»Die Tur. Soll ich sie zumachen oder offen lassen?«

»Lassen Sie sie auf.«

»Es ist geschehen, nicht wahr?«, fragte Charity. »Die Unselige Dreifaltigkeit ist zum Leben erwacht?«

»Ja«, sagte ich. »Der junge Mr. Billings wollte ... na ja, irgendwie wollte er Teil von ihr sein. Aber im letzten Moment hat Detective Sergeant Miller ihn zur Seite gesto?en und seinen Platz eingenommen.«

Charity sah mich nachdenklich an. »In diesem Fall wird Detective Sergeant Miller viele seltsame Reisen machen und Orte sehen, die noch nie zuvor ein Mensch gesehen hat. In gewisser Weise sollten Sie ihn darum beneiden.«

»Ich glaube, mir gefallt es hier ganz gut. Wo ist Liz?«

»Sie hat sich in ihrem Zimmer eingeschlossen. Sie stellt fur uns noch keine Bedrohung dar. Aber bald werden ihre Krafte gro?er werden, und ihre drei Sohne werden in ihr heranwachsen. Dann werde ich nicht mehr in der Lage sein, sie zu kontrollieren. Ich kann schon jetzt kaum noch etwas bewirken.«

»Was du vorgeschlagen hast ... dass wir warten, bis sie die drei Sohne zur Welt bringt, und dann das Hexen-Wesen vernichten, das sie verlasst... mussen wir das machen?«

»Nur so kann das Hexen-Wesen daran gehindert werden, eine Frau nach der anderen zu ubernehmen, bis sie Vanessa Charles ubernimmt. Nur so konnen wir die Zukunft verhindern, die Sie gesehen haben.«

»Es gibt keine andere Moglichkeit?«

»Jedenfalls keine, die wirklich sicherstellt, dass es nie wieder geschehen wird.«

Einen Moment lang sa? ich schweigend da und dachte nach.

»Warum?«, fragte Charity. »Haben Sie Bedenken deswegen?«

»Bedenken?« Ich hatte immer noch Schwierigkeiten, die erwachsene Art und Weise zu akzeptieren, in der sie sprach. »Ja, die habe ich. Ich habe gesehen, was mit Vanessa Charles geschah. Sie war gewaltig und fett und alle diese Dinge bewegten sich in ihr hin und her, bis sie von ihnen schlie?lich in Stucke gerissen wurde.«

»Und?«, sagte Charity mit ausdruckslosen Augen.

»Nun ... meine Bedenken sind, dass ich Liz das nicht erleiden lassen mochte. Ich mochte nicht, dass Liz in Stucke gerissen wird.«

Charity schwieg lange, dann sagte sie: »Sie kennen das Risiko, das Sie eingehen, wenn Sie dieses Hexen- Wesen nicht vernichten. Sie wissen, dass die Alten so lange in der Lage sein werden, zuruckzukehren, wie noch ein Hexen-Wesen existiert.«

»Ich habe das Ding mit meinen eigenen Augen gesehen, ja. Yog-Sothoth. Aber wenn die Welt wirklich so vor die Hunde geht, dass die Luft uns ersticken wird und dass die Meere voller Chemikalien sind, dann verdienen wir das vielleicht.«

»Interessiert es Sie, was mit Liz geschieht?«

»Naturlich interessiert es mich. Ich mag sie. Ich mochte sie jedenfalls. Ich glaube, ich hatte sie sogar lieben konnen.«

»Dann gibt es naturlich einen anderen Weg«, sagte Charity. »Sie konnen an den Moment zuruckkehren, an dem sie zum ersten Mal herkam, und den Dingen einen anderen Lauf geben.«

»Und wie anders?«

»So anders, wie Sie es wollen. Es liegt in Ihrer Hand. Aber wenn sie nicht hier bleibt und so nicht von dem Hexen-Wesen ubernommen werden kann, das Kezia in seiner Gewalt hatte, und wenn Sie sie nicht mit der Unseligen Dreifaltigkeit von Yog-Sothoth befruchten, dann wird sie auch dann gerettet, wenn das Hexen-Wesen uberlebt.«

»Konnen wir nicht dieses Haus niederbrennen? Wenn die Hexe im Haus steckt und wir brennen es nieder ...«

»Sie uberlebt dennoch, in der Asche, in der Erde. Man kann sie nur zerstoren, wenn sie ihre drei Sohne zur Welt bringt. In diesem Moment hat sie ihre ganze Kraft den Kindern gegeben und ist schwach.«

»Und wie zerstort man sie?«, fragte ich. »Mit irgendeinem Zauberspruch? «

Charity lachelte und schuttelte den Kopf. »Nein ... Man gestattet ihr, von einem Besitz zu ergreifen. Dann ...«, sie machte eine Handbewegung, als wurde sie sich die Kehle durchschneiden. »Man stirbt und nimmt das Hexen-Wesen mit sich in den Tod.«

Ich starrte sie an. »Das hast du vor? Du willst dich umbringen?«

»Es geht nicht anders.«

»Dann vergiss es. Ich werde nicht zusehen, wie Liz in Stucke gerissen wird und du dich umbringst. Keine Chance. Vergiss es einfach.«

»Ich bin dazu bereit«, versicherte Charity.

