Sturms schutzten.

Mit gesenkten Kopfen stapften die wackeren kleinen Maultiere vorwarts und zogen den Wagen durch eine flache Schneewehe. Die gro?en Holzrader knirschten auf dem gefrorenen Boden, und der Wagen schwankte hin und her, wahrend Mul sich bemuhte, ihn in der Spur zu halten, die unter der Schneedecke verborgen lag. Einen Moment schien es, als wolle der Wind nachlassen, aber schon pfiff er aus einer anderen Richtung noch starker als zuvor, so da? der Wagen ins Schwanken geriet, als ware er ein lebendiges Wesen. Dann wieder schlitterten die Rader uber ein Stuck glattes Eis.

Sie horten Mul fluchen, aber irgendwie brachte er den Wagen zum Halten. Er sprang ab, und als Eadulf uber die Seitenwand spahte, sah er, wie Mul das Gespann durch eine tiefe Schneewehe fuhrte. Der Bauer blieb neben den Kopfen der Tiere, bis sie in den Schutz eines Waldstucks gelangten, in dem der Weg nur dunn mit Schnee bedeckt war. Der Wind fegte durch die Baume und horte sich an wie ein seltsamer, flusternder Chor seufzender Stimmen.

Mul kletterte wieder auf den Wagen.

»Wie geht’s euch da hinten?«

Seine Stimme wurde vom Fauchen des Windes fast verschluckt, doch Eadulf verstand ihn.

»Gut«, rief er zuruck. »Meinst du, da? es Zweck hat, weiterzufahren?« Eadulf war unsicher geworden, wahrend sie sich durch offenes Land bewegten. Der Wald bot wenigstens etwas Schutz vor den Unbilden des Wetters. Aber er wu?te, da? das nicht lange anhalten wurde.

»Bei Thunors Hammer! Naturlich hat es Zweck. Ich fahre doch, nicht?« Mul lachte schallend uber seinen eigenen Humor.

Eadulf gab keine Antwort und wandte sich Fidelma zu. Vor Schnee und Dunkelheit konnte er ihr Gesicht nicht sehen.

»Wie geht es dir?«

»Ich hab schon Schlimmeres erlebt«, meinte sie gelassen.

Sie wollte noch etwas sagen, als der Wagen plotzlich holperte und stehenblieb. Die schweren Rader rutschten und drehten sich auf den vereisten Spuren, ohne zu fassen. Die Tiere muhten sich vergeblich ab, den Wagen fortzubringen.

»Ich mu? absteigen und Reisig suchen, das ich unter die Rader legen kann«, rief Mul.

Das wollte er gerade tun, als in der Nahe das dustere Geheul eines Wolfs ertonte. Eadulf spurte, wie Fidelma neben ihm erstarrte. In ihrem Land waren Wolfe zahlreich und gefahrlich, und er wu?te, da? sie allen Grund hatte, sich vor ihnen zu furchten. Er selbst ubrigens auch. Er beugte sich uber den Wagenrand und starrte in die Richtung, aus der der Laut gekommen war. Ein paar grauwei?e Schatten huschten durch die Baume.

Mul fiel die Besorgnis seiner Fahrgaste auf.

»Habt keine Angst. Es ist nur ein vereinzeltes Paar mit seinen Jungen, das sich hier herumtreibt. Rudel gibt es in dieser Gegend nicht, soviel ich wei?. Die Wolfe sind am Aussterben in diesem Land. Sie tun uns nichts.«

Fidelma und Eadulf hatten schon schlechte Erfahrungen mit Wolfen gemacht und waren sich nicht so sicher. Selbst bei dem Schneetreiben konnten sie den Ruden erkennen - ein gro?es Tier von einem vollen Meter Schulterhohe. Es stand auf einem Felsen zwischen den Baumen und starrte sie aus gluhenden scharfen Augen an. Fidelma erschauerte, als sie den kraftvollen Bau und das schwere schiefergraue Fell erkannte.

Etwas tiefer als diese majestatische Gestalt erspahten sie die Fahe, die unruhig ihre beiden langbeinigen, fauchenden Welpen bewachte und sie mit gelegentlichem Schnappen ihrer langen wei?en Zahne ermahnte.

Der Wolfsrude warf den Kopf zuruck, und ein langes, dusteres, hungriges Geheul schallte durch den Wald. Dann wandten sich die Tiere ab und verschwanden im Dunkel der Baume. Anfangs horten sie noch ihre Rufe, schlie?lich verklangen auch die.

Zu ihrer Uberraschung stellten sie fest, da? Mul inzwischen bereits abgestiegen war, wahrend sie nur auf die Wolfe achteten, und Zweige unter die Rader schob, damit sie fassen sollten. Gleich darauf sa? er wieder auf dem Kutschbock, und der Wagen rumpelte weiter vorwarts, brach aber seitlich aus und geriet in eine Wehe, aus der der Schnee in den Wagen sturzte und sie fast begrub. Die kalten Flocken fanden ihren Weg in ihre Pelze und in Nase, Mund und Augen. Schnaubend und spuckend machten sie sich frei.

