»Ich habe doch nichts verbrochen. Was will man mir anhangen?«

»Spater«, sagte Quellen.

»Ich habe auch meine Rechte. Ich will einen Anwalt …«

»Spater. Jetzt gehen Sie.«

Sie stiegen auf eine Flugrampe. Mortensen knurrte vor sich hin, aber er leistete keinen Widerstand. Er war ein gro?er Mann, gro?er als Quellen. Aber er sah nicht sonderlich kraftig aus. Quellen hielt seine Spritze bereit. Seine ganze Zukunft hing vom erfolgreichen Ablauf seines Planes ab.

Die Schnellbootrampe brachte sie zu Quellens Apartment.

Mortensen sah verwirrt aus. Als sie ausstiegen, brummte er: »Das sieht mir aber nicht nach Kriminalsekretariat aus.«

»Die Rampe nach unten, wenn ich bitten darf«, sagte Quellen.

»Was soll denn das? Eine Entfuhrung?«

»Ich zeige Ihnen meinen Ausweis, wenn Sie mir nicht glauben. Ich gehore tatsachlich dem Kriminalsekretariat an. Mein Rang ist der eines Kriminalsekretars. Hier hinein.«

Sie betraten Quellens Apartment, Mortensen sah Quellen unglaubig an.

»Das ist ja eine Privatwohnung.«

»Richtig. Die meine.«

»Glauben Sie etwa, ich ware homosexuell veranlagt?«

»Um Himmels willen, nein«, erwiderte Quellen scharf. »Mortensen, haben Sie vor, in der ersten Maiwoche den Sprung in die Vergangenheit zu wagen?«

Mortensen fuhr auf. »Was geht Sie das an?«

»Eine ganze Menge. Stimmt es?«

»Ich sage nichts.«

Quellen seufzte. »Sie sind als Zeitreisender registriert. Wissen Sie das? Eine genaue Aufzeichnung Ihres Namens, Geburtsdatums und des Tages, an dem Sie in der Vergangenheit ankamen. Auf der Liste steht der vierte Mai als Ankunftstag. Wollen Sie jetzt noch leugnen?«

»Ich sage nichts. Ich mochte einen Anwalt. Ich habe Ihnen doch nichts getan! Was geht Sie mein Privatleben an?«

»Das kann ich jetzt nicht erklaren«, sagte Quellen. »Zufallig sind Sie das ungluckliche Opfer einer Situation, die wir nicht mehr fest in der Hand haben. Mortensen, ich schicke Sie jetzt auf eine Reise. Sie werden Ferien machen. Ich kann nicht sagen, wie lange, aber Sie werden es bequem haben. Sie werden genug zu essen finden. Bedienen Sie sich einfach. Und lassen Sie sich versichern, da? ich fur Ihr Wohl sorgen werde. Ich stehe auf Ihrer Seite. Ich habe Mitleid mit Ihnen. Aber ich mu? zuerst mich in Sicherheit bringen.«

Der verwirrte Mortensen hob die Hand, als wolle er auf Quellen losgehen. Quellen trat einen Schritt nach vorne und jagte die Nadel in Mortensens Haut. Die Narkose wirkte sofort, und Mortensen brach zusammen. Er wurde mehr als eine Stunde ohne Bewu?tsein bleiben, und das genugte vollauf.

Quellen schaltete das Stati-Feld ein und legte Mortensen hinein. Der blonde Mann verschwand. Er wurde im afrikanischen Heim des Kriminalsekretars aufwachen. Zweifellos wurde er verwirrt sein, aber Quellen hatte ihm nichts erklaren konnen.

Einen Augenblick spater schaltete er den Stati-Mechanismus ab. Er wollte verhindern, da? Mortensen von selbst zuruckkehrte.

Quellen fuhlte sich schwindlig.

Den Koder hatte er. Jetzt mu?te nur noch der Fisch anbei?en. Ob ich damit wirklich durchkomme, fragte er sich. Ob ich die Hohe Regierung erpressen kann? Oder habe ich mich da auf ein Wahnsinnsunternehmen eingelassen?

Er wurde es bald herausfinden. Inzwischen hatte er eine Geisel — Mortensen. Eine Geisel gegen den Zorn der Hohen Regierung.

Es blieb nur noch eine Hurde: ein Interview mit Peter Kloofman personlich. Ob sich das machen lie?? Ein Klasse-Sieben-Schreiber wollte zu Kloofman vorgelassen werden.

