aller Art, die ihre Auslagen langst geraumt und mit Holzladen geschlossen hatten. Jedes dritte oder vierte Haus aber beherbergte eine Schenke oder ein Bordell. Zielsicher strebte der Grieche auf jenes gro?e Haus in der Mitte der Stra?e zu, das er so gut kannte.

Im Erdgescho? gab es dort einen Backer, der sich auf die Herstellung sehr ausgefallener Kostlichkeiten spezialisiert hatte. Brote, die aussahen wie ein Phallos, oder auch Tortchen, die in ihrer Form weiblichen Brusten nachempfunden waren. Eine schmale Holzstiege fuhrte zum ersten Gescho? hinauf, wo entlang eines Saulenganges sechs Zimmerchen lagen, in denen erlesene Hetairen ihren Beruf ausubten. An warmen Tagen standen sie oft in ihren durchscheinenden, safranfarbenen Gewandern in den Turen, so da? man sie von der Stra?e aus gut sehen konnte. Jetzt jedoch waren alle Turen verschlossen.

Mit einem Sto?gebet zu Dionysos auf den Lippen, erklomm Philippos die Stiege. Hoffentlich hatte Neaira keinen Besuch.

Sie und keine andere wollte er in dieser Nacht!

Uber den Turen hingen kleine Laternen. Sie beleuchteten die Namen der Freudenmadchen, die in geschwungenen roten Buchstaben auf den Tursturz gemalt waren. Daneben standen auch jeweils die Preise, die von den Liebesdiene-rinnen fur die Erfullung der verschiedensten Wunsche verlangt wurden. Im Vorbeigehen las der Grieche die Namen. Aspasia, Phryne, Lais ... Sie alle waren schone Frauen, doch keine von ihnen reichte an Neaira heran.

Philippos dachte an den lauen Nachmittag vor ein paar Wochen, als er Neaira zum ersten Mal gesehen hatte. Es war wie eine Vision gewesen. Wie vom Schlag geruhrt war er stehengeblieben und hatte zu ihr hinaufgestarrt, bis sie ihm schlie?lich zuwinkte. Die zarte Thrakerin erinnerte ihn an Daphne, die Tochter des Amphorenhandlers, die er seine ganze Jugend hindurch angebetet hatte. Doch als Sohn eines armen Topfers war er bei ihrem Vater nie gerne gesehen gewesen. Der Arzt seufzte leise. Er hatte gemeint, da? Daphne seine Gefuhle erwidert hatte. Trotzdem hatte sie den dicken Weinhandler geheiratet, den ihr Vater fur sie aussuchte. Sie war der Grund dafur gewesen, da? er zur Legion gegangen war.

Er hatte es in Athen nicht mehr ausgehalten. Sie in den Armen dieses geilen, fettbauchigen Silens zu wissen, das war ihm unertraglich gewesen.

Mehr als zwanzig Jahre waren seitdem vergangen. Langst hatte er die Erinnerung an Daphne in seinem Herzen begraben, bis hin zu jenem Nachmittag, an dem er Neaira begegnet war. Sie war Daphne wie aus dem Gesicht geschnitten.

Zogernd lauschte der Arzt an der Tur der Hetaire. Dionysos schien ihn erhort zu haben! Es war still! Er klopfte und trat ein, ohne auf eine Antwort zu warten. Neaira kauerte mit angezogenen Beinen auf einem Stuhl, vor dem ein flaches Feuerbecken stand. Ein Windsto? wehte durch die offene Tur und lie? die Kohlen aufgluhen.

»Sperr die Aiolosboten aus, mir ist kalt«, murmelte die Thrakerin verdrossen. Philippos gehorchte. Bewundernd glitt sein Blick uber die schlanken Glieder der Hetaire. Sie trug einen safranfarbenen Chiton, dessen warmes Gelb das Licht des Sommers eingefangen zu haben schien. Um die Schultern hatte sie ein leuchtend rotes Himation geschlungen. Der Umhang war aus dicker Wolle gefertigt und reichte, so wie sie auf dem Stuhl kauerte, bis zum Boden hinab. Das gelbe Untergewand jedoch war knapp geschnitten, bedeckte kaum die Halfte ihrer Schenkel und war so zart und durchscheinend, als sei es nicht aus Leinen, sondern aus Sonnenstrahlen gewoben.

Das schmale Gesicht der Hetaire war von dunklen, bis zu den Schultern herabfallenden Locken gerahmt. Das ubrige Haar hatte sie kunstvoll hochgesteckt und mit roten Bandern umschlungen.

Uberall im Zimmer waren kleine Ollampchen aufgestellt.

Gemeinsam mit der Feuerschale verbreiteten sie eine schwule Hitze in dem kleinen Zimmer, dessen Wandmalereien ausschweifende Liebesszenen zwischen bocksbeini-gen Satyrn und Nymphen zeigten.

Drau?en rannte eine Sturmboe gegen das Haus an, und ein eisiger Luftzug wehte durch den Spalt unter der Tur herein.

