bevor ich mich erschie?'... Es ist schrecklich, es ist schrecklich!... Wenn ich lieber auf und davon fahren mocht' – nach Amerika, wo mich niemand kennt... In Amerika wei? kein Mensch davon, was hier heut' abend gescheh'n ist... da kummert sich kein Mensch d'rum... Neulich ist in der Zeitung gestanden von einem Grafen Runge, der hat fortmussen wegen einer schmutzigen Geschichte, und jetzt hat er druben ein Hotel und pfeift auf den ganzen Schwindel... Und in ein paar Jahren konnt' man ja wieder zuruck... nicht nach Wien naturlich... auch nicht nach Graz... aber aufs Gut konnt' ich... und der Mama und dem Papa und der Klara mocht's doch tausendmal lieber sein, wenn ich nur lebendig blieb'... Und was geh'n mich denn die andern Leut' an? Wer meint's denn sonst gut mit mir? – Au?er'm Kopetzky konnt' ich allen gestohlen werden... der Kopetzky ist doch der einzige... Und grad der hat mir heut' das Billett geben mussen... und das Billett ist an allem schuld... ohne das Billett war' ich nicht ins Konzert gegangen, und alles das war' nicht passiert... Was ist denn nur passiert?... Es ist grad, als wenn hundert Jahr' seitdem vergangen waren, und es kann noch keine zwei Stunden sein... Vor zwei Stunden hat mir einer »dummer Bub« gesagt und hat meinen Sabel zerbrechen wollen... Herrgott, ich fang' noch zu schreien an mitten in der Nacht! Warum ist denn das alles gescheh'n? Hatt' ich nicht langer warten konnen, bis's ganz leer wird in der Garderobe? Und warum hab' ich ihm denn nur gesagt: »Halten Sie's Maul!«? Wie ist mir denn das nur ausgerutscht? Ich bin doch sonst ein hoflicher Mensch... nicht einmal mit meinem Burschen bin ich sonst so grob... aber naturlich, nervos bin ich gewesen – alle die Sachen, die da zusammengekommen sind... das Pech im Spiel und die ewige Absagerei von der Steffi – und das Duell morgen nachmittag – und zu wenig schlafen tu' ich in der letzten Zeit – und die Rackerei in der Kasern' – das halt't man auf die Dauer nicht aus!... Ja, uber kurz oder lang war' ich krank geworden – hatt' um einen Urlaub einkommen mussen... Jetzt ist es nicht mehr notwendig – jetzt kommt ein langer Urlaub – mit Karenz der Gebuhren – haha!...

