genetzt hatte, waren stark mit Blut befleckt. Rohan erklomm ein paar wackelige, gro?e Blocke und war nun in einer weitlaufigen, beckenahnlichen Mulde unterhalb einer kahlen Felsrippe. Das erste, was er sah, war die unnaturlich gro?e, metallene Fu?sohle eines Roboters. Er lag auf der Seite und war offensichtlich durch eine Weyr-Serie mittendurch gespalten. Etwas weiter entfernt lehnte an einem Stein in halb sitzender Stellung, fast in zwei Halften zusammengeklappt, ein Mann mit einem Helm, dessen Wolbung ru?geschwarzt war. Der Mann war tot. Der Werfer hing noch an der schlaffen Hand und beruhrte mit dem blitzenden Lauf den Boden. Rohan wagte nicht gleich, den Mann anzufassen, sondern kniete nur bei ihm nieder und versuchte, ihm ins Gesicht zu blikken, aber es war genauso von der Verwesung verunstaltet wie Benningsens Gesicht. Da entdeckte er die breite, flache Geologentasche, die uber der anscheinend geschrumpften Schulter des Mannes hing. Es war Regnar selbst, der Leiter der Expedition, — die im Krater uberfallen worden war. Die Radioaktivitatsmessungen ergaben, da? der Arctan mit einer Weyr-Ladung zertrummert worden war: der Indika tor registrierte die — charakteristischen Isotope seltener Erden.

Rohan wollte auch Regnar die Erkennungsmarke abnehmen, doch diesmal konnte er sich nicht dazu durchringen.

Er schnallte nur die Tasche ab, weil er so den Leichnam nicht zu beruhren brauchte. Aber sie war bis obenhin mit Mineralbrocken vollgestopft. Nach kurzem uberlegen brach er also mit dem Messer nur das am Leder befestigte Monogramm des Geologen ab, steckte es ein und versuchte, von einem hohen Stein aus die leblose Szene noch einmal uberuberblickend, zu begreifen, was hier eigentlich geschehen war. Es sah aus, als hatte Regnar auf den Roboter geschossen.

Hatte der vielleicht ihn oder Benningsen angegriffen?

Konnte schlie?lich ein amnesiegelahmter Mensch uberhaupt einen Angriff abwehren? Er sah, da? er des Ratsels Losung nicht finden wurde, er mu?te weitersuchen. Wieder blickte er auf die Uhr: Es war kurz vor funf. Wenn er nur auf den eigenen Sauerstoffvorrat angewiesen sein sollte, dann mu?te er sich bereits auf den Ruckweg machen. Da fiel ihm plotzlich ein, da? er doch die Sauerstoffbehalter aus Regnars Gerat ausschrauben konnte. Er hob also dem Toten den ganzen Apparat von den Schultern und stellte fest, da? ein Behalter noch voll war. Er tauschte ihn mit seinem geleerten aus und ging daran, rings um den Leichnam Steine aufzuhaufen.

Das nahm fast eine Stunde in Anspruch, aber er war der Ansicht, der Tote habe es ihm ohnehin uberreichlich dadurch gelohnt, da? er ihm seinen Sauerstoffvorrat abgetreten hatte. Als der kleine Hugel fertig war, dachte Rohan, es ware eigentlich gut gewesen, sich mit einer Waffe zu versehen, wie der gewi? noch geladene kleine Weyr-Werfer eine war. Aber wieder dachte er zu spat daran und mu?te mit leeren Handen abziehen.

Es war kurz vor sechs. Er war so mude, da? er kaum noch die Fu?e heben konnte. Er besa? noch vier Tabletten eines stimulierenden Mittels. Eine davon nahm er und stand eine Minute spater, als er spurte, da? die Krafte zuruckkehrten, vom Boden auf. Da er nicht die leiseste Ahnung hatte, wo er nun noch suchen sollte, lief er einfach geradenwegs auf das Felsentor zu. Als er noch etwa einen Kilometer davon entfernt war, warnte der Indikator vor zunehmender radioaktiver Verseuchung. Zunachst war sie noch ziemlich gering, und er schritt aus und beobachtete dabei das Gelande ringsum. Da die Schlucht viele Windungen hatte, wiesen nur manche Felsen an ihrer Oberflache Spuren des Schmelzprozesses auf. Je weiter er kam, desto haufiger traf er jene charakteristische, rissige Glasur an, bis er schlie?lich ganze, zu riesigen Blasen erstarrte Felsbrocken erblickte, deren Oberflache unter den Schlagen der thermischen Entladungen gekocht hatte. Er hatte hier eigentlich nichts mehr zu schaffen, dennoch ging er weiter. Die Me?uhr an seinem Handgelenk lie? jetzt ein leichtes, immer schnelleres Ticken horen, der Zeiger tanzte wie wild uber die Skala, sprang von einem Teilstrich zum anderen. Endlich erkannte er in der Ferne die Reste des Felsentores, die in einen muldenahnlichen Kessel gesturzt waren. Er sah aus wie ein kleiner See, dessen Wasser durch einen gewaltigen Einschlag uber die Ufer gespritzt und auf unheimliche Weise erstarrt war. Der Felssockel hatte sich in eine dicke Lavakruste verwandelt, und der einst schwarze Pelz des Metallgestrupps war nun ein einziger Asche gewordener Fetzen. Im Innern der Schlucht schimmerten zwischen den Felswanden riesige Schrunde von hellerer Farbung. Rohan machte eilends kehrt.

Und wieder kam ihm der Zufall zu Hilfe. Als er bereits an einem zweiten, bedeutend breiteren Felsentor hinter dem Kampfplatz anlangte, sah er in der Nahe, an einer Stelle, an der er schon einmal gewesen war, einen Metallgegenstand funkeln. Es war der Aluminiumreduktor eines Sauerstoffgerates.

