»Ah, die Kinderpflegerin. Eine tolle Frau, wirklich hinrei?end. Lernte sie vor einigen Tagen beim Gouverneur kennen.« Freddy Caldwell sah auf die Verbindungstur zu Kittys Zimmer, die nur angelehnt war, und hob fragend die Augenbrauen.

»Geben Sie Ihre dreckige Phantasie in die Reinigung«, sagte Mark. »Ich kenne sie seit funfundzwanzig Jahren.«

»Aha, die Liebe wird also immer gro?er.«

»Stimmt. Und daher bekommt Ihr Besuch jetzt gesellschaftlichen Charakter — also verschwinden Sie gefalligst.«

Caldwell lachelte, setzte sein Glas ab und klemmte sich sein Stockchen unter den Arm.

»Freddy Caldwell«, sagte Mark, »ich mochte Sie gern einmal sehen, wenn dieses Lacheln aus Ihrem Gesicht weggewischt ist.«

»Wovon in drei Teufels Namen reden Sie eigentlich?«

»Wir befinden uns im Jahre 1946, Major. Ein Haufen Leute haben im letzten Krieg die Schlagworte gelesen, um die es in diesem Kampf gehe, und haben daran geglaubt. Eure Uhr geht nach. Ihr werdet den kurzeren ziehen, uberall — zuerst in Indien, dann in Afrika, und dann im Nahen Osten. Ich werde zur Stelle sein, um zuzusehen, wie ihr das Mandat in Palastina verliert. Und man wird euch sogar auch aus Suez und Jordanien hinauswerfen. Die Sonne sinkt uber dem Empire, Freddy, was wird Ihre Frau blo? anfangen, wenn sie keine vierzig schwarzen Boys mehr hat, denen sie mit der Peitsche befehlen kann?«

»Ich habe Ihre Berichte uber den Nurnberger Proze? gelesen, Parker. Sie haben diese schreckliche amerikanische Tendenz, die Dinge zu dramatisieren. Au?erdem, alter Knabe, habe ich gar keine Frau.«

»Ihr seid hofliche Burschen.«

»Sie sind also hier im Urlaub, Parker, vergessen Sie das nicht. Ich werde Brigadier Sutherland Ihre Gru?e ubermitteln. Cheerio.«

Mark lachelte und zog die Schultern hoch. Und dann fiel es ihm wieder ein — Welcome to Cyprus. Das Shakespeare-Zitat hie? vollstandig: »Willkommen hier in Zypern — Ziegen und Affen!«

II.

Wahrend Mark Parker darauf wartete, Kitty Fremont nach langer Zeit endlich wiederzusehen, warteten in einem anderen Teil von Zypern zwei Manner auf ein sehr andersgeartetes Wiedersehen. Sie warteten in einem Wald, vierzig Meilen von Kyrenia entfernt, nordlich von Famagusta.

Der Himmel war wolkig verhangen, und es leuchtete kein Stern. Die beiden Manner standen schweigend und starrten durch die Dunkelheit hinunter zum Strand der Bucht.

Sie standen in einem unbewohnten, verfallenen wei?en Haus, oben auf dem Hugel, inmitten eines Waldes von Pinien, Eukalyptusbaumen und Akazien. Nichts war zu sehen oder zu horen, es war dunkel und still, bis auf einen gelegentlichen Windhauch und den leisen, unregelma?igen Atem der beiden Manner.

Der eine war ein griechischer Zyprer, ein Waldaufseher; er war nervos.

Der andere schien so unbewegt wie eine Statue, und sein Blick war bestandig auf das Wasser gerichtet. Er hie? David ben Ami, und dieser Name bedeutete: David, Sohn Meines Volkes.

Die Wolken begannen aufzurei?en. Ein schwaches Licht fiel auf das stille Wasser der Bucht und den Wald, auf das wei?e Haus und das Gesicht von David ben Ami, der am Fenster stand. Er war klein, von schlanker und zarter Figur, ein Mann Anfang der Zwanziger. Selbst in diesem schwachen Licht lie? das schmale, sensible Gesicht mit den tiefliegenden Augen den Geistesarbeiter erkennen, den Intellektuellen.

Das Gewolk verzog sich und der Lichtschein lief uber die Trummer marmorner Saulen und Statuen hin, die rings um das wei?e Haus in weitem Umkreis den Boden bedeckten.

Trummer. Die verganglichen Uberreste von Salamis, der einstmals beruhmten Stadt, die um die Zeitenwende in hoher Blute gestanden hatte. Salamis, in grauer Vorzeit von Teuker, dem Kriegshelden, gegrundet, als er aus dem Trojanischen Krieg heimkehrte. Salamis, das durch ein Erdbeben zerstort wurde und sich von neuem erhob, um ein zweites Mal dem Ansturm der Araber unter dem Banner des Islams zu erliegen und sich danach nie wieder zu erheben. Das Licht schimmerte auf den Trummern Tausender von Saulen, die das weite Gebiet bedeckten, auf dem sich einstmals ein griechisches Forum erhoben hatte.

