entschlossen sind, eine Nation wiedererstehen zu lassen, die seit zweitausend Jahren tot ist. So etwas hat es noch nie gegeben. Und das Tollste ist — ich glaube, sie werden es schaffen. Die Leute, von denen ich spreche, sind die Juden, die du nicht leiden kannst.«

»Das habe ich nicht gesagt«., widersprach Kitty, »da? ich die Juden nicht leiden konnte.«

»Ich mochte jetzt nicht mit dir streiten. Aber denk doch mal scharf nach, Liebling — hast du in der Zeit, seit du hier in Zypern bist, irgend etwas gehort oder gesehen, das vielleicht, sagen wir mal, auffallig oder ungewohnlich zu nennen ware?«

Kitty bi? sich nachdenklich auf die Unterlippe und holte tief Luft. »Nein«, sagte sie dann, »nur die Fluchtlingslager. Wie ich hore, sind sie uberfullt und in jammerlichem Zustand. Warum fragst du?«

»Ich wei? nicht. Ich hab' halt nur so eine Ahnung, da? hier auf Zypern irgendwas los ist, irgendeine ganz dicke Sache.«

»Warum sagst du nicht lieber, da? du einfach von Beruf neugierig bist?«

»Nein, das allein ist es nicht. Kennst du einen Major Caldwell? Er ist der Adjutant von Brigadier Sutherland.«

»Ja, ein schrecklich langweiliger Kerl. Ich habe ihn beim Gouverneur kennengelernt.«

»Er suchte mich im Hotel in meinem Zimmer auf, kurz bevor du kamst. Warum sollte mir der Adjutant eines Generals zehn Minuten nach meiner Ankunft auf die Bude rucken wegen einer Sache, die anscheinend ganz belanglos ist? Nein, Kitty, glaube mir, die Englander sind wegen irgendeiner Sache hier nervos. Ich kann es nicht beweisen, aber ich gehe jede Wette ein, da? es mit diesen Fluchtlingslagern zusammenhangt. Sag mal — konntest du nicht ein paar Wochen in diesen Lagern arbeiten, mir zuliebe?«

»Naturlich, Mark, wenn du das mochtest.«

»Ach, hol's der Teufel!« sagte Mark und stellte das Glas aus der Hand. »Wir sind im Urlaub. Du hast ganz recht, ich bin neugierig und mi?trauisch von Beruf. Denk nicht mehr dran, tanzen wir lieber.«

VI.

An der Arsinos-Stra?e in Famagusta, gegenuber der alten Stadtmauer, lag das gro?e und prachtige Haus eines griechischen Zyprers namens Mandria, dem die Zyprisch-Mittelmeerische Schiffahrtsgesellschaft gehorte und au?erdem die meisten Taxen der Insel. In einem Raum dieses Hauses warteten Mandria und David ben Ami voll ungeduldiger Spannung auf Ari ben Kanaan, der seine nassen Kleider wechselte.

Beiden war klar, da? das Auftauchen Ari ben Kanaans in Zypern auf einen besonders wichtigen Auftrag der illegalen Organisation Mossad Aliyah Bet hinwies. Seit vielen Jahren ging die Politik der Englander dahin, die judische Einwanderung nach Palastina zu verhindern oder auf ein Mindestma? zu beschranken. Zum Vollzug dieser Politik hatte man die Royal Navy eingesetzt. Mossad Aliyah Bet war eine Organisation der in Palastina ansassigen Juden, deren Aufgabe es war, andere Juden heimlich nach Palastina zu schmuggeln. Jedesmal aber, wenn die englische Flotte eines der Mossad-Schiffe aufbrachte, das die Blockade zu durchbrechen versuchte, wurden die illegalen Einwanderer in die Internierungslager auf Zypern uberfuhrt.

Ari ben Kanaan, der sich inzwischen umgezogen hatte, betrat den Raum und nickte Mandria und David ben Ami zu. Ben Kanaan war ein stattlicher, kraftig gebauter Mann von gut uber ein Meter achtzig. Er und Ben Ami waren seit langem gute Freunde; doch im Beisein von Mandria, dem Zyprer, der kein Mitglied ihrer Organisation war, sondern mit ihr nur sympathisierte, gaben sie das nicht zu erkennen. Ari steckte sich eine Zigarette an und kam ohne Umschweife zur Sache. »Die Zentrale hat mich hierhergeschickt mit dem Auftrag, eine Massenflucht aus den Lagern zu organisieren. Die Grunde dafur sind uns wohl allen klar. Was ist deine Meinung dazu, David?«

Der junge Mann mit dem schmalen Gesicht ging nachdenklich hin und her. Er war schon vor Monaten nach Zypern gekommen, im Auftrag der geheimen Armee der Juden in Palastina, Palmach genannt. Er und Dutzende weiterer Palmach-Angehoriger hatten sich ohne Wissen der Englander in die Fluchtlingslager eingeschlichen und dort Schulen eingerichtet, Lazarette und Synagogen, hatten sanitare Anlagen gebaut und eine Kleinindustrie organisiert. Die illegalen Einwanderer, die man von Palastina nach Zypern gebracht hatte, waren Menschen ohne Hoffnung. Das Auftauchen junger Manner, die der judischen Armee in Palastina angehorten, gab ihnen neue Hoffnung und starkte die Moral des Lagers. David ben Ami und die anderen Palmach-Mitglieder gaben Tausenden von Mannern und Frauen in den Lagern eine militarische Ausbildung, wobei sie an Stelle von Gewehren Stocke und als Ersatz fur Handgranaten Steine verwendeten. David ben Ami war, obwohl nicht alter als zweiundzwanzig, der Palmach-Kommandeur auf Zypern. Falls die Englander Wind davon bekommen hatten, da? sich Leute aus Palastina in die Lager eingeschlichen hatten, lie?en sie sich jedenfalls nichts davon anmerken. Denn sie hatten kein Verlangen danach, sich in das Innere der von Ha? erfullten Lager zu begeben, und beschrankten sich darauf, sie von au?en zu bewachen.