Wie lang werd' ich denn da noch sitzen bleiben? Es mu? Mitternacht vorbei sein... hab' ich's nicht fruher schlagen horen? – Was ist denn das... ein Wagen fahrt da? Um die Zeit? Gummiradler – kann mir schon denken... Die haben's besser wie ich – vielleicht ist es der Ballert mit der Bertha... Warum soll's grad der Ballert sein? – Fahr' nur zu! – Ein hubsches Zeug'l hat Seine Hoheit in Pzremysl gehabt... mit dem ist er immer in die Stadt hinunterg'fahren zu der Rosenberg... Sehr leutselig war Seine Hoheit – ein echter Kamerad, mit allen auf du und du.. War doch eine schone Zeit.. obzwar... die Gegend war trostlos und im Sommer zum Verschmachten... an einem Nachmittag sind einmal drei vom Sonnenstich getroffen worden... auch der Korporal von meinem Zug – ein so verwendbarer Mensch... Nachmittag haben wir uns nackt aufs Bett hingelegt. – Einmal ist plotzlich der Wiesner zu mir hereingekommen; ich mu? grad getraumt haben und steh' auf und zieh' den Sabel, der neben mir liegt... mu? gut ausgeschaut haben... der Wiesner hat sich halbtot gelacht – der ist jetzt schon Rittmeister... – Schad', da? ich nicht zur Kavallerie gegangen bin... aber das hat der Alte nicht wollen – war' ein zu teurer Spa? gewesen – jetzt ist es ja doch alles eins... Warum denn? – ja, ich... ich wei? schon: sterben mu? ich, darum ist es alles eins – sterben mu? ich... Also wie? – Schau, Gustl, du bist doch extra da herunter in den Prater gegangen, mitten in der Nacht, wo dich keine Menschenseele stort – jetzt kannst du dir alles ruhig uberlegen... Das ist ja lauter Unsinn mit Amerika und quittieren, und du bist ja viel zu dumm, um was anderes anzufangen – und wenn du hundert Jahr' alt wirst, und du denkst d'ran, da? dir einer hat den Sabel zerbrechen wollen und dich einen dummen Buben g'hei?en, und du bist dag'standen und hast nichts tun konnen – nein, zu uberlegen ist da gar nichts – gescheh'n ist gescheh'n – auch das mit der Mama und mit der Klara ist ein Unsinn – die werden's schon verschmerzen – man verschmerzt alles... Wie hat die Mama gejammert, wie ihr Bruder gestorben ist – und nach vier Wochen hat sie kaum mehr d'ran gedacht... auf den Friedhof ist sie hinausgefahren... zuerst alle Wochen, dann alle Monat' – und jetzt nur mehr am Todestag. – – Morgen ist mein Todestag – funfter April. – – Ob sie mich nach Graz uberfuhren? Haha! Da werden die Wurmer in Graz eine Freud' haben! – Aber das geht mich nichts an – daruber sollen sich die andern den Kopf zerbrechen... Also, was geht mich denn eigentlich an?... Ja, die hundertsechzig Gulden fur den Ballert – das ist alles – weiter brauch' ich keine Verfugungen zu treffen. – Briefe schreiben? Wozu denn? An wen denn?... Abschied nehmen? – Ja, zum Teufel hinein, das ist doch deutlich genug, wenn man sich totschie?t! – Dann merken's die andern schon, da? man Abschied genommen hat... Wenn die Leut' wu?ten, wie egal mir die ganze Geschichte ist, mochten sie mich gar nicht bedauern – ist eh' nicht schad' um mich... Und was hab' ich denn vom ganzen Leben gehabt? – Etwas hatt' ich gern noch mitgemacht: einen Krieg – aber da hatt' ich lang' warten konnen... Und alles ubrige kenn' ich... Ob so ein Mensch Steffi oder Kunigunde hei?t, bleibt sich gleich. – – Und die schonsten Operetten kenn' ich auch – und im ›Lohengrin‹ bin ich zwolfmal d'rin gewesen – und heut' abend war ich sogar bei einem Oratorium – und ein Backermeister hat mich einen dummen Buben gehei?en – meiner Seel', es ist grad' genug! – Und ich bin gar nimmer neugierig... – Also geh'n wir nach Haus, langsam, ganz langsam... Eile hab' ich ja wirklich keine. – Noch ein paar Minuten ausruhen da im Prater, auf einer Bank – obdachlos. – Ins Bett leg' ich mich ja doch nimmer – hab' ja genug Zeit zum Ausschlafen. – – Ah, die Luft! – Die wird mir abgeh'n...

 

