wiederholt hatte, zeigte Kollo seine Freude daruber durch ein langeres Lachen.

Ja, sie konnten auch lachen, diese Urmenschen, das war eine in anthropologischer Hinsicht wichtige Thatsache. Kein Wesen, au?er dem Menschen, ist sonst dazu befahigt.

Beobachtet man bei den intelligentesten Geschopfen, z. B.

bei den Hunden, auch einige Andeutungen des Lachens oder Lachelns, so zeigen sich diese doch nur in den Augen und vielleicht in der Gestaltung der Lippen. Au?erdem folgten die Wagddis auch nicht dem fast allen Vierfu?lern gemeinsamen Naturtriebe, ihre Nahrung zu beschnuffeln, ehe sie sie kosteten, und dann davon zuerst zu verzehren, was ihnen am besten mundete.

Das Leben der beiden Freunde, wie das Llangas und des Forelopers, gestaltete sich nun in folgender Weise: Die Hutte war kein Gefangni?. Sie konnten sie nach Belieben verlassen; doch Ngala uberhaupt zu verlassen, daran wurden sie jedenfalls gehindert sein, so lange sie von Seiner Majestat Mselo-Tala-Tala dazu keine Erlaubni? erhalten hatten.

Sie sahen sich also, wenigstens vorlaufig, gezwungen, ihren Aerger zu verschlucken und sich’s gefallen zu lassen, inmitten dieser merkwurdigen Waldwelt in dem Dorfe in den Luften zu leben.

Die Wagddis schienen ubrigens sanfter, wenig zankischer Natur zu sein, und waren, darauf ist besonderes Gewicht zu legen, weniger neugierig und weniger uberrascht von der Erscheinung von Fremdlingen, als es bei den tiefststehenden Wilden Afrikas und Australiens der Fall gewesen ware. Der Anblick der beiden Wei?en und der beiden Congolesen verwunderte sie nicht so sehr, wie er jeden andern Eingebornen Afrikas verwundert hatte. Die Sache lie? sie offenbar gleichgiltig, und von Zudringlichkeit war bei ihnen keine Spur.

Hier zeigte sich nichts von Maulaffenfeilhalten oder von albernem Vornehmthun. Was die Akrobatik anging, namlich ein Erklettern der Baume, ein Hinuberspringen von einem Aste zum anderen, oder ein Hinuntergleiten langs der Treppenleiter von Ngala, hatten sie einem Billy Hayden, einem Joe Bibb und einem Fottit, den damals unerreichten Meistern der Circus-Akrobatik, leicht die Stange halten konnen.

Neben ihren hoch entwickelten physischen Eigenschaften zeichneten sich die Wagddis auch durch einen ungemein scharfen Gesichtssinn aus. Bei der Jagd auf Vogel erlegten sie diese mit kleinen Pfeilen. Auch ihre Schlage fuhrten sie mit gro?ter Sicherheit, wenn sie Damwild, Elenthiere, Antilopen und sogar Buffel und Flu?pferde im Hochwalde verfolgten.

Dabei hatte sie Max Huber gar zu gern begleitet, ebenso in der Absicht, ihre Geschicklichkeit als Jager zu bewundern, wie um sich bei passender Gelegenheit aus dem Staube zu machen.

Ja, entfliehen… das war’s, woran die Gefangenen unausgesetzt dachten. Eine Flucht war aber nur uber die einzige Leitertreppe ausfuhrbar, und diese war an ihrem obersten Absatz von Kriegern besetzt, deren Wachsamkeit schwerlich getauscht werden konnte.

Wiederholt stieg in Max Huber der Wunsch auf, einige von den Vogeln zu schie?en, die – es waren Su- mangas, Ziegenmelker, Perlhuhner, Wiedehopfe, Griots und andere – in Scharen unter den Baumen umherflatterten und den Waldmenschen vielfach als Nahrung dienten. Seine Gefahrten und er wurden aber Tag fur Tag mit Wildpret versorgt, meist mit dem Fleische von verschiedenen Antilopen, von Oryx, Inyalas, Sassabys und Wasserbocken, die im Walde von Ubanghi zahlreich vorkamen. Ihr Diener Kollo lie? es an nichts fehlen; er erneuerte taglich den Vorrath an frischem Wasser, der fur die Zubereitung der Speisen erforderlich war, und auch den an trockenem Holze zur Unterhaltung des Feuers.

Wurden die Gewehre ubrigens zu Jagdzwecken verwendet, so ware das mit dem mi?lichen Umstande verknupft gewesen, da? damit ihre Wirkung verrathen wurde. Jedenfalls erschien es aber rathsamer, diese geheim zu halten und die Waffen erst im Nothfall zur Abwehr oder zum Angriff zu benutzen.

Die Fremdlinge wurden reichlich mit Fleisch versorgt, weil sich auch die Wagddis mit solchem, das entweder uber gluhenden Kohlen gerostet oder in den von ihnen selbst angefertigten irdenen Gefa?en gekocht war, in der Hauptsache ernahrten. Die Zubereitung der Speisen lie? sich, mit Unterstutzung durch Llanga, Kollo eifrig angelegen sein –

Khamis betheiligte sich dabei nicht, sein Stolz als Eingeborner hatte das niemals zugelassen.

Hier mu? noch erwahnt werden, da? es – zur gro?en Befriedigung Max Huber’s – auch an Salz nicht fehlte. Das war jedoch nicht das Natriumchlorur, das im Meerwasser enthalten ist, sondern das in Afrika, Asien und Amerika so weitverbreitete Steinsalz, das den Erdboden in der Umgebung von Ngala an vielen Stellen bedeckte. Den Nutzen dieses Minerals, des einzigen, das im Naturzustande genossen wird, hatten die Wagddis – so gut wie sogar die Thiere – rein aus Instinct erkannt.

