VORWORT

King Kong: Das Wesen, das den Himmel beruhrte… Der haarige Konig von Skull Island… Der Gorilla, der sich in ein hubsches Gesicht verliebte… Die Bestie, die von der Schonheit getotet wurde…

Da die jungste Neu Verfilmung der klassischen Phantasie-Story von einer heftigen Publicity-Welle begleitet wurde, gibt es wohl niemanden in der westlichen Welt, der King Kong noch nicht kennt: Den Riesenaffen, der ein schones Madchen liebte, das nicht gro?er war als sein Daumen; King Kong, den die Liebe zu diesem Madchen zu einem zerstorerischen Amoklauf durch die belebten Stra?en von New York trieb, bis ihn schlie?lich die Kugeln eines Maschinengewehrs vom Dach des hochsten Gebaudes der Welt warfen und viele Hundert Meter hinabsturzten auf den harten Asphalt.

Seit King Kong im Jahre 1933 erstmals einem staunenden Publikum gezeigt wurde, ist er zu einer beliebten Figur der Pop-Kultur geworden, die immer wieder in Cartoons, Comic-Strips und in der Werbung auftaucht. Neuerdings macht er auch Reklame fur Eiscreme, Rum, Elektrizitatswerke und VW. Und naturlich gab es zahlreiche Verfilmungen dieses effektvollen Stoffes. Was King Kong vor anderen Filmmonstern auszeichnet – abgesehen von seiner Gro?e –, ist sein mitleiderregendes Schicksal. Niemand hat auch nur eine Trane vergossen, wenn Dracula zu Staub zerfiel oder wenn Frankenstein in einem brennenden Laboratorium zugrundeging. Aber viele Leute haben zugegeben, da? sie von Trauer und Wut erfullt waren, als King Kong den Maschinengewehren des Militars zum Opfer fiel.

Warum ist King Kong schon seit Jahrzehnten ein Publikumsliebling? Kritiker und Psychologen haben versucht, die Anziehungskraft des Riesenaffen unter politischen, soziologischen und psychologischen Gesichtspunkten zu erklaren. Manche behaupteten, King Kongs Amoklauf durch die Great Wall von Skull Island reprasentiere den Wall Street Krach von 1929, der die amerikanische Selbstzufriedenheit nach dem Ersten Weltkrieg zerstorte und zur Depression fuhrte. Oder der Affe appelliere an die primitiven Instinkte des Menschen, die in der Zwangsjacke der Zivilisation stecken. Der gro?e schwarze Gorilla, der die halbe New Yorker City zerstort, wahrend er dem schonen Madchen nachlauft, wurde auch als Personifizierung der Angst betrachtet, die das wei?e Amerika vor dem schwarzen empfindet, eine Angst, vermischt mit einer Vorahnung des Harlem Aufstands der sechziger Jahre. Und King Kongs Todessturz vom »Phallussymbol« des Empire State Building kann auch als Sinnbild des feministischen Kampfes gegen die Vorherrschaft der Manner angesehen werden. Und so weiter. Zweifellos bietet die King Kong- Story zahllose Interpretationsmoglichkeiten. Aber Kongs Erfinder, Merian C. Cooper, wehrte sich energisch gegen solche Deutungen und behauptete, seine Affengeschichte sei nichts anderes als simple Unterhaltung.

Im Gegensatz dazu verkundet die jungste Neu Verfilmung, die 24 Millionen Dollar kostete, ein wenig zu laut ihr Anliegen, wie zum Beispiel ihre Kampagne gegen Umweltverschmutzung und Ausbeutung der Dritten Welt, um ernstgenommen zu werden. Man darf annehmen, da? wohl doch die kommerziellen Erwagungen im Vordergrund standen (und ein Riesenaffe, der sich von einem zarten, kleinen, schwachen Madchen auf die Nase boxen und als »verdammtes Chauvinisten-Schwein« beschimpfen la?t, braucht nicht tief zu fallen - nicht einmal vom Zentrum des Welthandels).

Der Hauptgrund fur King Kongs Popularitat liegt wohl in der Tatsache, da? er in einer spektakularen Variante des Mythos von der Verbindung zwischen Schonheit und Bestialitat die Bestie verkorpert. Wir bemitleiden ihn, weil er hoffnungslos in Ann verliebt ist (Dwan in der Neuverfilmung), genauso, wie die hoffnungslose Liebe des ha?lichen, buckligen Quasimodo zu Esmeralda unser Mitgefuhl erregt. Denn jeder Mensch hat sich irgendwann in seinem Leben nach dem Unerrreichbaren gesehnt oder den Schmerz unerwiderter Liebe empfunden. In jedem von uns steckt ein kleiner King Kong. Und wenn Angehorige unserer Spezies, Piloten und Soldaten, die unter dem Befehl unbehaarter Affen stehen, die verliebte Bestie vernichten, dann sind wir alle wutend und beschamt und kommen uns ein bi?chen schabig vor.

King Kong gibt uns das Gefuhl, klein zu sein.

Oder, wie Shakespeare es ausgedruckt hat, als er seinen »Julius Casar« schrieb und dabei aber offensichtlich »King Kong« meinte: »Ja, er beschreitet, Freund, die enge Welt wie ein Kolossus, und wir kleinen Leute, wir wandeln unter seinen Riesenbeinen und schaun umher nach einem schnoden Grab.«

Im Gegensatz zu den beiden anderen beliebten Film-Monstern, Dracula und Frankenstein, hat King Kong keinen literarischen Ursprung, sondern wurde eigens fur den Film von 1933 erfunden. Aber er hat mehrere literarische Vorganger, die jene Filmemacher beeinflu?t haben mochten oder auch nicht.