Er wird mich empfangen, dachte Quellen. Wenn er erfahrt, da? ich Donald Mortensen entfuhrt habe …

15

David Giacomin, der selbst Mortensen ein wenig uberwacht hatte, merkte als erster, da? etwas nicht stimmte. Ein blinkendes rotes Licht kundigte ihm an, da? Mortensen aus dem Bereich der Appalachia-Televektoren verschwunden war.

Giacomin war verwirrt. Mortensen wollte am vierten Mai den Sprung wagen. Und der vierte Mai war noch ein paar Wochen entfernt. Oder war es moglich, da? er den Weg in die Vergangenheit schon fruher gemacht hatte?

Moglich war es schon, uberlegte Giacomin. Aber dann war die Vergangenheit geandert worden — oder man hatte sich bei der Aufzeichnung getauscht. Giacomin leitete eine Untersuchung uber Mortensens Verschwinden ein. Der ganze Regierungsapparat wurde mobil gemacht. Kloofman hatte Giacomin personlich darauf aufmerksam gemacht, da? Mortensen nichts zusto?en durfte. Und nun schien es, als sei tatsachlich etwas geschehen. Mit Schwei? auf der Stirn uberlegte Giacomin, da? er Mortensen wieder herbeischaffen mu?te, bevor Kloofman etwas merkte.

Und kurze Zeit spater erfuhr Giacomin, da? er Kloofman doch Bescheid sagen mu?te.

Von Koll aus dem Kriminalsekretariat kam ein Anruf durch. Sein kleines Rattengesicht war gerotet, und er wirkte vollig aufgelost.

»Ich habe hier einen Mann, der unbedingt ein Interview mit Kloofman will«, sagte Koll. »Klasse Sieben — nein, Klasse Sechs seit neuestem. Er kommt aus meiner Abteilung.«

»Er ist verruckt. Kloofman wurde ihn nicht empfangen, das wissen Sie ganz genau. Weshalb belastigen Sie mich uberhaupt mit solchen Dingen?«

»Er behauptet, er hatte Mortensen entfuhrt, und er wolle daruber mit jemandem aus Klasse Eins sprechen.«

Giacomin versteifte sich. Seine Hande begannen zu zittern, und es kostete ihn gro?e Anstrengung, sich wieder zu beruhigen. »Wer ist dieser Wahnsinnige?«

»Quellen. Er ist Kriminalsekretar. Er …«

»Ja, ich kenne ihn. Wann brachte er seine Forderung vor?«

»Vor zehn Minuten. Zuerst versuchte er Kloofman direkt anzurufen, aber er kam nicht durch. Jetzt macht er es auf dem Amtsweg. Er wandte sich an mich, und ich wende mich an Sie. Was sollte ich sonst tun?«

»Schon gut«, sagte Giacomin starr. Er uberlegte schon, was er diesem Kerl antun konnte. Aber Quellen hatte Mortensen in seiner Gewalt oder behauptete es zumindest. Und Kloofman wurde fast allergisch, wenn man den Namen Mortensen aussprach.

Aus war der Plan, dem Bo? nichts von Mortensens Verschwinden zu erzahlen. Er konnte das Interview nicht verhindern. Vielleicht hinauszogern, aber Quellen wurde sich durchsetzen.

»Nun?« fragte Koll. Seine Nasenflugel bebten. »Kann ich die Bitte offiziell an Ihre Abteilung geben?«

»Ja«, sagte Giacomin. »Ich nehme sie Ihnen ab. Geben Sie mir diesen Quellen.«

Ein Augenblick verging, und dann erschien Quellen auf dem Bildschirm. Eigentlich wirkte er ganz normal, dachte Giacomin. Ein wenig erschreckt uber seine eigene Kuhnheit, aber doch normal. Zumindest so normal wie Koll.

Er war entschlossen. Er wollte Kloofman sprechen. Ja, er hatte Mortensen entfuhrt. Nein, er wurde nichts uber den Aufenthalt des Mannes verraten. Jeder Versuch, den Entfuhrten aufzuspuren, wurde dessen sofortigen Tod zur Folge haben.

War es ein Bluff? Giacomin wagte es nicht, das Risiko einzugehen. Er sah Quellen mit ruhiger Verwunderung an und meinte: »Schon. Sie bleiben Sieger, Sie Wahnsinniger. Ich gebe Ihre Bitte um Audienz an Kloofman weiter. Mal sehen, was er dazu sagt.«

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