In einem telepathischen Gespräch fehlt jede Intonation. Und trotzdem… trotzdem witterte ich einen Hauch von Müdigkeit in Gesers Worten.
Ich verstummte, weil ich begriff: Geser wusste bereits Bescheid. Er hatte alles, was passiert war, angesehen und angehört - ob mit meinen Augen und meinen Ohren oder mit sonstigen magischen Methoden, was spielte das für eine Rolle.
Lass stand vor mir und fuchtelte mit der Hand vor meinem Gesicht herum.
»Oh! Er lebt noch!«, freute er sich. »Was ist das für eine Wache? Und soll das heißen, dass ich jetzt auch ein Magier bin? »
»Fast.«Ich machte einen Schritt nach vorn.
Hier hatte Kostja gestanden… er war hingefallen… hatte die Arme ausgebreitet… das Portal war entstanden… Die Menschenwelt war leer.
Wind ging, die zerknüllte Zellophanhülle einer Zigarettenschachtel raschelte über den Beton… Das
Die graue Finsternis, die steinernen Klötze anstelle des elastischen, wabernden Geflechts aus blauem Moos… Die zweite Schicht des
Der schwere schieferfarbene Nebel… das gespenstische tote Licht unter schweren Wolken… ein winziger blauer Funken, wo das Portal gewesen war… Ich streckte die Hand aus -in der Menschenwelt, in der ersten Schicht des
Halt! Erlisch nicht! Hier bekommst du es mit einer Kraft, mit einer wütenden Energie zu tun, die die Grenzen zwischen den Welten aufhebt. Von meinen Fingern regneten brennende Tropfen. Herab auf die verlöschende Glut…
Wachse, öffne dich, kriech unter die heiße Sonne, denn du musst noch arbeiten! Ich nahm die Spur desjenigen wahr, der das Portal geöffnet hatte. Sah, wie er es gemacht hatte. Konnte seinen Weg nachgehen.
Und ich brauchte dazu nicht einmal mehr Zauber, nicht all diese komischen Formeln in unverständlichen alten Sprachen. Auf die auch die Hexe Arina nicht angewiesen ist, wenn sie ihren Kräutertrunk braut. Auf die auch Geser und Swetlana nicht angewiesen sind. Ist es das, was einen Hohen Magier ausmacht?
Dass er keine Schemata mehr lernen muss, sondern die Bewegung der Kraft spürt? Wie erstaunlich - und wie einfach.
Dabei sind noch nicht mal die Möglichkeiten das Erstaunlichste, nicht die beeindruckende Kraft des Fireballs oder die Stärke des»Freeze«. Denn mit abgezapfter fremder Kraft oder mit kunstvoll angesammelter eigener kann selbst ein gewöhnlicher Magier so loslegen, dass er einen Hohen Mores lehrt. Nein, alles steht und fällt mit der Freiheit. Ein Unterschied wie zwischen einem Schwimmer - und möge er noch so begabt sein - und einem Delphin - selbst wenn dieser extrem träge ist.
Wie schwer muss es für Swetlana gewesen sein, mit mir zusammenzuleben, ihre Kraft zu vergessen, ihre Freiheit zu vergessen? Das lässt sich nicht mit dem Unterschied zwischen stark und schwach vergleichen, sondern nur mit dem zwischen einem Gesunden und einem Invaliden…
Aber die gewöhnlichen Menschen leben doch auch, oder? Zusammen mit Blinden und Lahmen. Denn das Wichtigste ist eben nicht die Freiheit. Freiheit - das ist eine Rechtfertigung für Arschlöcher und Idioten. Wenn die von Freiheit sprechen, denken sie nicht an die Freiheit der andern, sondern an die eigene Sklaverei.
Und selbst Kostja - der kein Idiot und kein Arschloch ist - hängt an jenem Haken, an dem sich schon die Revolutionäre aller Couleur die Lippen aufgerissen haben - von Spartakus bis Trotzki, vom Bürger Robespierre bis zum Commandante Che Guevara, von Jemelka Pugatschow bis zum namenlosen Selbstmordattentäter.
Wäre ich selbst nicht auch daran hängen geblieben? Noch vor fünf oder zehn Jahren?
Wenn man mir gesagt hätte: »Man kann alles auf einen Schlag ändern - und zwar zum Guten!«Aber das hat zum Glück keiner.
So bin ich noch einmal davongekommen, zusammen mit denjenigen, die mir etwas bedeuten. Die bei den Worten»Freiheit und Gleichheit«immer voller Zweifel den Kopf schütteln.
Vor mir öffnete sich das Portal: ein hellblaues Prisma, leuchtende Schnüre als Rippen, eine glimmernde Hülle als Grenze…
Ich schob die Schnüre mit den Händen auseinander und trat ins Portal.
Sieben
Was an Portalen nicht gut ist: Man hat keine Möglichkeit, sich auf den neuen Ort einzustellen. Ein Zug ist in dieser Hinsicht ideal. Du betrittst dein Abteil, wechselst die Jeans gegen Trainingshosen und die Schuhe gegen Gummilatschen, entspannst dich bei Speis und Trank und kommst - falls du das Pech hast, allein zu fahren - mit deinen Mitreisenden ins Gespräch. Die Räder rattern, der Bahnsteig entschwindet. Das war's, du bist unterwegs. Du bist ein andrer Mensch. Du teilst deine geheimsten Sorgen mit Unbekannten, streitest über Politik, obwohl du dir gelobt hast, nie über sie zu streiten, trinkst fragwürdigen, auf einem kleinen Bahnhof erworbenen Wodka. Du bist nicht hier und nicht da. Du bist unterwegs. Unternimmst deine eigene kleine
Bei einem Flugzeug sieht die Sache schon anders aus. Trotzdem bereitest du dich auch hier auf deine Reise