es ist gar nicht so schlimm hier. Mir gefallt es besser, als ich erwartet hatte. Das Wetter ist schon. Wir sollen einen Aufsatz uber den Charakterunterschied zwischen Desdemona und Julia schreiben. Mir fallt leider nicht viel ein. Konnte ich einen neuen Tennisschlager bekommen? Ich wei?, dass meiner erst im Herbst neu bespannt worden ist, aber irgendwas stimmt nicht mit ihm. Vielleicht ist er verbogen. Ich mochte ganz gern Griechisch lernen. Darf ich? Ich liebe Sprachen. Nachste Woche fahren wir nach London, um das Ballett Schwanensee zu besuchen. Das Essen ist sehr gut. Gestern gab es Huhn, und zum Tee bekommen wir selbst gebackenen Kuchen. Mehr fallt mir im Augenblick nicht ein. Ist bei euch wieder mal eingebrochen worden?

Deine dich liebende Tochter Jennifer.

Margaret Gore-West, eine der alteren Schulerinnen, an ihre Mutter:

Liebe Mummy,

ich kann dir nicht viel Neues berichten. Ich fange jetzt bei Miss Vansittart mit Deutschstunden an. Einem Gerucht zufolge wird sich Miss Bulstrode zur Ruhe setzen. Miss Vansittart soll ihre Nachfolgerin werden. Aber das wird schon seit uber einem Jahr behauptet, und ich glaube nicht recht daran. Ich erkundigte mich bei Miss Chadwick danach, und sie fuhr mir uber den Mund und sagte, ich sollte diesen Klatsch nicht fur bare Munze nehmen. Am Dienstag haben wir Schwanensee gesehen. Es war ein Traum! Prinzessin Ingrid ist su?, blond und blauaugig – aber sie tragt eine Zahnspange. Die beiden neuen Deutschen sprechen sehr gut Englisch. Miss Rich, die wahrend des letzten Schuljahrs nicht hier war, ist zuruckgekommen. Unsere neue Turnlehrerin, Miss Springer, ist allgemein ziemlich unbeliebt, aber sie gibt gro?artigen Tennisunterricht. Eine von den Neuen, Jennifer Sutcliffe, spielt ausgezeichnet, obwohl ihre Ruckhand noch etwas schwach ist. Sie hat sich sehr mit einer anderen Neuen angefreundet, die Julia Upjohn hei?t. Die beiden sind unzertrennlich.

Bitte vergiss nicht, dass am 19. das Turnfest stattfindet und dass du versprochen hast, am 20. mit mir auszugehen!

Gru?e und Kusse von deiner Margaret.

Ann Shapland an Dennis Rathbone:

Lieber Dennis,

ich bekomme erst am Ende der dritten Woche des neuen Schuljahrs Urlaub, aber dann wurde ich gern einen Abend mit dir verbringen. Es wird entweder ein Sonnabend oder ein Sonntag sein. Ich sage dir noch rechtzeitig Bescheid. Es macht mir Spa?, in einer Schule zu arbeiten, aber ich bin heilfroh, dass ich keine Lehrerin bin. Allein die Vorstellung macht mich ganz krank.

Auf bald, Ann.

Miss Johnson an ihre Schwester:

Liebe Edith,

hier ist alles wie gewohnlich. Das Sommerhalbjahr ist immer besonders angenehm. Der Garten sieht wunderschon aus, und wir haben einen starken jungen Hilfsgartner, der den alten Briggs nach Kraften unterstutzt.

Miss Bulstrode hat bisher nicht wieder erwahnt, dass sie die Leitung der Schule aufgeben will, und ich hoffe sehr, dass sie es sich anders uberlegt hat. Miss Vansittart ware bestimmt kein gleichwertiger Ersatz.

Ich wurde, falls sie Schulvorsteherin werden sollte, meinen Posten hochstwahrscheinlich aufgeben.

Herzliche Gru?e an dich und die Kinder, ebenfalls an Oliver und Kate.

Viele Gru?e, Elsbeth.

Mademoiselle Angele Blanche an Rene Dupont:

Postlagernd, Bordeaux

Lieber Rene,

ich kann nicht behaupten, dass ich mich hier amusiere. Die Madchen wissen sich nicht zu benehmen und erweisen mir nicht den gebuhrenden Respekt.

Ich halte es jedoch fur besser, mich nicht bei Miss Bulstrode zu beschweren; sie ist mit Vorsicht zu genie?en! Bisher habe ich nichts Interessantes zu vermelden.

