Abstellkammer. Zwischen kleinen Haufchen von Ruben und Sagespanen schimmerten die gezogenen Glasrohren des umfangreichen Branntweinaggregats von Vater Kabani. Es war die erstaunliche Schopfung eines geborenen Ingenieurs, eines instinktiven Chemikers und meisterhaften Glasblasers. Rumata ging zweimal um die teuflische Maschine herum, dann tappte er in der Dunkelheit nach einem Stuck Eisen und schlug damit einige Male auf Geratewohl drauflos, ohne irgendwohin zu zielen. In der Kammer fing es an zu klirren, zu zittern und zu glucksen. Ein ordinarer Geruch von sauergewordenem Fusel stieg ihm in die Nase. Als er in die andere Ecke ging, um das elektrische Licht einzuschalten, krachte unter seinen Stiefeln das zerbrochene Glas. Dort befand sich in einem soliden Silikatsafe ein Feldsynthetisator Marke »Midas«. Rumata warf das Gerumpel herunter, wahlte auf dem Zifferblatt eine Zahlenkombination und offnete den Safe. Sogar in dem hellen elektrischen Licht sah der Synthetisator recht merkwurdig aus inmitten von Abfall und Unrat. Rumata warf in den Eingangstrichter ein paar Handvoll Sagespane, und schon fing der Synthetisator leise zu summen an und schaltete automatisch den Indikator ein. Mit der Fu?spitze schob Rumata einen rostigen Eimer unter den Ausgangsschlitz. Und sogleich – tschin, tschin, tschin – fielen in das verbeulte Geschirr goldene Dukaten mit dem aristokratischen Profil Pitz VI. des Konigs von Arkanar.

Rumata trug den alten Mann auf eine knarrende Holzpritsche, zog ihm die Schuhe aus, drehte ihn auf die rechte Seite und bedeckte ihn mit dem ziemlich kahlen Fell eines langst ausgestorbenen Tieres. Bei dieser Prozedur wachte Vater Kabani eine Minute lang auf. Bewegen konnte er sich zwar nicht – und so richtig denken eigentlich auch nicht. So begnugte er sich damit, ein paar Strophen einer verbotenen Romanze vorzutragen: »Ich bin wie eine purpurrote Blume auf deinem kleinen Handchen …«, wonach er in herzhaftes Schnarchen verfiel.

Rumata raumte den Tisch ab, fegte den Boden und reinigte auch das einzige Fenster, das schon ganz schwarz war vor Schmutz und von den chemischen Versuchen, die Vater Kabani gewohnlich am Fensterbrett vornahm. Hinter dem eingefallenen Ofen fand er eine Flasche mit Spiritus und schuttete sie in ein Rattenloch. Dann trankte er seinen Chamacharischen Hengst, gab ihm Hafer aus der Satteltasche, wusch sich und setzte sich hin, um zu warten. Er blickte in das ru?ende Flammchen der Ollampe. Das sechste Jahr lebte er nun schon dieses merkwurdige Doppelleben und hatte sich, so schien es ihm wenigstens, schon ganz daran gewohnt. Nur von Zeit zu Zeit, wie auch gerade jetzt, kam es ihm plotzlich so vor, als gabe es in Wirklichkeit gar keine organisierte Bestialitat und auch keine niederdruckende Grauheit, als laufe vielmehr vor seinen Augen eine seltsame Theatervorstellung ab, mit ihm, Rumata, in der Hauptrolle. Da? jeden Augenblick nach einer besonders gegluckten Replik der Applaus zu tosen beginnen und die Kunstliebhaber aus dem Institut fur Experimentalgeschichte ganz begeistert aus ihren Logen rufen konnten: »Bravo, Anton, ganz phantastisch! Ein Prachtkerl, der Tony!«

Er blickte um sich, aber da war kein uberfullter Saal, da gab es nur feuchte, bemooste Wande aus kahlen Stammen, ganz schwarz vom Rauch der Ollampe.

Drau?en wieherte leise der Chamacharische Hengst und scharrte mit den Hufen. Man horte ein gleichma?iges tiefes Pfeifen, so altvertraut, da? einem beinahe die Tranen kamen, und doch so unvermutet an diesem Platz. Rumata horchte angespannt und mit offenem Mund. Das Pfeifen horte jah auf, das kleine Flammchen in der Ollampe fing an zu zungeln und flackerte plotzlich stark in die Hohe. Rumata wollte eben aufstehen, als auch schon aus der nachtlichen Dunkelheit Don Kondor ins Zimmer geschritten kam, der Oberste Richter und Staatssiegelbewahrer der Handelsrepublik Soan, Vizeprasident der Konferenz der zwolf Negotianten und Kavalier des kaiserlichen Ordens der rechten Barmherzigkeit. Rumata sprang auf und warf dabei die Bank um. Er hatte sich am liebsten in die Arme des Freundes geworfen und ihn auf beide Wangen geku?t, aber die Beine gingen (schon nach der Etikette) von selber in die Knie, seine Sporen klirrten feierlich, die rechte Hand beschrieb einen gro?en Halbkreis vom Herzen bis zur rechten Seite, und sein Kopf beugte sich so heftig, da? das Kinn beinahe in der Halsbinde verschwand. Don Kondor nahm die Samtmutze mit der einfachen Feder ab und winkte damit eilig, wie um die Mucken zu verscheuchen, zu Rumata hin. Dann warf er die Mutze auf den Tisch und knopfte die Halsspange seines Reisemantels auf. Der Mantel glitt noch langsam uber seinen Rucken, als er schon auf der Bank sa? und die Fu?e ausstreckte. Die linke Hand hielt er auf die Hufte gestutzt, und mit der ausgestreckten Rechten hielt er den Griff seines vergoldeten Schwertes, das mit der Spitze im faulen Holz des Fu?bodens steckte. Er war eher klein, hager, und in seinem blassen Gesicht sa?en gro?e, etwas hervorstechende Augen. Die schwarzen Haare waren, genau wie bei Rumata, von einem massiven Goldreif mit einem grunen Stein an der Stirn zusammengefa?t.

»Sind Sie allein, Don Rumata?« fragte er abgerissen. »Ja, edler Don«, antwortete Rumata bedruckt. Vater Kabani lie? sich plotzlich laut donnernd horen: »Edler Don Reba!… Eine Hyane bist du, und das ist alles!…« Don Kondor schenkte ihm keine Beachtung. Er drehte sich nicht einmal um.

»Ich bin mit dem Hubschrauber hier«, sagte er. »Hoffen wir«, sagte Rumata, »da? keiner Sie gesehen hat.«

»Eine Legende mehr oder weniger …«, antwortete Don Kondor leicht gereizt. »Ich habe einfach keine Zeit, auf dem Pferd herumzureiten. Was ist mit Budach passiert? Wohin mag es ihn verschlagen haben? So setzen Sie sich doch, Don Rumata, ich bitte Sie. Mir tut das Genick weh.«

Rumata lie? sich gehorsam auf die Bank nieder. »Budach ist verschwunden«, sagte er. »Ich wartete auf ihn am Platz der Schweren Schwerter. Erschienen ist aber blo? ein einaugiger Vagabund, nannte die Parole und ubergab mir einen Sack mit Buchern. Ich wartete noch zwei Stunden, dann setzte ich mich mit Don Hug in Verbindung, und dieser meldete, er habe Budach bis an die Grenze gebracht, und er werde au?erdem von irgendeinem edlen Don begleitet, dem man ruhig vertrauen konne, weil er beim Kartenspiel alles verloren und sich Don Hug mit Leib und

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