt schwieg, er wirkte ernst und konzentriert.

»Verzeihen Sie, aber was muss ich jetzt machen?«, begann ich.

»Fur deine Arbeit musst du uberhaupt nichts wissen«, unterbrach mich der Arzt, »du bist ein ›Gehirn in der Flasche‹, kapiert? Tritt ein!«

Er stie? mich nach vorn und ich ging als Erster in einen gro?en Saal. Hier gab es einen Tisch, eine gro?e Videowand und gemutliche, tiefe Sessel. In den Sesseln sa?en Menschen — die restlichen Module. Es waren funf — drei altere, einer in den mittleren Jahren und ein Junge von vielleicht siebzehn.

»Guten Tag, Recheneinheit«, sagte der Arzt.

Alle funf fingen an sich zu bewegen. Die Alteren nickten. Der Mann mittleren Alters brummte etwas vor sich hin. Der Junge gru?te: »Hallo, Doc.«

Sie sahen uberhaupt nicht debil aus. Eher wie Leute, die vom Film auf dem Bildschirm fasziniert waren. Irgendetwas Abenteuer- und Actionma?iges, eine junge Frau bewies gerade jemandem, dass sie den Zeitsprung aushalt, da man ihr extra dafur ein Y-Chromosom implantiert hatte. So ein Unsinn, wie kann man denn ein Chromosom in jede einzelne Zelle implantieren?

»Das ist euer neuer Freund«, stellte mich der Doktor vor. »Er hei?t Tikkirej… falls das jemanden interessieren sollte.«

»Gru? dich, Tikkirej«, erwiderte der junge Mann, »ich hei?e Keol.«

Er lachelte sogar dabei.

»Hast du das Raumschiff verlassen?«, fragte der Doc.

Keol verzog sein Gesicht.

»Nein. Ich mag diesen Planeten nicht.«

»Du wolltest aber doch…«, der Arzt winkte ab, »egal. Jeder an seinen Platz! Start in vierzig Minuten.«

Sofort erhoben sich alle. Der Bildschirm wurde dunkel. Aus den Nischen kamen einige Reinigungsschildkroten und krochen uber den Boden. Ich bemerkte, dass uberall Popcorn verstreut war und Schokoladenkrumel und andere Abfalle herumlagen.

»Soll ich dem Neuen helfen?«, wollte Keol wissen.

»Ich erklare ihm alles selber. Achte auf die Alten.«

»Gut, Doc«, erwiderte Keol.

»Er ist von allen am besten erhalten«, au?erte der Arzt, ohne die Stimme zu senken. Keol reagierte nicht. Der Arzt sah mich an.

Ich schwieg und mich uberkam ein leichtes Zittern.

»Der Bus ist noch nicht weg«, meinte der Arzt, »ich habe den Fahrer gebeten, noch zwanzig Minuten zu warten. Wenn du willst, bringe ich dich zur Schleuse.«

Mein Mund war wie ausgetrocknet, aber ich bewegte muhsam die Zunge und sagte: »Nein.«

»Das war der letzte Versuch«, sagte der Arzt, »gehen wir also.«

Im Saal waren ungefahr zehn Turen, sieben davon waren breiter und wirkten massiv. Durch diese Turen gingen die Module. Der Arzt fuhrte mich zur au?eren und hie? mich die Handflache auf die Sensorplatte legen. Er erklarte: »Das ist jetzt deine Flasche.«

Der Raum erinnerte wirklich an eine liegende Flasche… Sogar Decke und Wande krummten sich entsprechend. Innen war nichts au?er einem eigenartigen Ding, das aussah wie ein Krankenbett fur einen Schwerkranken. Die Oberflache war elastisch, glanzend und flexibel. Fast in der Mitte befand sich ein Abfluss.

»Zieh dich aus«, sprach der Arzt, »alle Sachen. Die Kleidung hier rein.«

Ich entkleidete mich, packte die Sachen in den Wandschrank, der ebenfalls durch ein Sensorschloss verschlossen wurde. Legte mich schweigend auf das Bett. Es war recht weich und bequem.

»Also folgenderma?en«, begann der Arzt, »die schwierigsten Probleme fur ein arbeitendes Modul… wei?t du, welche das sind?«

»Wei? ich«, antwortete ich.

»Du kannst das Wasser nicht halten«, fuhr der Arzt fort, »dafur ist ein Bidet im Bett eingebaut, das sich automatisch einschaltet. Wenn bei dir die Darmtatigkeit gestort ist, beginnt der Shunt selbstandig Kommandos an das periphere Nervensystem zu geben. Jede Stunde massiert dich das Bett. Einmal am Tag sendet der Shunt einen

Вы читаете Das Schlangenschwert
Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату
×