Was ist denn? – He, Johann, bringen S' mir ein Glas frisches Wasser... Was ist?... Wo ja, traum' ich denn?... Mein Schadel... o, Donnerwetter... Fischamend... Ich bring' die Augen nicht auf! – Ich bin ja angezogen! – Wo sitz' ich denn? – Heiliger Himmel, eingeschlafen bin ich! Wie hab' ich denn nur schlafen konnen; es dammert ja schon! – Wie lang' hab' ich denn geschlafen? – Mu? auf die Uhr schau'n... Ich seh' nichts? Wo sind denn meine Zundholzeln?... Na, brennt eins an? Drei... und ich soll mich um vier duellieren – nein, nicht duellieren – totschie?en soll ich mich! – Es ist gar nichts mit dem Duell; ich mu? mich totschie?en, weil ein Backermeister mich einen dummen Buben genannt hat... Ja, ist es denn wirklich g'scheh'n? – Mir ist im Kopf so merkwurdig... wie in einem Schraubstock ist mein Hals – ich kann mich gar nicht ruhren – das rechte Bein ist eingeschlafen. – Aufsteh'n! Aufsteh'n! Ah, so ist es besser! – Es wird schon lichter... Und die Luft ganz wie damals in der Fruh', wie ich auf Vorposten war und im Wald kampiert hab'... Das war ein anderes Aufwachen – da war ein anderer Tag vor mir.. Mir scheint, ich glaub's noch nicht recht. – Da liegt die Stra?e, grau, leer – ich bin jetzt sicher der einzige Mensch im Prater. – Um vier Uhr fruh war ich schon einmal herunten, mit'm Pausinger – geritten sind wir – ich auf dem Pferd vom Hauptmann Mirovic und der Pausinger auf seinem eigenen Krampen – das war im Mai, im vorigen Jahr – da hat schon alles gebluht – alles war grun. Jetzt ist's noch kahl – aber der Fruhling kommt bald – in ein paar Tagen ist er schon da. – Maiglockerln, Veigerln – schad', da? ich nichts mehr davon haben werd' – jeder Schubiak hat was davon, und ich mu? sterben! Es ist ein Elend! Und die andern werden im Weingartl sitzen beim Nachtmahl, als wenn gar nichts g'wesen war' – so wie wir alle im Weingartl g'sessen sind, noch am Abend nach dem Tag, wo sie den Lippay hinausgetragen haben... Und der Lippay war so beliebt... sie haben ihn lieber g'habt, als mich, beim Regiment – warum sollen sie denn nicht im Weingartl sitzen, wenn ich abkratz'? – Ganz warm ist es – viel warmer als gestern – und so ein Duft – es mu? doch schon bluhen... Ob die Steffi mir Blumen bringen wird? – Aber fallt ihr ja gar nicht ein! Die wird grad hinausfahren... Ja, wenn's noch die Adel' war'.. Nein, die Adel'! Mir scheint, seit zwei Jahren hab' ich an die nicht mehr gedacht... Was die fur G'schichten gemacht hat, wie's aus war... mein Lebtag hab' ich kein Frauenzimmer so weinen geseh'n... Das war doch eigentlich das Hubscheste, was ich erlebt hab'... So bescheiden, so anspruchslos, wie die war – die hat mich gern gehabt, da konnt' ich d'rauf schworen. – War doch was ganz anderes, als die Steffi... Ich mocht' nur wissen, warum ich die aufgegeben hab'... so eine Eselei! Zu fad ist es mir geworden, ja, das war das Ganze... So jeden Abend mit ein und derselben ausgeh'n... Dann hab' ich eine Angst g'habt, da? ich uberhaupt nimmer loskomm' – eine solche Raunzen – – Na, Gustl, hatt'st schon noch warten konnen – war doch die einzige, die dich gern gehabt hat... Was sie jetzt macht? Na, was wird's machen? – Jetzt wird's halt einen andern haben... Freilich, das mit der Steffi ist bequemer – wenn man nur gelegentlich engagiert ist und ein anderer hat die ganzen Unannehmlichkeiten, und ich hab' nur das Vergnugen... Ja, da kann man auch nicht verlangen, da? sie auf den Friedhof hinauskommt... Wer ging' denn uberhaupt mit, wenn er nicht mu?t'! – Vielleicht der Kopetzky, und dann war' Rest! – Ist doch traurig, so gar niemanden zu haben...

Aber so ein Unsinn! Der Papa und die Mama und die Klara... Ja, ich bin halt der Sohn, der Bruder... aber was ist denn weiter zwischen uns? Gern haben sie mich ja – aber was wissen sie denn von mir? – Da? ich meinen Dienst mach', da? ich Karten spiel' und da? ich mit Menschern herumlauf... aber sonst? – Da? mich manchmal selber vor mir graust, das hab' ich ihnen ja doch nicht geschrieben – na, mir scheint, ich hab's auch selber gar nicht recht gewu?t. – Ah was, kommst du jetzt mit solchen Sachen, Gustl? Fehlt nur noch, da? zu zum Weinen anfangst... pfui Teufel! – Ordentlich Schritt... so! Ob man zu einem Rendezvous geht oder auf Posten oder in die Schlacht... wer hat das nur gesagt?... Ah ja, der Major Lederer, in der Kantin', wie man von dem Wingleder erzahlt hat, der so bla? geworden ist vor seinem ersten Duell – und gespieben hat... Ja: ob man zu einem Rendezvous geht oder in den sicher'n Tod, am Gang und am G'sicht la?t sich das der richtige Offizier nicht anerkennen! – Also Gustl – der Major Lederer hat's g'sagt! Ha! –

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