Familie als ihre Bordkameraden, keine andere Heimat kennen als das Schiff, das sie gerade trägt. Was seinen Dienst betraf, versah ihn Flig Balt streng und pünktlich, und wenn auch nur Bootsmann, verrichtete er an Bord doch auch den des ersten Steuermannes. Der Kapitän Gibson glaubte auch bezüglich aller untergeordneten Einzelheiten des Dienstes auf ihn bauen zu können, so daß er sich in der Führung der Brigg nur den Oberbefehl vorzubehalten pflegte.

Tatsächlich war Flig Balt jedoch nur ein Schurke, auf den wegen mancher Freveltat gefahndet wurde und der auch noch unter dem verderblichen Einfluß Vin Mods stand und sich dessen unbestreitbarer Überlegenheit beugte. Vielleicht bot sich ihm jetzt Gelegenheit, einen längst erwogenen, verbrecherischen Plan auszuführen.

»Ich sage Ihnen, nahm der Matrose weiter das Wort, hier in der Schenke zu den »Drei Elstern« braucht man nur mit verbundenen Augen zuzugreifen. hier gibt's genug Burschen, wie wir sie wünschen und die sofort bereit sind, auf eigene Rechnung Handel zu treiben.

- Mag sein, warf Flig Balt ein, wir müssen aber doch wissen, woher sie kommen.

- Wozu denn, Bootsmann? Wenn sie nur dahin gehen, wohin wir wollen. Wenn man sie aus der Kundschaft Adam Frys wählt, kann man den Kerlen alles zutrauen!«

In der Tat war über den Ruf, in dem diese Spelunke stand, gar nicht zu streiten. Die Polizei konnte hier ihre Schlingen auswerfen, ohne befürchten zu müssen, daß sie einen ehrbaren Burschen singe, mit dem sie noch nichts zu tun gehabt hätte. Sah sich aber der Kapitän Gibson genötigt, seine Mannschaft auf jede nur mögliche Weise zu ergänzen: an die Kundschaft der »Three-Magpies« hätte er sich darum gewiß nicht gewendet. Flig Balt hatte ihm auch weislich verheimlicht, daß er in dieser Spelunke seine Angel auswerfen werde.

Der mit Tischen, Bänken und Schemeln ausgestattete Gastraum, mit einem Schanktisch an dem einen Ende, hinter dem der Wirt sich aufhielt, und mehrere Reihen größerer und kleinerer Flaschen auf Regalen standen, bekam sein Licht durch zwei vergitterte Fenster, die nach einer engen, zum Kai hinabführenden Straße zu lagen. Den Eingang bildete eine mit festem Schlosse und tüchtigen Riegeln versehene Tür mit einem Schilde darüber, worauf drei weniger gemalte als hingesudelte Elstern sich mit den Schnäbeln bearbeiteten. ein Wappen, das dieser Schenke völlig würdig erschien. Im Oktober wird es unter fünfundvierzig Grad südlicher Breite auch in der schönen Jahreszeit schon halb neun abends recht finster. Einige mit übel riechendem Petroleum gespeiste Blechlampen hingen über dem Schanktische und im Zimmer verteilt von der Decke herab. Die, die davon rauchten, ließ man einfach rauchen, und die, die bei aufgezehrtem Dochte knisterten, ließ man ruhig knistern, hier genügte ja die dämmerige Beleuchtung. Wo es sich nur darum handelt, sinnlos zu trinken, braucht man nicht klar sehen zu können: die Gläser finden den Weg zum Munde schon allein.

Etwa zwanzig Matrosen saßen auf den Bänken und Schemeln. Leute aus allen Ländern: Amerikaner, Engländer, Irländer, Holländer, zum größten Teile Deserteure, die einen bereit, nach den Goldlagern aufzubrechen, die anderen von da zurückgekehrt und jetzt dabei, ohne Überlegung die letzten Goldklümpchen zu verschwenden. Alle schwatzten, fangen und heulten so laut, daß bei dem wilden, betäubenden Lärm Revolverschüsse kaum vernehmbar gewesen wären. Die Hälfte der Gäste lag schon umfangen von der stumpfsinnigen Trunkenheit nach verfälschten Branntweinen, die sie mechanisch hinuntergossen und deren scharfes Brennen sie in der Kehle gar nicht mehr empfanden. Dann und wann erhob sich einer, taumelte und brach wieder zusammen. Mit Hilfe des Kellners, eines kräftigen Eingebornen, hob Adam Fry die halb Bewußtlosen auf, schleppte sie aus dem Wege und warf sie in eine Ecke des Zimmers. Immer knarrte die Tür in ihren Angeln, immer schwankten einige Gäste hinaus, tasteten sich an den Mauern hin oder fielen klatschend in den Rinnstein der Straße, und immer traten andere herein und nahmen auf den eben freien Bänken Platz. Da gab es so manches Wiederfinden, da wurden unflätige Worte gewechselt und mit Händedrücken begleitet, wobei die Knochen zu zerbrechen drohten. Hier sahen sich Kameraden nach langer Wanderung durch die Fundstätten von Otago vielleicht zum ersten Male wieder. Zuweilen flogen auch spitzige Bemerkungen, grobe Scherzreden, Beleidigungen und Herausforderungen von einem Tische zum anderen. Wahrscheinlich verging der Abend nicht ohne Streitigkeiten zwischen einzelnen, die dann zu einer allgemeinen Rauferei ausarteten. Das war übrigens für den Wirt der »Three-Magpies« und für seine Gäste nichts neues.

