»Der Hauptling ist verschwunden«, flusterte Hans. »Ich spurte, wie er davonflog, als hatte ihn der Wind fortgeweht.«

Plotzlich kam der Mond hinter einer Wolke hervor, und in seinem bleichen Licht sah ich, am Rand der Lichtung – was erblickte ich: Den Teufel, der eine verlorene Seele vernichtete… Zumindest sah es so aus. Ein gro?es, grauschwarzes Wesen, grotesk menschlich in seiner Gestalt, hatte den dunnen Kalubi fest im Griff. Offenbar war er schon tot.

Ich sprang auf, richtete mein entsichertes Gewehr auf den Kopf der Bestie. Ich feuerte, aber entweder die Zundkapsel oder das Pulver war wahrend unserer Reise feucht geworden, und so ging der Schu? erst einen Sekundenbruchteil spater als beabsichtigt los. In dieser kurzen Zeitspanne sah mich der Teufel – das ist der einzige passende Name, den ich dem Ungeheuer geben kann. Er sah mich – oder vielleicht sah er nur das Licht,

das in der Mundung aufblitzte. Jedenfalls warf er Kalubi ins Gras, und als hatte ein Instinkt ihn gewarnt, hob er den massiven rechten Arm. Ich erinnere mich, da? es ein au?ergewohnlich langer Arm war – und dick wie ein mannlicher Oberschenkel. Schutzend hielt er den Arm vor seinen Kopf.

Das Gewehr explodierte, ich horte, wie die Kugel traf. Im Schein der Mundungsflamme sah ich den langen Arm hilflos herabsinken, und im nachsten Augenblick hallte der Urwald von jenem schrecklichen Gebrull wider, das wir bereits einmal vernommen hatten, und jeder Schrei endete in einem jaulenden Schmerzenslaut, der mich an einen todlich verwundeten Hund erinnerte.

»Sie haben ihn getroffen, Baas«, sagte Hans. »Und er kann kein Geist sein, denn das hat ihm nicht gefallen. Aber er ist immer noch sehr lebendig.«

»Kommt alle her zu mir!« befahl ich. »Und haltet die Speere bereit, wahrend ich mein Gewehr nachlade.«

Ich befurchtete, da? sich das Ungeheuer auf uns sturzen wurde. Aber das tat es nicht. In jener schrecklichen Nacht sahen und horten wir nichts mehr von ihm. Ich hoffte, da? meine Kugel vielleicht doch ein lebenswichtiges Organ erreicht hatte, da? der gro?e Affe tot war.

Endlich, nach Stunden, die mir wie eine Ewigkeit vorkam, brach der Tag an. Bla? und zitternd sa?en wir im grauen Nebel. Alle au?er Stephan, der sich schlafen gelegt hatte. Sein Kopf ruhte auf Mavovos Schulter. Er hatte Nerven wie Stricke und eine so unerschutterliche Ruhe, da? ihn wohl nicht einmal die Trompete des Erzengels am Tag des Jungsten Gerichts erschrecken konnte. Das sagte ich ihm auch einigerma?en verargert, als es mir endlich gelungen war, ihn aus seinem unangebrachten Schlummer zu rei?en. »Das Resultat beweist doch, da? deine Kritik nicht gerechtfertigt ist«, sagte er gahnend. »Ich bin frisch wie der junge Morgen, wahrend du aussiehst, als hattest du eine lange Ballnacht durchtanzt. Habt ihr Kalubi schon geholt?«

Kurze Zeit spater, als sich der Nebel aufgelost hatte, gingen wir zum Rand der Lichtung, um nach Kalubi zu sehen. Ich will nicht beschreiben, was wir fanden. Er war ein grausamer Bursche gewesen, doch ich bedauerte ihn zutiefst. Wenigstens war sein Leiden beendet.

Wir legten ihn in die Kiste, die Komba bereitgestellt hatte, und Bruder John sprach ein Gebet. Dann machten wir unsere Plane fur den Tag, der vor uns lag, und brachen in bedruckter Stimmung auf, um die Heimat der Heiligen Blume zu suchen. Es fiel uns nicht schwer, den Weg zu finden, denn ein deutlich erkennbarer Pfad fuhrte vom Rand der Lichtung einen Hugel hinauf, von dem Kalubi gesprochen hatte. Danach wurde es etwas schwieriger, denn der Wald verdichtete sich. Glucklicherweise wuchsen in diesem Teil des Urwaldes nur wenige Schlingpflanzen, aber die Wipfel der Baume trafen sich hoch uber unseren Kopfen und schlossen das Tageslicht aus, so da? unten am Boden fast nachtliches Dunkel herrschte.

Es war eine traurige Reise. Von Angst erfullt kampften wir uns durch den Wald, von Stamm zu Stamm, suchten die Kerben, die uns den Weg wiesen, sprachen nur im Flusterton miteinander, um nicht die Aufmerksamkeit des schrecklichen Gottes auf uns zu lenken. Nach ein oder zwei Meilen stellten wir fest, da? er uns trotz aller Vorsichtsma?nahmen bemerkt hatte, denn wir sahen immer wieder eine gro?e graue Masse zwischen den Baumstammen vorbeigleiten. Offenbar hatte er eine Richtung eingeschlagen, die parallel zu unserem Kurs verlief. Hans versuchte mich zu einem Schu? zu uberreden, aber ich weigerte mich, denn ich wu?te, da? die Chance, mein Ziel unter diesen Umstanden zu treffen, nur gering war. Da ich nur noch drei Kugeln hatte, mu?te ich sparsam damit umgehen.

