„Atmosphare?“

„Achtundsiebzig Prozent Stickstoff, zwei Prozent Argon, Kohlendioxyd null, vier Prozent Methan, der Rest Sauerstoff.“

„Sechzehn Prozent Sauerstoff? Bestimmt?“

„Ganz bestimmt.“

„Radioaktivitat der Luft?“

„Praktisch null.“

Seltsam! So viel Sauerstoff! Diese Mitteilung uberraschte ihn. Er trat vor den Roboter hin, der ihm sofort die Kassette mit den Zahlenangaben vor die Nase hielt.

Vielleicht haben sie versucht, ohne Sauerstoffapparate auszukommen, dachte er abwegig, denn er wu?te, da? es nicht so gewesen sein konnte. Manchmal geschah es allerdings, da? einer der Manner, der mehr als die anderen von Heimweh gepeinigt war, entgegen dem Befehl die Maske abnahm und einer Vergiftung erlag. Aber das konnte einem, allenfalls zwei Leuten passieren.

„Haben Sie alles?“ fragte er.

„Ja.“

„Dann gehen Sie zuruck.“

„Und Sie?“

„Ich bleibe noch. Gehen Sie zuruck!“ wiederholte er ungeduldig.

Er wollte endlich allein sein. Blank hangte sich den Riemen, der die Behalter zusammenhielt, uber die Schulter, Jordan reichte dem Roboter die Sonde, und so wateten sie schwerfallig durch den tiefen Sand. Der Arctan schlurfte wie ein verkleideter Mensch hinterdrein.

Rohan ging bis zu der au?ersten Dune. Nun sah er dicht vor sich die aus dem Sand herausragende, breite Offnung des Emitors, der das schutzende Kraftfeld erzeugte. Nicht um sich von dessen Existenz zu uberzeugen, sondern ganz einfach aus kindlichem Mutwillen hob er eine Handvoll Sand auf und schleuderte sie von sich. Der Sand beschrieb einen Bogen in der Luft und rieselte dann, als ware er auf eine unsichtbare, glaserne Wolbung getroffen, senkrecht zu Boden. Es juckte Rohan buchstablich in den Fingern, so gro?e Lust hatte er, die Maske abzusetzen. Er kannte dieses Gefuhl gut: das Plastmundstuck ausspucken, die Sicherheitsgurte herunterrei?en, die ganze Brust mit Luft vollpumpen, sie tief in die Lungen saugen…

Ich werde ruhrselig, dachte er und kehrte langsam zu dem Raumschiff zuruck. Der Korb des Aufzugs stand wartend, leer, die Plattform weich in die Dune gebettet, der Wind hatte bereits in den wenigen Minuten die Metallwande des Gerustes mit einer feinen Flugsandschicht uberzogen.

Gleich im Hauptkorridor des funften Decks blickte er zum Wandinformator. Der Kommandant war in der Sternkajute.

Er fuhr hinauf.

„Kurz gesagt, ein Idyll“, fa?te der Astrogator Rohans Worte zusammen. „Keine Radioaktivitat, keinerlei Sporen, Bakterien, Pilze, Viren — nichts, nur dieser Sauerstoff.

Auf alle Falle mussen von den Proben Nahrlosungen angesetzt werden.“

„Sie sind schon im Laboratorium. Vielleicht entwickelt sich hier das Leben auf anderen Kontinenten“, bemerkte Rohan ohne Uberzeugung.

„Das bezweifle ich. Au?erhalb der Aquatorzone ist die Sonneneinstrahlung schwach. Haben Sie nicht gesehen, wie dick die Polkappen sind? Ich wette, die Eisdecke dort ist wenigstens acht, wenn nicht zehn Kilometer stark. Dann kommt schon eher der Ozean in Frage, irgendwelche Tangarten, Algen. Aber warum ist das Leben aus dem Wasser nicht aufs Land gekommen?“

„Wir werden uns dieses Wasser genauer ansehen mussen“, sagte Rohan.

„Es ist noch zu fruh, unsere Leute zu fragen. Aber der Planet scheint mir alt zu sein. So ein runzliges Ei hat gewi? einige Jahrmilliarden auf dem Buckel. Ubrigens hat auch die Sonne ihre Glanzzeit schon eine Weile hinter sich. Das ist ja fast ein roter Zwergstern. Tja, da? an Land jegliches Leben fehlt, gibt zu denken. Eine besondere Art der Entwicklung, die Trockenheit nicht vertragt. Schon, das wurde das Auftreten von Sauerstoff erklaren, aber nicht den Fall ›Kondor‹!“

„Vielleicht gibt es Lebensformen, Meereswesen, die sich im Ozean verbergen und auf seinem Grunde eine Zivilisation geschaffen haben“, mutma?te Rohan.

Beide betrachteten die gro?e Karte des Planeten in Mercatorprojektion.