Flig Balt und Vin Mod beobachteten gespannt die unruhige Gesellschaft, ehe sie, je nach Umständen, mit ihren Absichten hervortreten wollten.

»Na, um was handelt es sich denn eigentlich? sagte der Matrose, der sich auf die Ellbogen gestützt so vorlehnte, daß er dem Bootsmanne näher kam. Wir haben ja nur durch vier andere die vier Burschen zu ersetzen, die uns davongelaufen sind. Nun, denen brauchen wir keine Träne nachzuweinen, die hätten doch nicht zu uns gehalten. Ich sage Ihnen, hier blüht unser Weizen! Ich lasse mich auf der Stelle hängen, wenn hier einer darunter ist, der sich weigerte, sich eines guten Schiffes zu bemächtigen und damit auf dem Pacific umherzusegeln, statt nach Hobart-Town zurückzukehren. das zieht bei allen!

- Kann wohl sein, bestätigte Flig Balt.

- Nun bedenkt einmal, fuhr Vin Mod fort, vier solche verwegene Burschen, der Koch Koa, Ihr und ich, gegen den Kapitän, die drei anderen und den Schiffsjungen. da sind wir mehr als genug, um mit diesen fertig zu werden. Eines schönen Morgens betritt man die Kabine Gibsons. niemand mehr da! Man trommelt die Mannschaft zusammen. da fehlen drei Leute. na, die wird während ihrer Nachtwache eine Sturzsee über Bord gespült haben, so etwas kommt ja auch bei ruhigem Wetter gelegentlich vor. Und dann. dann ist der 'JamesCook' nicht wieder zu sehen. er ist mit Mann und Maus im Großen Ozeane untergegangen. Nun fragt niemand mehr nach ihm, und unter einem andern Namen, einem hübschen Namen - die 'Pretty-Girl' zum Beispiel - segelt er von Insel zu Insel, betreibt seinen ehrbaren Handel. Kapitän Flig Balt. Steuermann Vin Mod. er vervollständigt seine Mannschaft durch zwei bis drei brauchbare, flotte Burschen, an denen es auch in den Hafenplätzen des Ostens und des Westens nicht mangelt. und jeder sammelt sich dabei ein hübsches Vermögen statt der mageren Heuer, die doch meist eher vertrunken ist, als sie angerührt wird!«

Ob das Geräusch ringsum die Worte Vin Mods manchmal verhinderte, bis zu Flig Balts Ohren zu dringen, das hatte nichts zu bedeuten. Der zweite brauchte sie gar nicht zu hören. Alles was sein Gefährte sagte, sagte er sich schon selbst. Nachdem sein Entschluß einmal feststand, suchte er nur dessen Durchführung zu sichern. So bemerkte er denn jetzt auch nur:

»Die vier neuen, du und ich, sechs gegen fünf, den Jungen eingerechnet. das stimmt schon. Doch hast du denn vergessen, daß wir in Wellington den Reeder Hawkins und den Sohn des Kapitäns an Bord nehmen müssen?

- Ja freilich, wenn wir von Dunedin aus nach Wellington segeln. Wenn wir aber nicht dahin gehen.

- O, das ist bei günstigem Winde nur eine Sache von achtundvierzig Stunden, erwiderte Flig Balt, und mir scheint es doch nicht so sicher, daß wir bei der kurzen Fahrt unser Vorhaben schon ausgeführt haben könnten.

- Gleichviel! rief Vin Mod. Machen Sie sich keine Gedanken darüber, wenn auch Hawkins und der junge Gibson mit an Bord wären; sie fliegen über die Reling hinaus, ehe sie recht zu Verstande gekommen sind. Die Hauptsache bleibt immer, noch einige Genossen aufzutreiben, denen das Leben eines Menschen nicht mehr gilt als eine alte, unbrauchbare Tabakpfeife. verwegene Kerle, die sich nicht vor dem Stricke ängstigen. und solche Burschen werden wir hier schon finden!

- Na. wollen's versuchen,« antwortete der Bootsmann Balt.

Beide begannen nun die Gäste Adam Frys noch etwas

schärfer ins Auge zu fassen, und einige von diesen warfen ihnen auch schon wiederholt forschende Blicke zu.

»Da seht, sagte Vin Mod, der da. ein Kerl wie ein leibhaftiger Boxer. der mit dem dicken Kopfe. Wenn der Bursche nicht schon zehnmal mehr auf dem Kerbholz hat als nötig ist, gehenkt zu

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