Zum Gedenken an Moira Evans (22. September 1951 - 4. August 2001), eine gute Freundin, die mich unterstutzte und ermutigte und die an Schwester Fidelma glaubte

Steht nicht an meinem Grab und weint. Ich bin nicht dort, ich schlafe nicht. Ich bin im Wehen von tausend Winden, Ich bin im glitzernden Funkeln auf Schnee. Ich bin im Sonnenlicht auf reifendem Korn, Ich bin im sanften Regen des Herbstes. Wenn ihr im Schweigen des Morgens erwacht, Bin ich im raschen aufsteigenden Flug, Stiller Vogel, die ihre Kreise ziehen. Ich bin im Schein der nachtlichen Sterne. Steht nicht an meinem Grab und weint, Ich bin nicht dort, bin nicht gestorben ...

Unbekannter Dichter

Selbst wo es kein Gesetz gibt, gibt es noch das Gewissen.

Publilius Syrus i. Jahrhundert v. Chr.

Historische Anmerkung

Die Kriminalromane um Schwester Fidelma spielen hauptsachlich in Irland in der Mitte des siebenten Jahrhunderts. In diesem Buch jedoch befinden sich Fidelma und der Gefahrte ihrer Abenteuer, der angelsachsische Bruder Eadulf, auf dem Wege nach Eadulfs Geburtsort Seaxmund’s Ham im Lande des Sudvolks (heute Saxmundham in Suffolk), im Konigreich der Ost-Angeln (East Anglia) im spateren England.

Dabei ist zu bedenken, da? East Anglia und das Konigreich der Ost-Sachsen (Essex) sudlich davon erst wenige Jahrzehnte vor Fidelmas Besuch, der im Dezember des Jahres 666 stattfindet, von irischen Missionaren zum Christentum bekehrt worden waren.

Im Jahre 653 wurde Konig Sigebert der Ost-Sachsen von Finan, dem irischen Bischof von Lindisfarne, getauft. Finan entsandte einen seiner Bruder, Cedd, zu den Ost-Sachsen. Cedd sollte auf der beruhmten Synode von Whitby im Jahre 664 die keltische Kirche vertreten. Er baute eine Kirche in Lastingham und starb bald danach dort an der Gelben Pest. Konig Sigebert und seine Ost-Sachsen fielen in ihren heidnischen Glauben zuruck, doch Eata, der nachste Bischof von Lindisfarne, schickte einen weiteren irischen Missionar, der sie erneut bekehren sollte.

Einige Jahre zuvor hatte im Konigreich East Anglia ein Prinz aus koniglichem Hause, der auch Sigebert hie?, nach Gallien fliehen mussen, um nicht von einem ehrgeizigen Vetter getotet zu werden, der nach der Krone trachtete. In Gallien lernte er ungefahr in den Jahren 610-612 den beruhmten irischen Missionar Columbanus (um 540 bis 6i5) kennen, der Monchskloster in Annegray, Luxeuil und Fontaine eingerichtet hatte und danach das Kloster Bobbio in Italien grundete, das als Vorbild fur die Abtei in Umberto Ecos »Der Name der Rose« gedient haben soll.

Sigebert kam spater nach East Anglia zuruck, nachdem ihn Columbanus zum Christentum bekehrt hatte. Zwischen 631 und 634 holte er Missionare in sein Konigreich. Unter ihnen befand sich ein Burgunder namens Felix (gest. 648), der seine Abtei in Dunwich errichtete, wahrend eine Gruppe irischer Missionare unter der Leitung von Fursa (575-648, bei den Angeln als Fursey bekannt) ihre Abtei in Burghcastle erbauten. Fursa wurde von seinen Brudern Foillan und Ul-tan und vielen weiteren irischen Monchen begleitet. Zu ihnen gehorten auch Gobban und Diciul. Letzterer fuhrte die erste christliche Mission zu den SudSachsen (Sussex) und grundete 645 seine Kirche in Bosham.

Fidelmas Gefahrte Eadulf hatte die Wurde eines ge-refa, eines Ortsrichters, in Seaxmund’s Ham geerbt, ehe er von diesen irischen Missionaren bekehrt wurde und seine religiose Unterweisung in einer irischen Einrichtung erhielt.