Mouche.

Miss Vansittart an eine Freundin:

Liebe Gloria,

das Sommersemester hat ohne Zwischenfalle begonnen. Die neuen Schulerinnen sind recht nett. Die Auslanderinnen haben sich gut eingewohnt. Unsere kleine Prinzessin – die orientalische, nicht die skandinavische – ist etwas indolent, aber das kann man wohl kaum anders erwarten. Sie hat jedoch sehr gute Manieren.

Miss Springer, die neue Turnlehrerin, ist kein Erfolg. Die Madchen konnen sie nicht leiden, weil sie grob und unhoflich ist. Meadowbank ist schlie?lich keine gewohnliche Schule, und wir legen nicht so viel Wert auf Freiubungen. Au?erdem ist Miss Springer neugierig und stellt zu viele personliche Fragen. Sie scheint aus keinem guten Haus zu stammen. Mademoiselle Blanche ist sehr liebenswurdig aber als Lehrerin ist sie mit Mademoiselle Depuy, ihrer Vorgangerin, nicht zu vergleichen. Am ersten Schultag ware es beinahe zu einem peinlichen Zwischenfall gekommen. Lady Veronica Carlton-Sandways erschien plotzlich – in vollig betrunkenem Zustand!! Wer wei?, was sich ereignet hatte, wenn Miss Chadwick sie nicht im letzten Augenblick entdeckt und diskret fortgefuhrt hatte. Dabei sind die Zwillinge so reizende Madchen.

Miss Bulstrode hat sich bisher bezuglich ihrer Zukunftsplane noch nicht geau?ert; trotzdem habe ich das Gefuhl, dass sie ihre Entschlusse gefasst hat. Meadowbank hat sich wirklich zu einer ausgezeichneten Schule entwickelt, und ich werde die Traditionen unseres Internats zu wahren wissen. Bitte gru?e Marjorie, wenn du sie siehst.

Herzlichst, deine Eleanor.

Brief an Colonel Pikeaway. Auf dem ublichen Weg befordert.

Ein gefahrlicher Posten! Ich bin der einzige kraftige junge Mann unter etwa hundertneunzig weiblichen Wesen. Ihre Hoheit kam in gro?em Stil hier an. Der Gro?mogul, in orientalische Gewander gehullt, entstieg einem riesigen Cadillac, gefolgt von seiner hocheleganten Gattin, die ein Pariser Modell trug. Auch die Prinzessin war nach der letzten Mode gekleidet. Als sie am nachsten Tag ihre Schuluniform trug hatte ich sie fast nicht wiedererkannt. Es wird nicht schwer sein, freundschaftliche Beziehungen zu ihr aufzunehmen. Den ersten Schritt hat sie bereits selbst getan.

Als sie sich mit einem su?en unschuldigen Lacheln nach den verschiedenen Blumennamen erkundigte, tauchte ein rothaariger sommersprossiger Drache auf und befahl ihr mit knarrender Stimme, die Unterhaltung sofort zu beenden. Aber sie wollte nicht. Ich dachte immer, dass Orientalinnen, die mit einem Schleier vor dem Gesicht aufgewachsen sind, besonders zuchtig und bescheiden sind. Diese Kleine muss wahrend ihres Aufenthalts in der Schweiz einige Erfahrungen gesammelt haben…

Miss Springer, besagter Drache, kam etwas spater noch einmal zuruck, um mich zur Ordnung zu rufen. Es sei dem Personal streng untersagt, mit den Schulerinnen zu sprechen! »Entschuldigen Sie bitte, Miss. Die junge Dame hat sich doch nur nach den Fuchsien erkundigt. Die kennt man da, wo sie herkommt, nicht«, sagte ich harmlos. Der Drache beruhigte sich schnell und wurde schlie?lich ganz freundlich. Bei Miss Bulstrodes Sekretarin hatte ich dagegen weniger Gluck – ein ziemlich hochnasiges Ding in gut geschnittenem, sportlich-elegantem Kostum. Die franzosische Lehrerin ist viel zuganglicher. Sieht aus wie eine kleine graue Maus – ist aber keine. Dann habe ich noch drei lustige Teenager kennen gelernt – Pamela, Lois und Mary. Die Nachnamen sind mir nicht bekannt, aber sie machen einen ziemlich aristokratischen Eindruck. Miss Chadwick, eine aufmerksame alte Eule, lasst mich nicht aus den Augen.

Der alte Briggs, mein Boss, spricht hauptsachlich von den guten alten Zeiten, als hier funf

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