»Du vielleicht, aber ich nicht.«

»Sind Sie sicher?«

»Ja, ich bin sicher.«

»In diesem Fall«, sagte sie, »mussen wir den anderen Weg versuchen.«

Sie fuhrte Danny und mich in den Garten, uber den Rasen und uber den Bach. Wir kletterten uber die Friedhofsmauer und gingen zwischen den Grabsteinen umher. »Gerald Williams, Im Alter von sieben Jahren von Gott zu sich berufen, 7. November 1886<. Ich konnte kaum hinsehen. Gerald Williams war in die Zukunft gebracht, geschlachtet und gerostet worden - ein unschuldiges Opfer fur einen bosartigen Gott. >Susanna Gosling, sie ruht in Friedens Wir zwangten uns durch die Tur ins Innere der Kapelle.

Unter unseren Schuhen zerbrachen die zertrummerten Dachziegel in noch kleinere Stucke. Ich sah mich um. Das Wandgemalde von Kezia Mason grinste mich immer noch an, doch auf das kommende Blutbad gab es noch keinen Hinweis. Der Himmel war strahlend blau, Schmetterlinge flatterten durch das glaslose Fenster.

»Sehen Sie«, sagte Charity, die auf die Fensterbank geklettert war und auf den Garten zeigte.

Ich folgte ihr und sah hinaus. Das Gras war ordentlich gemaht, Geranien bluhten in kreisrunden Beeten. Von den Grabsteinen war nichts zu sehen. »Es ist Morgen«, sagte ich irritiert.

Danny kam zu mir. »Sieh doch, Daddy«, sagte er und zeigte aufs Meer. »Da ist wieder das Fischerboot.«

In diesem Moment sah ich jemanden aus der Kuchentur des Fortyfoot House kommen und selbstsicher und ruhig uber die sonnenbeschienene Veranda gehen. Es war ein Mann in einem schwarzen Frack, er trug einen hohen schwarzen Hut. Wahrend er ging, hielt er seine Revers fest und blickte nach rechts und links, als wolle er etwas inspizieren.

Er erreichte die Mitte des Rasens und blieb stehen, die Hande auf dem Rucken verschrankt, und er genoss offensichtlich die leichte Brise, die von der See heruberwehte.

»Hey, Sie da!«, schrie ich. »Ja, Sie da, auf dem. Rasen!«

Der Mann wandte sich um und blickte zur Kapelle. Sein Gesicht hatte einen dusteren, missbilligenden Ausdruck. Er zogerte einen Moment lang, als uberlege er, ob er zur Kapelle und damit zu uns kommen solle, doch dann drehte er sich um und ging zugig zuruck zum Haus.

»Hey«, rief ich ihm nach. »Hey, bleiben Sie stehen!«

Der Mann nahm aber keinerlei Notiz von mir und ging mit weit ausholenden Schritten in Richtung Haus weiter.

»Komm, Danny!«, sagte ich. »Wir mussen ihn einholen.«

Bauz! Da geht die Ture auf, Und herein in schnellem. Lauf, Springt der Schneider in die Stub?, Zu dem Daumen-Lutscher-Bub.

Wir stiegen von dem Gerollhaufen hinab und zwangten uns durch die Tur. Als wir drau?en waren, stellte ich erstaunt fest, dass der Friedhof wieder uberwuchert war. Und die Grabsteine standen so wie zuvor dort - umgesturzt, vernachlassigt. Aber sie waren da, sie waren real. Wir eilten den Abhang hinab, balancierten wieder uber den kleinen Strom, dann liefen wir nach Luft ringend uber den Rasen in Richtung Veranda. Wahrend wir uns dem Haus naherten, sah ich, dass die Kuchentur einen Spaltbreit offen stand. Ich wusste ganz sicher, dass ich sie geschlossen hatte, als wir aus dem Haus gegangen waren.

Ich bedeutete Danny, hinter mir zu bleiben, wahrend ich mich langsam der Kuchentur naherte und

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