Daniel Cooper schwieg und lauschte.

«Wenn wir das hinter uns haben, Tracy… was haltst du dann von einer kleinen Reise nach Tunesien?«

«Tunesien? Das klingt ja himmlisch, Liebling.«

«Okay. Ich werde alles arrangieren. Von nun an werden wir nur noch ausspannen und das Leben genie?en und uns in keiner Weise festlegen lassen.«

Kommissar van Duren murmelte:»Ich wurde sagen, da? ihre nachsten zehnbis funfzehn Jahre ziemlich festgelegt sind. «Er stand auf und rekelte sich.»Ich glaube, wir konnen jetzt zuBett gehen. Fur morgen fruh ist alles vorbereitet, und wir sollten gut ausgeruht sein.«

Daniel Cooper konnte nicht schlafen. Er stellte sich vor, wie Tracy verhaftet wurde, und er sah das Entsetzen in ihrem Gesicht. Es erregte ihn. Er ging insBad und lie? sehr, sehr hei?es Wasser einlaufen. Er nahm seineBrille ab, zog seinen Schlafanzug aus und stieg in die dampfende Wanne. Nun war's fast vorbei, und sie wurde es ihmbu?en mussen wie andere Huren vor ihr. Morgen um diese Zeit wurde er wohl schon zu Hause sein. Nein, nicht zu Hause, berichtigte sich Daniel Cooper. In meiner Wohnung. Zu Hause — das war ein

Ort der Warme und der Geborgenheit, wo seine Mutter ihn mehr liebte als alles andere auf der Welt.

«Dubist mein kleiner Mann«, sagte sie.»Ich wu?te nicht, was ich ohne dich tate.«

Daniels Vater machte sich uber alleBerge, als Daniel vier Jahre alt war, und anfangs gaber sich die Schuld daran, aber dann erklarte ihm seine Mutter, es sei wegen einer anderen Frau gewesen. Er ha?te diese andere Frau, weil sie seine Mutter zu Tranen trieb. Er hatte sie nie gesehen, aber er wu?te, da? sie eine Hure war, weil seine Mutter sie so nannte. Spater war er froh, da? diese Frau ihm seinen Vater weggenommen hatte, denn jetzt hatte er seine Mutter ganz fur sich allein. Die Winter in Minnesota waren kalt, und Daniels Mutter erlaubte es, da? er zu ihr insBett kroch und sich in ihre warme Decke kuschelte.

«Wenn ich gro?bin, heirate ich dich«, sagte Daniel, und seine Mutter strich ihm ubers Haar und lachte.

Daniel war immer derBeste in der Schule. Seine Mutter sollte stolz auf ihn sein.

Sie haben einen hochintelligenten Sohn, Mrs. Cooper.

Ja, ich wei?. Niemand ist so gescheit wie mein kleiner Mann.

Als Daniel sieben Jahre alt war, begann seine Mutter ihren Nachbarn, einen gro?en, haarigen Mann, zum Essen einzuladen, und Daniel wurde krank. Er mu?te eine Woche lang mit gefahrlich hohem Fieber dasBett huten, und seine Mutter versprach, so etwas nie wieder zu tun. Ichbrauche niemand auf der Welt — nur dich, Daniel.

Daniel war uberglucklich. Es gabkeine Frau, die so schon war wie seine Mutter. Wenn sie nicht zu Hause war, ging Daniel in ihr Schlafzimmer und zog die Schubladen ihrer Kommode auf. Er nahm ihre Unterwasche heraus und riebsie an seiner Wange. Sie war flauschig, oh, und sie roch so gut.

Daniel Cooper lag mit geschlossenen Augen in der

Badewanne in seinem Hotel in Amsterdam und dachte an den entsetzlichen Tag, an dem seine Mutter ermordet worden war. Es war sein zwolfter Geburtstag. Er war vorzeitig aus der Schule heimgeschickt worden, weil er Ohrenschmerzen hatte. Die hatte er einbi?chen ubertrieben, denn er wollte zu Hause sein. Seine Mutter wurde ihn trosten und in ihrBett stecken und ihn umglucken. Daniel trat ins Haus und ging ins Schlafzimmer seiner Mutter, und sie lag nackt imBett, aber sie war nicht allein. Sie machte scheu?liche Sachen mit dem Mann von nebenan. Daniel sah zu, wie sie seine haarigeBrust und seinen dickenBauch ku?te, und ihre Lippen wanderten abwarts, auf den gro?en roten Apparat zwischen denBeinen des Mannes zu. Bevor sie ihn in den Mund nahm, stohnte sie:»Oh, ich liebe dich!«

Und das war das Allerscheu?lichste. Daniel rannte in seinBadezimmer und erbrach sich undbeschmutzte sich von obenbis unten. Er zog sich aus und machte sich sauber, denn seine Mutter hatte ihn gelehrt, reinlich zu sein. Nun waren seine Ohrenschmerzen wirklich schlimm. Er horte Stimmen auf dem Flur und lauschte.

