Da geh'n zwei Artilleristen... die denken gewi?, ich steig' der Person nach... Mu? sie mir ubrigens anseh'n... O schrecklich! – Ich mocht' nur wissen, wie sich so eine ihr Brot verdient... da mocht' ich doch eher... Obzwar, in der Not fri?t der Teufel Fliegen... in Przemysl – mir hat's nachher so gegraust, da? ich gemeint hab', nie wieder ruhr' ich ein Frauenzimmer an... Das war eine gra?liche Zeit da oben in Galizien... eigentlich ein Mordsgluck, da? wir nach Wien gekommen sind. Der Bokorny sitzt noch immer in Sambor und kann noch zehn Jahr' dort sitzen und alt und grau werden... Aber wenn ich dort geblieben war', war' mir das nicht passiert, was mir heut' passiert ist... und ich mocht' lieber in Galizien alt und grau werden, als da?... als was? Als was? – Ja, was ist denn? Was ist denn? – Bin ich denn wahnsinnig, da? ich das immer verge?'? – Ja, meiner Seel', vergessen tu' ich's jeden Moment... ist das schon je erhort worden, da? sich einer in ein paar Stunden eine Kugel durch'n Kopf jagen mu?, und er denkt an alle moglichen Sachen, die ihn gar nichts mehr angeh'n? Meiner Seel', mir ist geradeso, als wenn ich einen Rausch hatt'! Haha! Ein schoner Rausch! Ein Mordsrausch! Ein Selbstmordsrausch! – Ha! Witze mach' ich, das ist sehr gut! – Ja, ganz gut aufgelegt bin ich – so was mu? doch angeboren sein... Wahrhaftig, wenn ich's einem erzahlen mocht', er wurd' es nicht glauben. – Mir scheint, wenn ich das Ding bei mir hatt'... Jetzt wurd' ich abdrucken – in einer Sekunde ist alles vorbei... Nicht jeder hat's so gut – andere mussen sich monatelang plagen... meine arme Cousin', zwei Jahr' ist sie gelegen, hat sich nicht ruhren konnen, hat die gra?lichsten Schmerzen g'habt – so ein Jammer!... Ist es nicht besser, wenn man das selber besorgt? Nur Obacht geben hei?t's, gut zielen, da? einem nicht am End' das Malheur passiert, wie dem Kadett-Stellvertreter im vorigen Jahr... Der arme Teufel, gestorben ist er nicht, aber blind ist er geworden... Was mit dem nur geschehen ist? Wo er jetzt lebt? – Schrecklich, so herumlaufen, wie der – das hei?t: herumlaufen kann er nicht, g'fuhrt mu? er werden – so ein junger Mensch, kann heut' noch keine Zwanzig sein... seine Geliebte hat er besser getroffen... gleich war sie tot... Unglaublich, weswegen sich die Leut' totschie?en! Wie kann man uberhaupt nur eifersuchtig sein?... Mein Lebtag hab' ich so was nicht gekannt... Die Steffi ist jetzt gemutlich in der Gartenbaugesellschaft; dann geht sie mit »ihm« nach Haus... Nichts liegt mir d'ran, gar nichts! Hubsche Einrichtung hat sie – das kleine Badezimmer mit der roten Latern'. – Wie sie neulich in dem grunseidenen Schlafrock hereingekommen ist... den grunen Schlafrock werd' ich auch nimmer seh'n – und die ganze Steffi auch nicht... und die schone, breite Treppe in der Gu?hausstra?e werd' ich auch nimmer hinaufgeh'n... Das Fraulein Steffi wird sich weiter amusieren, als wenn gar nichts gescheh'n war'... nicht einmal erzahlen darf sie's wem, da? ihr lieber Gustl sich umgebracht hat... Aber weinen wirds' schon – ah ja, weinen wirds'... Uberhaupt, weinen werden gar viele Leut'... Um Gottes willen, die Mama! – Nein, nein, daran darf ich nicht denken. – Ah, nein, daran darf absolut nicht gedacht werden... An Zuhaus wird nicht gedacht, Gustl, verstanden? – Nicht mit dem allerleisesten Gedanken...