King Kongs fruhester Ahnherr kommt vielleicht in der Episode aus Swifts »Gullivers Reisen« (1726) vor, in der Lemuel Gulliver das Land des Riesen Brobdingnags besucht, von einem gigantischen Affen gepackt und im King -Kong-Stil aufs Dach gehoben wird. »Hunderte am Hof sahen den Affen, als er auf dem Dach des Gebaudes sa?, mich wie ein Baby in der einen Hand hielt und mich mit der anderen futterte…«

Victor Hugos »Glockner von Notre Dame« (1831), in dem der tierische Quasimodo die schone Esmeralda in den Glockenturm der hochsten Kirche von Paris bringt und dann verbissen gegen die Belagerer kampft, hat ebenfalls Parallelen mit der Kong-Saga.

In neuerer Zeit beschrieb H. Rider Haggard, der Autor von »Sie« und »Konig Salomons Schatzkammer«, zwei Kongahnliche Affen in zweien seiner Allan-Quatermain-Romanen – in »Allan und die Heilige Blume« (1915) und »Heu Heu oder das Monstrum« (1924). Die betreffende Episode aus ,Allan und die Heilige Blume« ist in der vorliegenden Anthologie unter dem Titel »Der Monstergott« enthalten. Ein obskurer Roman aus dem Jahr 1923, »Das Volk des Abgrunds« von Christopher Beck, handelt ebenfalls von einem Riesenaffen, der von einer Forschergruppe entdeckt wird.

1926 veroffentlichte Edgar Wallace, der beruhmte Thriller-Autor, einen geheimnisvollen Roman unter dem Titel »Der Racher« (auch bekannt als »Der haarige Arm« und »Das Extra-Madchen«). In diesem Roman sucht ein Filmregisseur ein attraktives Madchen aus, das er zu einem Star machen will, genauso, wie spater Carl Denhams Wahl auf Ann Darrow fallt, die in »King Kong« in seinem Film mitspielen soll. Wahrend der Film gedreht wird, bedroht ein unheimlicher, aber normal gro?er Orang-Utan die Schauspielerin Adele Leamington. Die Parallelen zwischen dem »Racher« und dem ersten »King Kong«-Film sind nicht auffallend, aber gewi? interessant, wenn man bedenkt, da? Edgar Wallace am Drehbuch von »King Kong« mitgewirkt hat. 1930 wurde noch ein weiterer Roman veroffentlicht, in dem ein riesiger Anthropoide vorkommt – »Die eiserne Tempelglocke« von John Taine (Pseudonym des Mathematikers Eric Temple Bell). Wie in den Haggard-Romanen wird der Affe auch hier von Afrikaforschern entdeckt, aber in diesem Fall entpuppt sich der Affe als menschliches Wesen, das durch die Einwirkung unheilvoller Strahlen von einem Meteoriten in seinen Urzustand zuruckgefallen ist.

Es ist nun allgemein bekannt, da? Kong das Geisteskind des Regisseurs Marian C. Cooper war. Wahrend er 1929 in Afrika ein paar Pavian-Szenen fur die Verfilmung von A. E. W. Masons »Die vier Federn« drehte, kam er zum erstenmal auf die Idee, einen Film uber einen Riesenaffen zu machen. Zwei Jahre spater sprach Cooper mit seinem Freund uber diese Idee, mit dem legendaren David O. Selznick, der damals eben erst zum Vizeprasidenten der RKO Pictures ernannt worden war, einem der finanzschwachsten Hollywood-Studios. Selznick erkannte sofort, welche Moglichkeiten in diesem Projekt steckten, und engagierte Edgar Wallace als Drehbuchautor. Unglucklicherweise starb Wallace im Februar 1932 an Lungenentzundung, nachdem er nur einen Drehbuch- Entwurf angefertigt hatte. Daraufhin schrieben Jamey Creelman und Ruth Rose, die Frau Ernest B. Schoedsacks, der zusammen mit Cooper bei »King Kong« Regie fuhrte, das Drehbuch. Naturlich wollte Selznick nicht auf den werbetrachtigen Namen Wallaces verzichten und bezeichnete ihn im Vorspann als geistigen Vater Kongs, gemeinsam mit Cooper. So wurde der Glaube erweckt, Kong sei eine Erfindung von Edgar Wallace. Spater arbeitete Delos W. Lovelace Creelman Roses Drehbuch zu einem Roman um, der auch gelegentlich Edgar Wallace zugeschrieben wurde. Wer auch immer fur sich beansprucht, King Kong erfunden zu haben, den ersten Auftritt des Riesenaffen haben wir dem Cheftechniker des Originalfilms, Willis O’Brien, zu verdanken. O’Brien, ein Meister von Spezialeffekten aller Art, wurde mit dieser Aufgabe betraut, da man sich an die Pionierarbeit erinnerte, die er in der Trickfilmtechnik im Jahr 1925 geleistet hatte. Damals hatte er Dinosaurier-Modelle fur den Stummfilm »The Lost World« nach dem Roman Arthur Conan Doyles fotografiert. Der Film handelte von einer Expedition auf ein entlegenes Plateau in Sudamerika, wo noch prahistorisches Leben existierte. Den Hohepunkt des Filmes stellen die Szenen dar, wo gezeigt wird, wie ein Dinosaurier nach London gebracht wird und einen Gro?teil der Stadt verwustet.

Willis O’Briens Witwe, Mrs. Darlyne O’Brien, hatte behauptet, sie wurde ihren Mann in Mimik und Gestik des originalen King Kong wiedererkennen. Wie dem auch sei, O’Brien konnte uber ein erstklassiges Team von Effekt-

Вы читаете King Kongs Rivalen
Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату
×