Sie sah sich um. »Vielleicht eine Mowe.«

Wir gingen weiter und erreichten schlie?lich das Haus. Liz streckte mir ihre Hand entgegen. »Na, denn. Danke fur das Bier und das ubernaturliche Erlebnis. Ich mache mich jetzt besser auf den Weg, bevor mir jemand im Wollgeschaft zuvorkommt.«

Ich wischte mir mit dem Handrucken den Schwei? von der Stirn. »Ich schatze, du kannst auch hier unterkommen.«

Sie schuttelte den Kopf. »Du hast schon deine eigenen Probleme, da kannst du nicht noch meine gebrauchen.«

»Ich wei? nicht, ich konnte ein wenig Gesellschaft brauchen.«

Liz zuckte mit den Schultern. »Ich bin eigentlich nicht auf der Suche nach einer Beziehung. Jedenfalls nicht im Augenblick.«

»Naturlich. Ich auch nicht. Es ware vollig ohne Verpflichtungen. Nur du und ich und Danny und der junge Mr. Billings.«

»Bitte nicht!«, sagte sie scheinbar entsetzt, um mich dann anzulacheln. »Also gut, das ware wirklich schon. Ohne Verpflichtungen. Ich kann ubrigens kochen. Wenn du die Zutaten bezahlst, kann ich gerne was kochen. Du musst mein Chili probieren.«

»Das ware mal was anderes. Seit Janie mich verlassen hat, haben wir beide uns von indischem Service- Fra? ernahrt.«

Danny kam aus dem Haus gesturmt und wirbelte einen Schneebesen durch die Luft. Entweder stellte dieser ein Motorboot mit zwei Schrauben oder ein doppellaufiges Gewehr dar.

»Danny«, sagte ich. »Was wurdest du sagen, wenn Liz bei uns wohnt? Wurde dir das was ausmachen.«

Danny blieb stehen, dachte kurz daruber nach und antwortete: »Einverstanden.«

Dann lief er weiter.

Ich nahm Liz am Ellbogen und brachte sie zuruck ins Haus. »Jetzt werden wir dir erst mal ein Zimmer suchen.«

Wir gingen nach oben. Es gab insgesamt sieben leer stehende Schlafzimmer, aber nur drei von ihnen verfugten uber ein Bett, und nur in zwei Betten lag eine Matratze. Liz lie? sich auf eine der Matratzen fallen und beschloss, das Zimmer zu nehmen, das meinem gegenuberlag. Es gab keine weiteren Mobelstucke dort, wenn man von dem billigen Nachttisch und einem schmuddelig aussehenden Sessel absah. Aber es schien ihr nichts auszumachen. Ich schatzte, dass dies hier immer noch besser war als das leer stehende Wollgeschaft.

»Wir konnen den Raum herrichten. Anstreichen, ein paar Gardinen aufhangen«, sagte ich. »Siehst du, von hier hast du einen schonen Blick auf den Bereich vor dem Haus und auf die Einfahrt.«

Sie warf ihren Turnbeutel auf das Bett. »Das ist gro?artig. Ich konnte ein paar Poster aufhangen.«

Gemeinsam kehrten wir in den Korridor zuruck. »Wei?t du, du hattest das nicht tun mussen«, sagte sie uber die Schulter zu mir. »Und wenn ich dir auf die Nerven gehe, dann sei so gut und leide nicht stumm. Sag einfach >Raus< oder >Lebwohl< oder sogar >Zieh Leine<. Das macht mir nichts aus.«

Sie redete weiter und stieg vor mir die Treppe hinunter. Als ich auf der Hohe der kleinen Tur zum Dachboden war, hatte ich das Gefuhl, ein Kratzen zu horen, so als habe sich ein schweres Tier von der anderen Seite gegen die Tur gepresst, um schnell und leise nach oben zu eilen, als es gehort hatte, dass wir naher kamen. Nach oben in die vollige Finsternis, wo es wartete und lauschte.

An der obersten Stufe zogerte ich kurz. Das Gerausch hatte bei mir einen kalten Schauder und das Gefuhl irrationaler, aber entsetzlicher Abscheu ausgelost. Es erinnerte mich an die Ratten, die ich in der Kanalisation von Islington gesehen hatte. Aber viel gro?er und - wenn das uberhaupt moglich war - viel schmutziger.

Liz blieb stehen und blickte mich an. »Stimmt was nicht?«, fragte sie. »Du machst einen grimmigen Eindruck.«

»Ich glaube, ich brauche noch was zu trinken«, sagte ich und folgte ihr nach unten in die Kuche.