Seine Mutter sagte:»Jetzt gehst dubesser, Liebling. Ich mu?baden und mich anziehen. Daniel kommtbald aus der Schule. Ich gebe eine Geburtstagsparty fur ihn. Bis morgen, mein Engel.«

Die Haustur klappte zu. Und dann horte Daniel, wie imBadezimmer seiner Mutter Wasser in die Wanne lief. Nur da? sie nicht mehr seine Mutter war. Sondern eine Hure, die imBett schweinische Sachen mit Mannern machte — Sachen, die sie mit ihm nie gemacht hatte.

Er trat nackt in ihrBad, und sie lag in der Wanne, mit lachelndem Hurengesicht. Sie wandte den Kopf und sah ihn und sagte:»Daniel, Liebling! Was…«

Er hatte eine gro?e Kleiderschere in der Hand.

«Daniel…«Ihr Mund offnete sich zu einem rosigen O, aber

es drang kein Laut aus ihm, bis Daniel den ersten Stich in dieBrust der Fremden in derBadewanne tat. Er schrie eineBegleitung zu ihren Schreien:»Hure! Hure! Hure!«

So sangen sie ein todliches Duett, bis nur noch seine Stimme zu vernehmen war:»Hure… Hure…«

Er war von Kopfbis Fu? mit ihremBlutbespritzt. Er ging unter ihre Dusche und schrubbte sich, bis seine Haut fast wundgescheuert war.

Der Mann von nebenan hatte seine Mutter umgebracht, und er wurde es ihmbu?en mussen.

Danach schien alles mit uberirdischer Klarheit zu geschehen, in einer merkwurdigen Art Zeitlupe. Daniel wischte die Fingerabdrucke mit einem Waschlappen von der Schere und warf sie in dieBadewanne. Er schlupfte in seine Kleider und rief die Polizei an. Zwei Streifenwagen trafen ein mit jaulenden Sirenen, gefolgt von einem weiteren Auto voll Kriminalbeamten, und sie stellten Daniel Fragen, und er erzahlte ihnen, er sei vorzeitig aus der Schule heimgeschickt worden und habe ihren Nachbarn, Fred Zimmer, aus der Haustur kommen sehen. Als der Mann vernommen wurde, gaber zu, der Liebhaber von Daniels Mutter gewesen zu sein, aber erbestritt, sie ermordet zu haben. Es war Daniels Aussage vor Gericht, die zu Zimmers Verurteilung fuhrte.

«Als du aus der Schule gekommenbist, hast du euren Nachbarn, Fred Zimmer, aus eurem Haus rennen sehen?«

«Ja, Sir.«

«Konntest du ihn deutlich sehen?«

«Ja, Sir. Er hatteBlut an den Handen und im Gesicht.«

«Was hast du dann gemacht, Daniel?«

«Ich… ich hatte so schreckliche Angst. Ich wu?te, meiner Mutter mu? etwas Furchtbares passiert sein.«

«Dubist ins Haus gegangen?«

«Ja, Sir.«

«Und dann?«

«Ich habe ›Mutter!‹ gerufen, und sie hat nicht geantwortet. Dabin ich in ihrBad gegangen und…«

An diesem Punktbrach der Junge in haltloses Schluchzen aus. Man mu?te ihn aus dem Zeugenstand fuhren.

Fred Zimmer wurde dreizehn Monate spater hingerichtet.

Inzwischen war Daniel in die Obhut seiner Tante Mattie gegeben worden, die in Texas wohnte. Er hatte sie nie zuvor gesehen. Sie war streng undbigott, fanatisch rechtschaffen und von der Uberzeugung durchdrungen, da? auf alle Sunder das Feuer der Holle warte. In ihrem Haus gabes weder Liebe noch Freude noch Mitgefuhl, und in dieser Atmosphare wuchs Daniel auf, entsetzt von dem heimlichen Wissen um seine Schuld und von der Verdammnis, die ihmbevorstand. Kurz nach dem Mord an seiner Mutterbekam er Sehstorungen. Die Arzte meinten, es sei ein psychosomatisches Problem.

«Er wehrt etwas ab, das er nicht sehen will«, sagten sie.

Danielbrauchte immer starkereBrillenglaser.

Mit siebzehn ri? er von Tante Mattie aus. Er fuhr per Anhalter nach New York undbewarbsich vergeblichbei der Polizei. Dann stellte die International Insurance Protection Association ihn alsBuroboten ein. Binnen dreier Jahre hatte er es zum Detektiv gebracht. Er wurde derbeste, den die IIPA je hatte. Er verlangte nie eine Gehaltserhohung oderbessere Arbeitsbedingungen. Auf diese Dinge achtete er nicht. Er war Gottes Werkzeug und Gottes Gei?el, und er strafte die Sunder.

Daniel Cooper stieg aus der Wanne und machte sich zum Schlafen fertig. Morgen, dachte er. Morgen ist fur diese Hure der Tag der Vergeltung gekommen.

Er wollte, seine Mutter hatte dabeisein und es miterleben konnen.

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