John Cort interessierte sich nebenbei auch lebhaft fur die Frage, wie diese Urmenschen sich wohl Feuer erzeugen mochten, und ob sie das mittels Reibung eines harten Holzstuckes auf einem weichen nach der bei den Wilden gewohnlichen Art erreichten. Das war jedoch nicht der Fall; sie bedienten sich dazu vielmehr zweier Feuersteine, die beim Aneinanderschlagen Funken gaben. Diese Funken genugten zur Entzundung des Flaumes der Frucht eines »Rentenier«

genannten Baumes, den man in den afrikanischen Waldern haufig antrifft, und von dem gewisse Theile unseren Zundschwamm vollkommen ersetzen.

Zu der stickstoffhaltigen Nahrung trat bei den wagddiischen Familien als stickstofflose eine pflanzliche Nahrung, die ihnen die Natur gleich fertig lieferte. Sie bestand einerseits aus zwei bis drei Arten e?barer Wurzeln und andererseits aus vielerlei Fruchten, z. B. denen der Acacia adonsonia, die den ihr mit Recht zukommenden Namen Brod- oder Affenbrodbaum fuhrt, ferner denen der Karitas, deren kastanienahnliche Frucht eine fettige Masse enthalt, die einigerma?en als Ersatz fur Butter dienen kann, sowie denen der Kijelia mit etwas fade schmeckenden, doch sehr nahrhaften und au?erordentlich – gut zwei Fu? – langen Beeren; endlich aus anderen Fruchten, wie Bananen, Feigen, Mangofruchten in rohem Zustande und aus den vortrefflichen Fruchten des Tso, woneben man sich der Tamarindenschoten an Stelle eines Gewurzes bediente. Die Wagddis sammelten aber auch Honig ein und lie?en sich beim Aufsuchen der Bienenwohnungen vom Rufe des Kuckucks leiten. Aus diesem kostlichen Su?stoffe und aus dem Safte anderer Pflanzen, z. B. dem aus einer gewissen Liane gewonnenen Lutex, verstanden sie, unter Zusatz von Wasser aus dem Rio, gegohrene Getranke mit hohem Alkoholgehalt zu bereiten. Das ist ja kaum zum verwundern, wenn man bedenkt, da? sogar die afrikanischen Mandrills, die doch nur Affen sind, eine gro?e Vorliebe fur Alkohol verrathen.

Zu dem allen lieferte noch ein unterhalb Ngalas sich hinschlangelnder, fischreicher Wasserlauf dieselben Arten von Fischen, die Khamis und seine Gefahrten im Rio Johausen gefunden hatten. Fur den Fall eines Fluchtversuches war es nur von Bedeutung, zu wissen, ob jener Wasserlauf befahrbar war und ob die Wagddis sich dazu irgendwelcher Boote bedienten.

Von dem der Konigswohnung entgegengesetzten Ende des Dorfes aus konnte man den Flu? sehen. Stellte man sich dort nahe an die letzten Baume, so erkannte man, da? sein Bett drei?ig bis vierzig Fu? Breite hatte. Weiterhin verlor er sich unter prachtigen Baumriesen, wie funfschachtigen Baumwollbaumen, wunderbar schonen Mparamusis mit knotigen, herabhangenden Zweigflechten und unter herrlichen Msukulios, deren Stamm mit riesigen Lianen umwunden war, mit diesen Epiphyten, die ihn schlangengleich umrankten.

Es zeigte sich da, da? die Wagddis Wasserfahrzeuge herzustellen verstanden, eine Kunst, die ja auch den niedrigst stehenden Bewohnern Oceaniens nicht fremd ist. Ihre schwimmenden Fahrzeuge waren mehr als ein Flo?, doch weniger als eine Pirogue, denn sie bestanden aus einem mit der Axt und mittels Feuers ausgehohlten Baumstamme. Diese wurden mit einer Art flacher Schaufel fortgetrieben oder bei gunstigem Winde auch durch ein zwischen zwei Stangen ausgespanntes Segel, das aus der Rinde des sehr harten Eisenbaumholzes hergestellt war, die man durch geeignetes Beklopfen geschmeidig gemacht hatte.

John Cort konnte sich uberzeugen, da? diese Urmenschen fur ihre Ernahrung keine Gemuse- oder Getreidearten verwendeten. Sie bauten weder Sorgho, noch Hirse, Reis oder Manioc an, wie das sonst die Volkerschaften Centralafrikas thun.

Man durfte von diesen Leuten bezuglich des Ackerbaues ja auch nicht erwarten, was man bei den zu den wirklichen Menschen zahlenden Denkas, Funds und Monbullus sehen konnte.

Nach diesen Beobachtungen bemuhte sich John Cort noch zu ergrunden, ob die Wagddis eine gewisse Moral oder etwas wie eine Religion besa?en.

Eines Tages fragte ihn Max Huber, was er denn in dieser Beziehung gefunden habe.

»Nun, eine gewisse Moralitat, wenigstens ein Sinn fur Rechtschaffenheit, ist bei ihnen vorhanden. Sie unterscheiden wohl mit Sicherheit Gutes und Boses. Sie kennen auch den Begriff des Eigenthums. Ich wei? wohl, vielen Thieren fehlt dieser auch nicht, z. B. den Hunden, die sich nicht gern storen lassen, wenn sie ihr Futter verzehren. Meiner Ansicht nach haben die Wagddis einen deutlichen Begriff von Mein und Dein. Das habe ich

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