Zitternd zog Neaira das Himation enger um die Schultern. »Du bist der erste, der mich in dieser Nacht besucht, Philippos. Man munkelt, da? die Gotter wegen des agyptischen Frevlers erzurnt seien und da? Zeus den Sturm geschickt hat, um uns zu warnen.«

Philippos lie? seinen Umhang von der Schulter gleiten und strich sich durch das zerzauste Haar. »Ich wei? nicht, vielleicht ist es auch einfach nur ein Sturm, und morgen scheint wieder die Sonne.«

Neaira nickte. »Hoffentlich hast du recht!« Ihre gro?en, dunklen Augen ruhten auf ihm. »Du begibst dich in Gefahr, wenn du mich besuchst. Die Gefolgsleute des Ptolemaios sind zur Zeit in der Stadt nicht gerne gesehen.«

Der Arzt lachelte. »Ich denke, ich sehe nicht gerade aus wie ein Agypter. Du brauchst dir keine Sorgen um mich zu machen. Und was den Zorn der Gotter angeht . Komm in meine Arme, und du wirst ihn vergessen.« Philippos trat an die breite, gut gepolsterte Kline der Hetaire und lie? sich darauf nieder. Er loste den Gurtel mit dem Geldbeutel daran und hangte ihn uber das Lager.

»Hast du Zeit?«

Der Arzt lachelte. »Viel Zeit .«

»Gut.« Neaira warf ihm einen scheuen Blick zu. Vorsichtig schob sie das Kohlenbecken dichter an die Kline heran. »Ich mochte, da? du mich zuerst einfach nur in die Arme nimmst. Ich wei?, da? du nicht wirklich mich liebst, sondern da? du zu mir kommst, weil ich deiner Daphne ahnlich sehe. Sei in dieser Nacht so zu mir, wie du zu ihr gewesen warst, wenn du sie hattest trosten wollen. Sei zartlich und .«

Philippos legte den Finger auf seine Lippen und gebot ihr zu schweigen. Dann winkte er Neaira zu sich. Die Hetaire lie? das Himation von ihrer Schulter gleiten und erhob sich. Die Spitzen ihre Bruste zeichneten sich dunkel unter dem Stoff des Chiton ab. Anders als die Barbarenweiber und Sklavenmadchen der Legionsbordelle war sie rasiert. Kein dunkles Haar verunzierte ihre Kteis, wucherte unter ihren Achseln oder auf ihren schlanken Beinen. »Komm zu mir, meine Geliebte.«

Neaira streifte den Chiton ab. Sie trug jetzt nur noch ihre silbernen Armreife und ein schmales, rotes Lederband, das um ihren linken Oberschenkel geschlungen war. Daran baumelte ein flaches Elfenbeinamulett, halb so gro? wie ein Frauenfinger, das einen erigierten Phallos zeigte. Philippos lachelte.

Das Amulett wurde den Segen der Aphrodite beschworen, wenn sie beieinanderlagen, und verhindern, da? seine Kraft vor der Zeit erlahmte.

Er schlo? sie in seine Arme und zog Neaira zu sich auf das Lager herab. In ihren Armen konnte er die Welt vergessen. Es war, als hatte es die zwanzig Jahre bei der Legion nicht gegeben. Noch einmal war er der verliebte Jungling, der die unerreichbare Tochter des Amphorenhandlers anbetete.

Neairas hochgesteckte Haare hatten sich gelost und strichen ihm durchs Gesicht. Sie dufteten nach Myrte, dem Krauterol, das auch die Gottin Aphrodite bevorzugte. Philippos’ Finger gruben sich in das lange Haar der Hetaire, streichelten ihre blassen Wangen und glitten dann tiefer zu ihren straffen Brusten. Seine Lippen suchten die ihren. Sie waren rot wie frisch vergossenes Blut. Gierig tastete seine Zunge nach ihren Lippen. Sie schmeckten noch nach dem Maulbeersaft, den sie zum Farben benutzt hatte.

Ihre schlanken Finger fanden ihren Weg unter den Saum seiner Tunica und glitten uber seine Schenkel langsam hoher.

Philippos stohnte vor Lust. Ungeschickt muhte er sich, das lastige Kleidungsstuck loszuwerden, bis Neaira ihm schlie?lich half, die Tunica uber seinen Kopf zu streifen.

Sie lie? sich auf seinem Scho? nieder. Ihre Finger strichen ihm zartlich durch den Bart, doch ihr Blick wirkte plotzlich traurig.

Philippos hielt inne. »Was ist mit dir, meine zarte Nymphe?«

Sie lachelte verlegen. »Nichts. Ich dachte nur ...« Sie schuttelte den Kopf. »Wirst du mir einen Wunsch erfullen?«

»Was immer du willst! Du bist mein schonster Traum, das Licht meines Lebens . Was immer du wunschst, ich werde es dir erfullen.«

Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату
×