Nach der Entscheidung, die auf der beruhmten Synode von Whitby im Jahre 664 fiel (siehe auch »Nur der Tod bringt Vergebung«), erkannten die meisten angelsachsischen Konigreiche dem Einflu? der romischen Kirche ein Ubergewicht uber die ursprunglichen keltischen Auffassungen vom Christentum zu. Doch in der Zeit, in der diese Geschichte spielt, im Dezember 666, war das Christentum dort noch sehr neu, und die alten heidnischen Gebrauche starben nur langsam aus. Die Ost-Angeln und Ost-Sachsen waren erst knapp eine Generation zuvor von der Verehrung ihrer Gotter und Gottinnen abgebracht worden - von Tyr, Wotan, Thunor und Frig. Die Macht der alten Gotter war so gro?, da? sich einige ihrer Namen noch heute in den Bezeichnungen der Wochentage wiederfinden. Das Osterfest ist nach der Fruchtbarkeitsgottin Eostre benannt, und Weihnachten fiel mit dem heidnischen angelsachsischen Julfest zusammen.

Schwester Fidelma ist nicht nur eine Nonne, die fruher der Gemeinschaft der heiligen Brigitta von Kildare angehorte. Sie ist auch eine anerkannte dalaigh, eine Anwaltin an den Gerichten des alten Irlands.

Zu Fidelmas Zeit bestand Irland aus funf Hauptprovinzen, in denen Konige herrschten. Selbst das heutige irische Wort fur Provinz lautet cuige, wortlich: ein Funftel. Vier dieser Provinzkonige - von Ulaidh (Ulster), von Connacht, von Muman (Munster) und von Laigin (Leinster) - erkannten mit Einschrankungen die Oberhoheit des Ard Ri oder Gro?konigs an, der in Tara residierte, in der »koniglichen« funften Provinz von Midhe (Meath), deren Name »mittlere Provinz« bedeutet. Innerhalb dieser Provinzkonigreiche war die Macht unter Kleinkonigreichen und Stammesgebieten aufgeteilt.

Ein solcher Zusammenhalt bestand zwischen den sich standig bekriegenden Konigreichen der Angelsachsen noch nicht. Zur Zeit von Fidelmas Besuch gab es ungefahr zehn oder elf dieser Konigreiche, die kleinen mitgerechnet. Drei davon waren die hauptsachlichen Anwarter auf die Macht: Northumbria, Mercia und Wessex. Jedes strebte danach, seinen Konig zum Bretwalda, zum »Herrscher Britanniens« zu machen. Eine zusammenhangende Einheit, die als England zu erkennen war, bildete sich erst drei Jahrhunderte nach Fidelmas Zeit heraus.

Wir sollten uns vor Augen halten, aus welcher kulturellen Perspektive Fidelma die angelsachsischen Konigreiche betrachtete, und begreifen, da? sie im Rechtssystem ihres Landes Anwaltin sein konnte -was in Bruder Eadulfs Heimatland unmoglich war.

Die Primogenitur, das Erbrecht des altesten Sohnes oder der altesten Tochter, war Irland fremd. Das Konigtum vom geringsten Stammesfursten bis zum Gro?konig war nur zum Teil erblich und uberwiegend ein Wahlamt. Jeder Herrscher mu?te sich seiner Stellung wurdig erweisen und wurde von den derbf- hine seiner Sippe gewahlt, von der mindestens drei Generationen mit einem gemeinsamen Stammvater versammelt sein mu?ten. Wenn ein Herrscher nicht dem Wohl seines Volkes diente, wurde er angeklagt und abgesetzt. Deshalb ahnelte das monarchische System des alten Irlands mehr einer heutigen Republik als den feudalen Monarchien, die sich im Mittelalter in Europa entwickelten.

Im Irland des siebenten Jahrhunderts gab es ein wohldurchdachtes Rechtssystem, das das Gesetz der Fenechus, der Landbebauer, genannt wurde, doch besser bekannt ist als das Gesetz der Brehons, abgeleitet von dem Wort breitheamh fur Richter. Nach der Uberlieferung wurden diese Gesetze zuerst im Jahre 714 v. Chr. auf Befehl des Gro?konigs Ollamh Fodhla zusammengefa?t. Im Jahre 438 berief der Gro?konig Laoghaire eine Kommission von neun Gelehrten, die die Gesetze prufen, uberarbeiten und in die neue lateinische Schrift ubertragen sollte. Dieser Kommission gehorte auch Patrick an, der spater zum Schutzheiligen Irlands wurde. Nach drei Jahren legte die Kommission den geschriebenen Gesetzestext

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