»Wie viele sollen fliehen?« fragte David.

»Ungefahr dreihundert.«

David schuttelte den Kopf. »Wir haben ein paar unterirdische Gange gegraben, doch die fuhren zum Meer. Du wirst heute abend selbst festgestellt haben, da? die Stromung vor der Kuste gefahrlich ist und da? man ein sehr guter Schwimmer sein mu?, wenn man es schaffen will. Die zweite Moglichkeit: wir benutzen, um ins Lager hinein- und wieder herauszukommen, die Stellen au?erhalb, wo die Abfalle abgeladen und abgefahren werden. Diese Kanale werden nicht sonderlich scharf bewacht, aber so viele Leute auf einmal kann man dort unmoglich durchschleusen. Die dritte Moglichkeit: englische Uniformen und gefalschte Papiere, doch auch auf diese Weise kann man jeweils nur ein paar Leute hinein- oder herausbekommen. Die vierte und letzte Moglichkeit: wir nageln einige von unseren Mitgliedern in Lattenkisten ein und schicken diese Kisten zum Hafen. Mr. Mandria hier ist Eigentumer der Schifffahrtsgesellschaft, und seine Hafenarbeiter sind instruiert, wenn solche Kisten ankommen. Im Augenblick, Ari, sehe ich keinen Weg, wie man eine Massenflucht organisieren konnte.«

»Wir werden einen Weg finden«, sagte Ben Kanaan im Tone sachlicher Feststellung. »Allerdings haben wir dafur nur ein paar Wochen Zeit.«

Mandria, der Grieche, erhob sich, seufzte und schuttelte den Kopf. »Mr. Ben Kanaan«, sagte er dann, »Sie sind heute abend an Land geschwommen und haben uns gebeten, das Unmogliche moglich zu machen, noch dazu in zwei Wochen. Mein Herz sagt« — Mandria legte die Hand auf sein Herz, »da? es gelingen wird. Aber mein Kopf«, und er klopfte sich mit dem Zeigefinger an die Stirn, »sagt mir, da? es unmoglich ist.« Er verschrankte die Hande auf dem Rucken und ging unruhig durch das Zimmer. »Glauben Sie mir, Mr. Ben Kanaan« — Mandria drehte sich herum und machte eine gro?artige Handbewegung —, »Ihr von Palmach und Mossad konnt euch darauf verlassen, da? die Griechen in Zypern bis zum letzten Blutstropfen fur euch einstehen. Wir stehen auf eurer Seite. Wir stehen neben euch und hinter euch! Und dennoch — Zypern ist eine Insel, rings von Wasser umgeben, und die Englander sind weder Dummkopfe noch Schlafmutzen. Ich, Mandria, bin bereit, alles zu tun, was in meiner Macht steht, und trotzdem wird es Ihnen nicht gelingen, dreihundert Leute auf einmal aus den Lagern von Caraolos herauszubekommen. Diese Lager sind von drei Meter hohen Stacheldrahtpalisaden umgeben, und die Wachtposten haben Gewehre — geladene Gewehre.«

Ari Ben Kanaan stand auf, gro? und breit wie ein Turm vor den beiden anderen Mannern. Er hatte kaum hingehort auf das, was Mandria mit soviel Pathos vorgebracht hatte. »Ich brauche fur morgen eine englische Uniform«, sagte er, »Ausweispapiere und einen Fahrer. Und Sie konnen sich schon einmal nach einem Schiff umsehen, Mr. Mandria. Ungefahr zwischen hundert und zweihundert Tonnen. Und, David, wir werden einen Fachmann brauchen, der sich auf die Herstellung von gefalschten Ausweisen versteht.«

»Wir haben da im Jugendblock einen Jungen, der ein wahrhafter Kunstler auf diesem Gebiet sein soll, aber der wird nicht wollen. Alle andern sind kummerliche Pfuscher.«

»Ich werde morgen nach Caraolos gehen und mit dem Jungen reden. Ich will mir ohnehin das Lager ansehen.«

Mandria war begeistert. Dieser Ari ben Kanaan, das war ein Mann. Ein Mann der Tat. Besorgen Sie ein Schiff! Wir brauchen einen Falscher! Beschaffen Sie mir eine Uniform und einen Fahrer! Das Leben war aufregend geworden, seit die Mossad- und die Palmach-Leute nach Zypern gekommen waren, und er fand es wunderbar, teilnehmen zu konnen an dem Spiel, in dem es gegen die Briten ging. Er ergriff Ari ben Kanaans Hand und druckte sie.

»Wir Zyprer sind auf eurer Seite«, sagte er. »Euer Kampf ist unser Kampf!«

Ben Kanaan sah Mandria abweisend an. »Herr Mandria«, sagte er, »man wird Sie fur die Zeit und Muhe, die Sie aufwenden, in angemessener Form entschadigen.«

Im Raum entstand betretenes Schweigen. Mandria war wei? wie die Wand geworden. »Glauben Sie denn, wagen Sie ernstlich zu glauben, mein Herr, da? ich, Mandria, dies etwa fur Geld tue? Glauben Sie, ich wurde um des

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