Das ist nicht schlecht, jetzt bin ich gar im Prater... mitten in der Nacht... das hatt' ich mir auch nicht gedacht in der Fruh', da? ich heut' nacht im Prater spazieren geh'n werd'... Was sich der Sicherheitswachmann dort denkt?... Na, geh'n wir nur weiter... es ist ganz schon... Mit'm Nachtmahlen ist's eh' nichts, mit dem Kaffeehaus auch nichts; die Luft ist angenehm, und ruhig ist es.. sehr... Zwar, ruhig werd' ich's jetzt bald haben, so ruhig, als ich's mir nur wunschen kann. Haha! – Aber ich bin ja ganz au?er Atem... ich bin ja gerannt wie nicht g'scheit... langsamer, langsamer, Gustl, versaumst nichts, hast gar nichts mehr zu tun – gar nichts, aber absolut nichts mehr! – Mir scheint gar, ich frostel'? – Es wird halt doch die Aufregung sein... dann hab' ich ja nichts gegessen... Was riecht denn da so eigentumlich?... Es kann doch noch nichts bluhen?... Was haben wir denn heut'? – Den vierten April... freilich, es hat viel geregnet in den letzten Tagen... aber die Baume sind beinah' noch ganz kahl und dunkel ist es, hu! Man konnt' schier Angst kriegen Das ist eigentlich das einzigemal in meinem Leben, da? ich Furcht gehabt hab', als kleiner Bub, damals im Wald... aber ich war ja gar nicht so klein... vierzehn oder funfzehn... Wie lang' ist das jetzt her? – Neun Jahr'... freilich – mit achtzehn war ich Stellvertreter, mit zwanzig Leutnant... und im nachsten Jahr werd' ich... Was werd' ich im nachsten Jahr? Was hei?t das uberhaupt: nachstes Jahr? Was hei?t das: in der nachsten Woche? Was hei?t das: ubermorgen?... Wie? Zahneklappern? Oho! – Na, lassen wir's nur ein biss'l klappern... Herr Leutnant, Sie sind jetzt allein, brauchen niemandem einen Pflanz vorzumachen... es ist bitter, es ist bitter...

Ich will mich auf die Bank setzen... Ah! – Wie weit bin ich denn da? – So eine Dunkelheit! Das da hinter mir, das mu? das zweite Kaffeehaus sein.. bin ich im vorigen Sommer auch einmal gewesen, wie unsere Kapelle konzertiert hat... mit'm Kopetzky und mit'm Ruttner – noch ein paar waren dabei.. – Ich bin aber mud'... nein, ich bin mud', als wenn ich einen Marsch von zehn Stunden gemacht hatt'... Ja, das war' sowas, da einschlafen. – Ha! Ein obdachloser Leutnant.. Ja, ich sollt' doch eigentlich nach Haus... was tu' ich denn zu Haus? Aber was tu' ich denn im Prater? – Ah, mir war' am liebsten, ich mu?t' gar nicht aufsteh'n – da einschlafen und nimmer aufwachen... Ja, das war' halt bequem! – Nein, so bequem wird's Ihnen nicht gemacht, Herr Leutnant.. Aber wie und wann? – Jetzt konnt' ich mir doch endlich einmal die Geschichte ordentlich uberlegen... uberlegt mu? ja all es werden... so ist es schon einmal im Leben... Also uberlegen wir... Was denn?... – Nein, ist die Luft gut... man sollt' ofters bei der Nacht in' Prater geh'n... Ja, das hatt' mir eben fruher einfallen mussen, jetzt ist's aus mit'm Prater, mit der Luft und mit'm Spazierengeh'n... Ja, also was ist denn? – Ah, fort mit dem Kappl; mir scheint, das druckt mir aufs Gehirn... ich kann ja gar nicht ordentlich denken... Ah... so!... Also jetzt Verstand zusammennehmen, Gustl... letzte Verfugungen treffen! Also morgen fruh wird Schlu? gemacht... morgen fruh um sieben Uhr... sieben Uhr ist eine schone Stund'. Haha! – Also um acht, wenn die Schul' anfangt, ist alles vorbei... der Kopetzky wird aber keine Schul' halten konnen, weil er zu sehr erschuttert sein wird... Aber vielleicht wei? er's noch gar nicht... man braucht ja nichts zu horen... Den Max Lippay haben sie auch erst am Nachmittag gefunden, und in der Fruh' hat er sich erschossen, und kein Mensch hat was davon gehort... Aber was geht mich das an, ob der Kopetzky Schul' halten wird oder nicht?... Ha! – Also um sieben Uhr! – Ja... na, was denn noch?... Weiter ist ja nichts zu uberlegen. Im Zimmer schie?' ich mich tot, und dann is basta! Montag ist die Leich'... Einen kenn' ich, der