Die Wolken ballten sich zusammen, und es war wieder dunkel.

»Er mu?te langst da sein«, flusterte der Grieche nervos.

»Da«, sagte David ben Ami, »ich hore etwas.«

Von weit drau?en auf dem Wasser war das schwache Gerausch eines Motors zu horen. David ben Ami hob das Glas an die Augen. Das Gerausch des Motors wurde lauter.

Drau?en blitzte ein Scheinwerfer auf, der einen Lichtstrahl uber das Wasser zu dem wei?en Haus auf dem Hugel sandte. Ein kurzes Blinkzeichen — einmal, zweimal, dreimal.

David ben Ami und der Waldaufseher rannten den Hugel hinunter, uber das Geroll und durch das Gestrupp, bis sie den Strand erreichten. Ben Ami erwiderte mit der Taschenlampe das Signal. Das Gerausch des Motors verstummte.

Ein Mann, nur als undeutlicher Schatten zu erkennen, glitt uber die Bordwand und begann auf den Strand zuzuschwimmen. David ben Ami entsicherte seine Maschinenpistole und spahte den Strand hinauf und hinunter, um festzustellen, ob sich etwa eine englische Patrouille naherte. Der Schwimmer tauchte jetzt aus dem Wasser auf und watete an Land. »David!« rief eine Stimme.

»Ari!« rief Ben Ami zuruck. »Hierher, rasch!«

Zu dritt rannten sie den Strand hinauf, an dem wei?en Haus vorbei und zu einem Landweg. Dort wartete ein Taxi, verborgen im Gebusch. Ben Ami dankte dem Griechen fur seine Hilfe, und das Taxi fuhr los, nach Famagusta.

»Meine Zigaretten sind na? geworden«, sagte Ari.

David gab ihm ein Packchen. Die Flamme des Feuerzeuges beleuchtete fur einen Augenblick das Gesicht des Mannes, der Ari hie?. Er war gro? und kraftig, in auffalligem Gegensatz zu dem kleinen, feingliedrigen Ben Ami. Er hatte ein gutgeschnittenes Gesicht, doch der Ausdruck seiner Augen war kalt und hart.

Sein voller Name war Ari ben Kanaan, und er war der fahigste Mann der illegalen Organisation Mossad Aliyah Bet.

III.

Es klopfte bei Mark Parker. Er offnete. Vor ihm stand Katherine Fremont. Sie war fast noch schoner, als er sie in Erinnerung gehabt hatte. Lange standen sie schweigend und sahen sich an. Er betrachtete ihr Gesicht, ihre Augen. Sie war weiblicher geworden, eine Frau, sanft und mit dem Gefuhl fur andere, wie es nur durch eigenes schweres Leid entsteht.

»Ich sollte dir den Hals umdrehen, da? du nie auf einen meiner Briefe geantwortet hast«, sagte Mark.

»Mark«, flusterte sie.

Sie fielen sich in die Arme und hielten sich umschlungen. In der nachsten Stunde sprachen beide wenig, sahen sich nur an, lachelten einander fluchtig zu und hielten sich von Zeit zu Zeit an den Handen. Beim Essen kam die Unterhaltung ein wenig in Gang. Meist war die Rede von Marks Abenteuern als Auslandskorrespondent. Es fiel Mark auf, da? Kitty im Gesprach sorgfaltig alles vermied, was sie selbst betraf.

Dann kam der Kase, Mark schenkte sich den Rest von seinem Bier ein, und danach entstand wieder ein unbehagliches Schweigen, Es war deutlich zu sehen, wie Kitty unter den fragenden Blicken von Mark nervos wurde.

»Komm«, sagte er, »gehen wir ein bi?chen an den Hafen.«

»Ich will mir nur schnell meine Stola holen«, sagte sie.

Schweigend gingen sie nebeneinander den Kai entlang und auf der Mole hinaus zu dem Leuchtturm, der bei der schmalen Hafeneinfahrt stand. Der Himmel war bedeckt, und die kleinen Boote, die im Hafen vor Anker lagen, waren nur als schwache Umrisse zu sehen. Sie sahen zu, wie der Leuchtturm sein Licht hinaus auf das Meer warf und einem Schleppfischer den Weg zum Schutz des Hafens zeigte. Ein leichter Wind strich durch Kittys blondes Haar. Sie zog ihre Stola enger um die Schultern zusammen. Mark setzte sich auf die Mauer und rauchte. Es war totenstill.

»Ich habe dich sehr unglucklich gemacht, da? ich gekommen bin«, sagte er. »Ich werde morgen wieder abreisen.«

»Nein«, sagte sie, »ich mochte nicht, da? du wegfahrst.« Sie richtete den Blick hinaus auf das Meer. »Ich kann dir nicht sagen, wie mir zumute war, als ich dein Telegramm bekam. So vieles wurde in mir wieder wach, das

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