In einem flachen Spalt zwischen dem Felsen und dem ausgetrockneten Bachbett dunkelte ein Rucken in rauchgeschwarztem Schutzanzug. Die Leiche war ohne Kopf. Der furchterliche Luftdruck hatte den Mann uber einen Steinhaufen getragen und gegen den Felsen geschmettert.

Ein wenig abseits lag unbeschadigt die Waffentasche, darin stak fest der Weyr-Werfer und blitzte, als ware er erst vor kurzem gereinigt worden. Rohan nahm ihn an sich.

Er wollte den Toten identifizieren, aber es war unmoglich.

Er marschierte weiter schluchtaufwarts. Das Licht auf dem Osthang farbte sich bereits rot und glitt wie ein flammender Vorhang immer hoher, je tiefer die Sonne hinter den Bergrucken sank. Es war ein Viertel vor sieben. Rohan stand vor einem echten Dilemma. Bisher hatte er, zumindest in gewisser Beziehung, Gluck gehabt: Er hatte seinen Auftrag erfullt, war heil davongekommen und konnte zum Raumkreuzer zuruckkehren. Da? der vierte Mann nicht mehr am Leben war, unterlag — davon war er uberzeugt — keinem Zweifel, aber das hatte man schlie?lich schon an Bord des „Unbesiegbaren“ fur sehr wahrscheinlich gehalten.

Er war hier, um sich Gewi?heit zu holen. Hatte er also das Recht umzukehren? Die Sauerstoffreserve, die er Regnars Gerat verdankte, reichte fur weitere sechs Stunden. Er hatte jedoch die ganze Nacht vor sich, in der er nichts unternehmen konnte, nicht nur wegen der Wolke, sondern allein, weil er fast vollig erschopft war. Er schluckte eine zweite Tablette und versuchte, wahrend er auf ihre Wirkung wartete, einen einigerma?en vernunftigen Plan fur das weitere Vorgehen zu entwerfen.

Der blutrote Schein der untergehenden Sonne ubergo? jetzt in immer satteren Tonen das schwarze Dickicht auf den Felsgraten hoch uber ihm, die Zacken der Straucher funkelten und schillerten in tiefem Violett.

Rohan vermochte sich noch immer nicht zu entschlie?en.

Als er so unter einem riesigen Felsblock sa?, horte er in der Ferne das volltonende Summen der heranziehenden Wolke.

Und seltsam — er erschrak nicht. Im Laufe dieses einen Tages hatte sich sein Verhaltnis zu ihr merkwurdig gewandelt.

Er wu?te, oder er glaubte zumindest zu wissen, wie weit er gehen durfte, wie ein Bergsteiger, den der Tod, der in den Gletscherwanden lauert, nicht schrecken kann. Allerdings war er sich dieser inneren Wandlung selbst nicht recht bewu?t, denn er hatte nicht in seinem Gedachtnis den Augenblick registriert, da ihm zum erstenmal, als das schwarze Gestrupp auf den Felsen in allen violetten Tonungen schillerte, dessen dustere Schonheit aufgegangen war. Aber jetzt, als er die schwarzen Wolken bereits gesichtet hatte — zwei Wolken schwarmten von den Hangen gegenuber auf und naherten sich —, ruhrte er sich uberhaupt nicht, suchte auch nicht mehr mit gegen die Steine gepre?tem Gesicht Schutz. Schlie?lich war es ganz und gar gleichgultig, was er tat, wenn nur der verborgene, kleine Apparat funktionierte.

Er tastete durch den Stoff des Schutzanzugs hindurch nach dem munzenrunden Deckel und fuhlte mit den Fingerspitzen ein zartes Vibrieren. Er wollte die Gefahr nicht herausfordern, deshalb setzte er sich nur bequemer hin, um nicht unnotig die Korperlage zu verandern. Die Wolken nahmen jetzt beide Seiten der Schlucht ein. Durch ihre schwarzen Knauel schien eine Art ordnender Strom zu flie?en, denn sie verdichteten sich an den Randern, und ihre Innenflachen wolbten sich immer mehr und strebten einander zu. Es war gerade so, als formte sie ein riesiger Bildhauer mit ungemein raschen, unsichtbaren Handgriffen. Einige kurze Entladungen durchzuckten die Luft zwischen den am engsten benachbarten Punkten der beiden Wolken. Sie schienen aufeinander zuzurasen, und doch blieb jede auf ihrer Seite, und nur ihre mittleren Knauel flatterten in heftigerem Rhythmus.

Der Lichtschein dieser Blitze war sonderbar dunkel. Beide Wolken flammten sekundenlang darin auf wie Milliarden im Flug erstarrter silbrigschwarzer Kristalle. Sobald dann die Felsen schwach und dumpf, als hatte plotzlich ein schalldampfender Stoff sie uberzogen, das Echo der Donnerschlage mehrmals zuruckgeworfen hatten, vereinigten sich beide Seiten des schwarzen Meeres bebend und bis zum letzten angespannt und flossen ineinander. Die Luft darunter verfinsterte sich, als ware die Sonne untergegangen, und zugleich tauchten unbegreifliche, jagende Linien darin auf, und Rohan begriff erst nach einer geraumen Weile, da? er das grotesk verzerrte Spiegelbild der Talsohle vor sich hatte.

Unterdessen wogten die Luftspiegel unter der Wolkendecke und dehnten sich, bis er mit einemmal eine riesenhafte, mit dem Kopf in die Finsternis hineinragende menschliche Gestalt erblickte, die ihn reglos anstarrte,

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