Sie war ungenau, weil sie nach den Angaben automatischer Sonden im vergangenen Jahrhundert gezeichnet worden war. Auf ihr waren lediglich die Umrisse der wichtigsten Kontinente und der Ozeane eingetragen, die Bereichlinien der Polkappen und die gro?ten Krater.

In dem Netz der Langen— und Breitengrade sah man unter dem achten Grad nordlicher Breite einen rotgerahmten Punkt: ihre Landestelle. Der Astrogator schob ungeduldig das Papier auf dem Kartentisch beiseite.

„Das glauben Sie doch selbst nicht!“ fuhr er ihn an.

„Tressor ist nicht dummer gewesen als wir. Er hatte nicht vor Meereswesen kapituliert. Unsinn! Au?erdem hatten solche vernunftbegabte Wesen, wenn es sie wirklich gabe, zuallererst das Festland in Besitz genommen. Und sei es in wassergefullten Skaphandern. Reiner Unsinn“, wiederholte er, nicht weil er Rohans Konzeption fur ganz und gar unsinnig hielt, sondern weil er bereits an etwas anderes dachte.

„Wir werden eine Weile hierbleiben“, schlo? er dann und beruhrte den unteren Rand der Karte, die sich leise knisternd zusammenrollte und in einem waagerechten Fach des gro?en Kartenschranks verschwand. „Wir warten ab, dann werden wir ja sehen.“

„Und wenn nicht?“ fragte Rohan vorsichtig. „Wollen wir sie dann suchen?“

„Seien Sie doch vernunftig, Rohan! Sechs Sternjahre und so ein…“ Der Astrogator suchte nach einem passenden Wort, fand es nicht und ersetzte es durch eine verachtliche Handbewegung.

„Der Planet ist so gro? wie der Mars. Wie sollen wir sie da suchen? Das hei?t, den ›Kondor‹?“

„Nun ja, der Boden ist eisenhaltig“, gab Rohan unlustig zu. Tatsachlich wiesen die Analysen des Sandes eine betrachtliche Beimischung von Eisenoxyden auf. Die Ferroinduktionswerte waren also nicht zu gebrauchen. Rohan wu?te nicht, was er noch sagen sollte, deshalb schwieg er.

Im ubrigen war er uberzeugt, da? der Kommandant schlie?lich einen Ausweg finden wurde. Sie wurden doch nicht mit leeren Handen, ohne Ergebnis umkehren. Er betrachtete Horpachs Augenwulste mit den struppigen Brauen und wartete.

„Ehrlich gesagt, ich glaube nicht, da? diese achtundvierzig Stunden Wartezeit uns uberhaupt etwas nutzen, aber die Vorschriften verlangen es so“, sagte der Astrogator plotzlich im Ton eines Gestandnisses. „Setzen Sie sich, Rohan!

Sie stehen vor mir wie das leibhaftige Gewissen. Die Regis ist der idiotischste Ort, den man sich denken kann.

Der Gipfel der Sinnlosigkeit. Mir ist ratselhaft, weshalb der ›Kondor‹ hierhergeschickt worden ist. Aber das soll nicht unsere Sorge sein, es ist nun mal passiert.“

Horpach brach ab. Er war schlecht gelaunt, und in solchen Augenblicken wurde er meist redselig und verwikkelte den anderen leicht in ein manchmal fast vertrauliches Gesprach. Das barg immer eine gewisse Gefahr in sich, weil er es jederzeit mit einer boshaften Bemerkung beenden konnte.

„Kurz, wir mussen etwas unternehmen. So oder so. Wissen Sie was? Bringen Sie doch ein paar kleine Fotosonden auf die Aquatorumlaufbahn. Aber da? sie mir auch wirklich kreisformig und eng ist. Etwa siebzig Kilometer.“

„Das ist doch im Bereich der Ionosphare“, wandte Rohan ein „Sie vergluhen nach einigen Dutzend Umkreisungen.“

„Sollen sie doch vergluhen! Aber vorher fotografieren sie, was moglich ist. Ich wurde Ihnen sogar raten, sechzig Kilometer zu riskieren. Sie vergluhen vielleicht schon bei der zehnten Umkreisung, doch nur Aufnahmen aus dieser Hohe konnen uns etwas nutzen. Wissen Sie, wie eine Rakete aus hundert Kilometer Hohe aussieht, selbst durch das beste Teleobjektiv? Ein Stecknadelkopf ist daneben ein ganzes Bergmassiv. Lassen Sie sofort… Rohan!“

Schon an der Tur, wandte sich der Navigator um. Der Kommandant warf das Protokoll mit den Analysenergebnissen auf den Tisch.

„Was soll das hei?en? Was ist das wieder fur eine Idiotie?

Вы читаете Der Unbesiegbare
Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату
×