wird eine Freud' haben: das ist der Doktor... Duell kann nicht stattfinden wegen Selbstmord des einen Kombattanten... Was sie bei Mannheimers sagen werden? – Na, er wird sich nicht viel d'raus machen... aber die Frau, die hubsche, blonde... mit der war was zu machen... O ja, mir scheint, bei der hatt' ich Chance gehabt, wenn ich mich nur ein bissl zusammengenommen hatt'... Ja, das war' doch was anders gewesen, als die Steffi, dieses Mensch... Aber faul darf man halt nicht sein... da hei?t's: Cour machen, Blumen schicken, vernunftig reden... das geht nicht so, da? man sagt: Komm' morgen nachmittag zu mir in die Kasern'!... Ja, so eine anstandige Frau, das war' halt was g'wesen... Die Frau von meinem Hauptmann in Przemysl, das war ja doch keine anstandige Frau... ich konnt' schworen: der Libitzky und der Wermutek und der schabige Stellvertreter, der hat sie auch g'habt... Aber die Frau Mannheimer... Ja, das war' was anders, das war' doch auch ein Umgang gewesen, das hatt' einen beinah' zu einem andern Menschen gemacht – da hatt' man doch noch einen andern Schliff gekriegt – da hatt' man einen Respekt vor sich selber haben durfen. – – Aber ewig diese Menscher... und so jung hab' ich angefangen – ein Bub war ich ja noch, wie ich damals den ersten Urlaub gehabt hab' und in Graz bei den Eltern zu Haus war... der Riedl war auch dabei – eine Bohmin ist es gewesen... die mu? doppelt so alt gewesen sein wie ich – in der Fruh bin ich erst nach Haus gekommen... Wie mich der Vater angeschaut hat... und die Klara... Vor der Klara hab' ich mich am meisten g'schamt... Damals war sie verlobt... warum ist denn nichts d'raus geworden? Ich hab' mich eigentlich nicht viel d'rum gekummert... Armes Hascherl, hat auch nie Gluck gehabt – und jetzt verliert sie noch den einzigen Bruder... Ja, wirst mich nimmer seh'n, Klara – aus! Was, das hast du dir nicht gedacht, Schwesterl, wie du mich am Neujahrstag zur Bahn begleitet hast, da? du mich nie wieder seh'n wirst? – Und die Mama... Herrgott, die Mama... nein, ich darf daran nicht denken... wenn ich daran denk', bin ich imstand', eine Gemeinheit zu begehen... Ah... wenn ich zuerst noch nach Haus fahren mocht'... sagen, es ist ein Urlaub auf einen Tag... noch einmal den Papa, die Mama, die Klara seh'n, bevor ich einen Schlu? mach'... Ja, mit dem ersten Zug um sieben kann ich nach Graz fahren, um eins bin ich dort... Gru? dich Gott, Mama... Servus, Klara! Na, wie geht's euch denn?... Nein, das ist eine Uberraschung!... Aber sie mochten was merken... wenn niemand anders... die Klara... die Klara gewi?... Die Klara ist ein so gescheites Madel... Wie lieb sie mir neulich geschrieben hat, und ich bin ihr noch immer die Antwort schuldig – und die guten Ratschlage, die sie mir immer gibt... ein so seelengutes Geschopf... Ob nicht alles ganz anders geworden war', wenn ich zu Haus geblieben war'? Ich hatt' Okonomie studiert, war' zum Onkel gegangen... sie haben's ja alle wollen, wie ich noch ein Bub war... Jetzt war' ich am End' schon verheiratet, ein liebes, gutes Madel... vielleicht die Anna, die hat mich so gern gehabt... auch jetzt hab' ich's noch gemerkt, wie ich das letztemal zu Haus war, obzwar sie schon einen Mann hat und zwei Kinder... ich hab's g'sehn', wie sie mich angeschaut hat... Und noch immer sagt sie mir »Gustl« wie fruher... Der wird's ordentlich in die Glieder fahren, wenn sie erfahrt, was es mit mir fur ein End' genommen hat – aber ihr Mann wird sagen: Das hab' ich vorausgesehen – so ein Lump! – Alle werden meinen, es ist, weil ich Schulden gehabt hab'... und es ist doch gar nicht wahr, es ist doch alles gezahlt... nur die letzten hundertsechzig Gulden – na, und die sind morgen da... Ja, dafur mu? ich auch noch sorgen, da? der Ballert die hundertsechzig Gulden kriegt... das mu? ich niederschreiben,

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