»Wie lange hast du das schon?«fragte er.

»Seit Makiem«, erwiderte sie selbstzufrieden.

Lager 43, Gedemondas

Die Pfade waren nicht unpraktisch. Man wu?te, da? die Gedemondas gro?e Wesen waren, und durch die standige, wenn auch begrenzte Benutzung durch die Dillianer waren die Pfade noch starker ausgetreten: auf fast zwei Meter Breite.

Es war eine seltsame Gruppe, die aus der kalten Hutte in den Schnee hinausstapfte: Tael, die Fuhrerin aus Dillia, ging voran; dann kamen die beiden Lata, gelegentlich gehend, aber ofter auf Taels Rucken sitzend; dann Renard, der den geflugelten Pegasus fuhrte, wahrend Mavra Tschang auf Doma zwischen Hals und Flugeln festgebunden war.

Die Luft wurde kalt, und sie sprachen nicht viel miteinander, denn der Wind pfiff und heulte so durch die Felsenklufte, da? man sich nur schreiend hatte verstandigen konnen.

Nur wenn sie rasteten, meist um Renards willen, konnten sie miteinander sprechen. Die Ebene lag weit hinter ihnen. Au?er Tael fand sich niemand mehr zurecht, und der Schnee reflektierte die grelle Sonne, so da? selbst mit den Schutzbrillen die Entfernungen schwer abzuschatzen waren.

Der Weg schien sich im Schnee oft zu verlieren, aber Tael fuhrte sie, als ginge sie auf einer geteerten, beschilderten Stra?e.

Nachdem sie fast einen ganzen Tag hinaufgestiegen waren, bogen sie wieder um eine Felsnase und sahen plotzlich unter sich die Ebene.

»Wartet!«rief Mavra.»Schaut! Da sind sie!«

Sie blieben stehen und sahen sofort, was sie meinte. Winzige orangerote Flecken schienen uberall in der Luft zu schweben, und man konnte gro?e Scharen von Wesen Zelte errichten und Graben ziehen sehen. Die Hutte war nicht sichtbar, aber sie wu?ten, da? man sie, wenn sie entdeckt worden war, in eine Festung verwandeln wurde.

»Seht euch das an«, sagte Tael staunend.»Das mussen Tausende sein.«

»Die Yaxa«, meinte Vistaru tonlos.»Sie werden kaum einen Tag hinter uns heraufkommen. Das ist nicht gut.«

Tael lachte zuversichtlich.

»Sollen sie versuchen, den Pfad zu finden. Ohne Fuhrer haben sie keine Aussicht.«

Mavra schaute zum Himmel hinauf. Es gab dunne, kleine Wolken, gelegentlich einen Kumulusflausch, aber sonst war es kristallklar.

»Sie werden unseren Spuren folgen«, sagte sie.»Es gibt keinen Schnee, der die Fahrte zudecken wurde. Sie brauchen sich nicht anzustrengen.«

»Wir konnten eine falsche Spur legen«, meinte Tael.»Eine, die in den Abgrund fuhrt. Das ware nicht schwer, und den Pulverschnee hier konnten wir auf ein paar hundert Meter glatten.«

Mavra uberlegte.

»Gut«, sagte sie.»Aber viel wird das nicht nutzen. Immerhin besser als nichts.«

Die Zentaurin ging im Schnee zu einer geeigneten Stelle hinaus und blieb stehen. Renard zog seine kleinen Schneeschuhe aus und folgte in ihren Spuren, dann lenkte er ihre Fu?e, als sie ruckwarts lief.

»Ein bi?chen zu tief«, sagte Mavra.»Ein erfahrener Spaher wurde das bemerken, aber es konnte klappen. Fallt der Schnee dort ab oder sehe ich ihn einfach nicht?«

Tael lachte.

»Das ist das Rand des Makorn-Gletschers, wie wir ihn nennen. Ein Flu? aus Eis, der sich langsam bewegt, bedeckt mit Schnee. Es gibt dort einen Spalt, der mindestens dreihundert Meter tief und zehn Meter breit ist. Ich konnte ihn beinahe spuren.«

Die kleine Lata ging, als sie die nachste Biegung hinter sich hatten, mit Taels Pelzmutze zuruck und fullte damit die Spuren auf.