4. Der Rattenfanger 

Vor dem Mittagessen gingen Liz und Danny einkaufen, um Brot, Schinken und Tomaten zu besorgen. Nachdem sie sich auf den Weg gemacht hatten, sa? ich eine Weile im riesigen leeren Salon im Sonnenschein, in dem Staubpartikel umhertanzten, und rief die Kreisverwaltung der Isle of Wight an.

»Ich habe hier eine Ratte. Vielleicht auch ein Eichhornchen. Aber es klingt eher nach einer Ratte.«

»Tja, das tut mir Leid. Schadlinge fallen nicht mehr in unsere Zustandigkeit. Sie wissen schon, wegen der Einsparungen. Sie mussen sich einen privaten Schadlingsbekampfer suchen.«

»Konnen Sie mir jemanden empfehlen?«

»In Bonchurch? Sie konnten es bei Harry Martin versuchen. Er lebt in Shanklin Old Village, das ist nicht allzu weil entfernt.«

»Sie haben nicht zufallig seine Telefonnummer?«

»Nein ... um ehrlich zu sein, glaube ich nicht, dass er uberhaupt ein Telefon besitzt.«

Liz bereitete ein Picknick aus Sandwiches mit Cheddarkase und Schinken zu, das wir auf dem Rasen unter einem hei?en, diesigen Himmel zu uns nahmen. Liz redete am meisten von uns allen. Sie war offen und direkt, und sie war wirklich witzig. Sie wollte in einer offentlichen Verwaltung arbeiten. Sie war keine Marxistin-Leninistin, andererseits war sie aber auch keine zweite Margaret Thatcher.

Sie war uberzeugt, dass sie etwas bewirken konne. »Daran glaube ich ganz fest«, sagte sie voller Begeisterung. Sie glaubte wirklich daran. In diesem Alter meint jeder, dass er etwas bewirken kann.

»Ich mochte einfach nur ein Genie sein, weiter nichts«, sagte Liz. »Ein beruhmtes Genie. Ich mochte im Fernsehen auftreten und mit einem breiten deutschen Akzent reden, wahrend ich uber den Zustand der Gesellschaft spreche.«

»Und wie ist dieser Zustand?«

Sie legte sich auf den alten braunen Vorhang, den ich ersatzweise als Picknickdecke aus dem Haus geholt hatte, und trank den kalten Frascati direkt aus der Flasche. »Der Zustand der Gesellschaft ist der, dass die Manner die Frauen wie Gottinnen verehren, bis sie sie in ihre Klauen bekommen haben. Dann nutzen sie sie aus, missbrauchen sie, schlagen sie und schmahen sie. Und je mehr die Frauen ausgenutzt,

missbraucht, geschlagen und geschmaht werden, umso mehr gefallt es ihnen.«

»Gefallt es dir?«, fragte ich sie.

»Nein, beim besten Willen nicht. Andererseits hat mich ja auch noch niemand in seine Klauen bekommen.«

»Nicht alle Manner sind ungehobelt und schlagen ihre Frauen.«

»Die, die es wert sind, leider schon. Das ist die schreckliche Ironie dabei.«

Ich setzte mich auf und sah zu Danny, der am Fischteich spielte. »Pass auf, Danny, das Wasser ist tiefer als es aussieht.«

»Du betest ihn wirklich an, nicht wahr?«, fragte Liz, wahrend sie ein Auge zukniff, um die Sonne abzuwehren.

»Naturlich.«

»Und seine Mutter liebst du nicht?«

»Aul gewisse Weise immer noch. Aber was bringt's? Sie lebt jetzt in Durham. Mit einem bartigen Kerl namens Raymond.«

Liz nickte. »Ich wei?, was du meinst. Ich kannte auch mal einen Kerl, der Raymond hie?. Er war vollig nutzlos. In der Schule gab er sein Essensgeld an die Bedurftigen, und dann ging er rum und schnorrte den anderen Leuten deren Sandwiches ab. Er hielt sich fur einen Heiligen.«

»Vielleicht warer das ja auch.«

Liz lachte. »Ein schoner Heiliger. Nachdem er von der Schule abgegangen war, wurde er auf dem Dach eines Lagerhauses in South Croydon erwischt, als er Fernseher stehlen wollte.«

Ich a? mein Sandwich zu Ende, nahm die Flasche Wein und trank einen gro?en kalten Schluck. »Ich muss

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