Der Wind lie? ein wenig nach. Mul wandte sich um und rief zu ihnen hinunter: »Hier gibt es zu viele Schneewehen. Ich versuch’s mit dem Weg durchs Moor. Da ist der Wind scharfer, aber er findet keine Senken, die er zuweht und in denen wir steckenbleiben.«

Eadulf hob die Hand zum Zeichen, da? er verstanden hatte.

»Geht’s dir gut, Fidelma?« fragte er erneut und beugte sich zu ihr.

Fidelma verzog zweifelnd das Gesicht. »Wenn du dauernd danach fragst, nehme ich an, da? du dir Sorgen machst. Wei?t du, wie weit es noch bis zur Abtei ist?«

»Nicht sehr weit. Der Weg durchs Moor fuhrt uber flaches Land zum Flu?, und die Abtei liegt gerade gegenuber.«

»Mussen wir bei diesem Wetter auf einer Furt durch den Flu??«

Eadulf schuttelte den Kopf. »Soweit ich mich erinnere, gibt es eine Brucke, Gott sei’s gedankt.«

»Na, wenigstens das ist trostlich.«

Die hin und her pendelnden Laternen beleuchteten die nebeldichten Schneeschauer, die diagonal bald aus dieser, bald aus jener Richtung heranfegten, wie der Wind sich in wilden Sto?en drehte. Ware es nicht so kalt gewesen, hatte es etwas Schutz vor den tobenden Elementen gegeben, dann ware es ein schoner Anblick gewesen. Die Schneesturm schien eher noch anzuschwellen, und die wirbelnden Eiskugelchen blendeten sie fast.

Plotzlich spurten sie, wie der Wagen wieder wegrutschte und hielt.

Eadulf sah, da? der Bauer sich erhob, und horte ihn fluchen und alle Gotter seiner Vater anrufen. Er beschlo?, die heidnischen Verwunschungen zu uberhoren.

»Was ist?« fragte er.

»Diesmal mu? ich ihn frei schaufeln«, antwortete Mul grimmig.

»Ich helfe dir«, erbot sich Eadulf. Er wandte sich zu Fidelma um und fugte unnotigerweise hinzu: »Bleib, wo du bist, und versuch dich warm zu halten.«

»Ich glaube nicht, da? ich jemals wieder warm werde«, erwiderte Fidelma trostlos.

Der Wagen war seitwarts in eine gro?e Schneewehe gerutscht und hatte sich mit den Hinterradern bis uber die Achse eingegraben. Mul hatte sich einen Spaten gegriffen, der an der Seite des Wagens angebunden war, und schaufelte bereits wutend drauflos. Gro?e Schneebatzen flogen von seinem Spaten. Er hielt inne, richtete sich auf und wies auf eine Hecke auf der anderen Seite des Weges. Der Wind hatte sie vom Schnee befreit und ihn auf der Seite aufgehauft, wo der Wagen dann versunken war.

»Such nach trockenem Holz, das wir unter die Rader schieben konnen.«

Eadulf beantwortete die Anweisung mit einer zustimmenden Handbewegung und machte sich an die Arbeit.

Es dauerte einige Zeit, bis die geduldigen Tiere, unterstutzt durch Muls und Eadulfs Schieben und Schreien, den schweren Wagen herausgezogen hatten. Eadulf kehrte mit durchna?ter Kleidung an seinen Platz auf dem Wagen zuruck, denn er hatte bis zum Gurtel in der Schneewehe gestanden, und die Kalte schnitt ihn wie mit Messern.

Sie hatten den Kamm eines Hugels erreicht, und der Wind wurde fast unertraglich. Die Eiskugelchen prasselten wie Kiesel auf die holzernen Planken. Eadulf reckte sich und starrte an Mul vorbei auf den Weg vor ihnen. Mul merkte es und deutete mit der Hand nach vorn.

»Noch um die Baume herum, dann biegen wir auf den Moorweg ein«, meinte er trostend. »Von dort aus konntest du ohne den Schneesturm schon den Flu? Alde von weitem sehen. Der Moorweg fuhrt zur Brucke, und die Abtei liegt gleich dahinter.«

»Also hochstens noch eine Meile«, stellte Eadulf zufrieden fest. »Wir sind bereits ganz nahe, und es ist noch lange vor Mitternacht.«

»Mitternacht? Bis dahin will ich langst auf meinem Hof sein und schlafen«, erklarte der Bauer.

Eadulf spahte mit zusammengekniffenen Augen durch den treibenden Schnee. Als der Wagen um die Baume bog, sah er nur noch eine weite Wei?e der Landschaft, keinen Schatten von Hugel oder Wald, nichts als das ebene Moor. Wei?er pulveriger Schnee erstreckte sich weithin, ohne Biegungen, in denen sich Wehen sammeln konnten.

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