Sie drangen tiefer in das Hexagon ein und kamen immer weiter hinauf, mu?ten immer ofter rasten, weil die Luft merklich dunner wurde.

»Noch immer nichts von den Gedemondas zu sehen«, sagte Mavra einmal.»Wenn sie so gro? sind, mu? es aber sehr wenige von ihnen geben, nachdem sie so unsichtbar bleiben.«

»Wer wei?, wie viele es gibt?«erklarte Tael.»Manchmal scheinen hundert von ihnen herumzuschleichen, manchmal kommt man durch das ganze Hexagon, ohne einen zu sehen. Das ist hier aber nicht das Problem.«

»Sondern?«

»Wir werden beobachtet. Ich spure es. Ich wei? nicht, wo sie sind, aber es sind gewi? mehrere. Ich konnte ganz schwach Atemzuge horen.«

Sie schauten sich nervos um, doch niemand konnte etwas erkennen.

»Wo?«fragte Renard.

»Ich wei? es nicht. Man tauscht sich hier so leicht. Aber ganz in der Nahe. Sie haben ein Netz von Pfaden, das zu benutzen sie uns, ah, verleiden.«

Mavra lauschte angestrengt in das Heulen des Windes, konnte aber nichts horen. Ihr war eiskalt, vor allem ihr Gesicht und ihre Ohren schienen ihr bald abfallen zu wollen. Trotzdem beklagte sie sich nicht, weil es den anderen nicht besser ging.

»Gehen wir weiter«, sagte Hosuru schlie?lich.»Wenn sie uns verfolgen, werden sie entweder etwas unternehmen oder nicht. Wir mussen aber aufpassen.«

Sie kampften sich weiter.

Schon vor Sonnenuntergang erreichten sie Lager 43, aber Tael bestand darauf, bereits hier zu lagern.

»Das nachste Lager erreichen wir auf keinen Fall, bevor es dunkel wird, und das ware zu gefahrlich.«

»Hoffentlich denken die Yaxa genauso«, sagte Renard.

»Hoffentlich nicht«, widersprach Mavra.»Das kostet dann viel mehr von ihnen das Leben. Vistaru? Hosuru? Ihr seid Nachtwesen, wollt ihr es in der Dunkelheit versuchen?«

Vistaru schuttelte den Kopf.

»Nicht im Dunkeln, nicht bei Tag, uberhaupt nicht ohne eine Fuhrerin, die sich auskennt«, sagte sie.

Die primitive Hutte war fur zwei Dillianer erbaut; fur Tael und Doma waren die Boxen sehr praktisch, und die anderen zwangten sich hinein, so gut sie konnten. Man konnte dann kaum die Tur schlie?en, und der alte eiserne Ofen war so nah, da? man sich zwischen Verbrennen oder Erfrieren entscheiden mu?te. Aber sie kamen zurecht.

Es war ein muhevoller Tag gewesen; sie waren alle todmude, halb schneeblind und erschopft. Als das Feuer niederbrannte, schliefen sie.

* * *

Irgend etwas stimmte nicht. Es storte sie im Schlaf, und ihre Gedanken befa?ten sich damit, versuchten Klarheit zu finden und stie?en immer mehr auf Bedrohliches.

Mavra erwachte und blieb regungslos im Dunkeln liegen. Sie schaute sich um. Alle waren da. Nicht nur Tael und Renard schnarchten, auch Doma tat es ihnen nach.

Der Pegasus wurde plotzlich wach, schnob und schuttelte den Kopf. Mavra schaute sich noch einmal um.

Da war es. Ein Gerausch, ein Knirschen, das immer naher kam.

Jemand stieg ruhig und gleichma?ig den Weg herauf, trotz Nacht und Schnee.

Es war ein lautes Knirschen. Das Wesen schien sehr gro? zu sein.

Dann wurde es still. Was immer hier heraufgekommen war, es stand vor der Tur. Mavra wollte rufen, die anderen warnen, aber aus irgendeinem Grund schien sie es nicht zu konnen. Selbst Doma wirkte plotzlich ruhig, aber erwartungsvoll. Mavra fuhlte sich an die Macht des olbornischen Priesters uber sie erinnert, aber so war das nicht. Es war — etwas anderes. Es war etwas Sonderbares, ganz Neues.

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