Wir hielten an und berieten, was wir tun wollten. Schlie?lich sagten wir uns, da? es nicht gefahrlicher ware, weiterzugehen als umzukehren. So setzten wir also unseren Weg fort, blieben immer dicht beieinander. Da ich als einziger bewaffnet war, kam mir die Ehre zu, an der Spitze der Prozession zu marschieren, eine Ehre, auf die ich allerdings gern verzichtet hatte.

Nach einer weiteren halben Meile horten wir wieder die seltsamen Trommeltone, die das Biest offenbar produzierte, indem es sich auf die Brust schlug. Aber wir konnten feststellen, da? der Trommelwirbel nicht mehr so eindrucksvoll klang wie in der vergangenen Nacht.

»Ha!« sagte Hans. »Jetzt hat er nur noch einen Trommelschlegel. Ihre Kugel hat den anderen zerschmettert, Baas.«

Etwas spater begann der Gott zu heulen, ganz in unserer Nahe und so laut, da? die Luft zu erzittern schien.

Nach weiteren hundert Yards kam es zur Katastrophe. Wir hatten eine Stelle erreicht, wo ein Baum umgesturzt war. Zwischen den Wipfeln war auf diese Weise ein Loch entstanden, durch das ein wenig Licht hereinfiel. Die Rinde des machtigen gefallenen Stammes war mit grauem Moos und Farnen bewachsen. Auf unserer Seite des umgesturzten Baumes erstreckte sich eine etwa vierzig Fu? breite Lichtung, auf die ein lotrechter Lichtstrahl fiel. Ich starrte auf den dicken Stamm, und war der erste, der zwei rotgluhende Augen im Schatten zwischen den Farben entdeckte, die Umrisse eines bestialischen Kopfes, ein bleiches Gesicht mit buschigen, uberhangenden Brauen und gro?en gelben Sto?zahnen zu beiden Seiten des Mauls.

Bevor ich Zeit fand, das Gewehr an die Schulter zu rei?en, hatte sich das Monstrum mit einem ohrenbetaubenden Gebrull auf uns gesturzt. Ich sah, wie sich der machtige graue Korper uber dem Baumstamm erhob, sah ihn an mir vorbeischnellen. Er bewegte sich aufrecht wie ein Mensch, aber mit vorgeschobenem Kopf. Der Arm, der dicht an mir vorbeiglitt, hing schlaff herab und schien gebrochen zu sein. Als ich mich umwandte, horte ich einen Schreckensschrei und sah, da? das Ungeheuer den armen Mazitu Jerry gepackt hatte, der als vorletzter in unserer Reihe stand, vor Mavovo. Der Affe hatte ihn gepackt und trug ihn nun davon, mit dem gesunden Arm an die Brust gepre?t. Wenn ich erklare, da? Jerry, ein gro?er, kraftiger Mann, in dieser grausigen Umarmung wie ein Kind aussah, wird der Leser vielleicht eine Vorstellung von der Gro?e des Ungeheuers bekommen.

Mavovo, mutig wie ein Buffel, schwang seinen Kupferspeer hoch und stie? ihn der Bestie in die Seite. Dann gingen sie alle wie die Berserker zum Angriff uber, au?er mir. Glucklicherweise kannte ich einen anderen Trick. Innerhalb von drei Sekunden hatte sich eine wilde, kampfende Masse in der Mitte der Lichtung gebildet. Bruder John, Stephen, Mavovo und Hans, alle stachen sie auf den gro?en Gorilla ein, denn es war ein Gorilla, wie ich jetzt feststellen konnte. Aber die Speerspitzen schienen ihm keine schlimmeren Wunden zuzufugen, als es harmlose Nahnadeln vermocht hatten. Zum Gluck lie? er Jerry nicht los, und da er nur einen gesunden Arm hatte, konnte er nur nach seinen Angreifern schnappen. Denn wenn er versucht hatte, nach ihnen zu treten, hatte sein schwerer kopflastiger Korper das Gleichgewicht verloren.

Schlie?lich schien ihm bewu?t zu werden, da? er sei nen Gegnern auf diese Weise nichts anhaben konnte. Er lie? Jerry fallen, stie? Bruder John und Hans zu Boden und sturzte sich auf Mavovo. Dieser sah ihn kommen und stemmte sich das Kupferende seines Speers gegen die Brust, so da? die Spitze sich in den Korper des Gorilla bohrte. Die Bestie spurte den Schmerz, lie? Mavovo los und warf Stephen um, als sie zurucktaumelte. Dann hob das Ungeheuer seine gro?e Hand, um Mavovo mit einem einzigen Schlag zu zerschmettern.

Das war die Chance, auf die ich gewartet hatte. Bis jetzt hatte ich nicht zu schie?en gewagt, aus Angst, ich konnte einen meiner Kameraden treffen. Doch jetzt bot der Gorilla ein gutes Ziel. Ich hob das Gewehr, feuerte auf den machtigen Kopf. Als sich der Pulverrauch aufgelost hatte, sah ich den Affen noch immer vor mir stehen, ganz still, als ware er tief in Gedanken versunken.

Dann hob er den gesunden Arm, die gluhenden Augen blickten zum Himmel auf, und mit einem mitleiderregenden, gra?lichen Schrei brach er zusammen. Er war tot. Die Kugel war dicht hinter dem Ohr in sein Gehirn gedrungen.

Das gro?e Schweigen des Waldes umgab uns. Minutenlang sagten wir nichts, ruhrten uns nicht. Dann drang aus dem Farn eine dunne Stimme zu mir, und sie klang, als wurde Luft aus einem aufblasbaren

Вы читаете King Kongs Rivalen
Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату
×