Mann, ein Riese mit rotem Gesicht in einem locker sitzenden wei?en Drillichanzug, der wie ein nasses Leichentuch an ihm hing. In einer Hand trug er einen Kiboko, die andere hob er hoch, um mich zu begru?en. Er rief mir etwas zu, dann wandte er sich um und schrie die gebeugten Eingeborenen an. Offenbar hatten sie Angst vor ihm, denn sie wichen zuruck, blieben am Rand der Lichtung stehen, in flusternden Gruppen zusammengedrangt, wahrend der Wei?e auf die Veranda zukam.

Ich sah ihm mit ausdruckslosem Gesicht entgegen. Ich glaubte zu wissen, wer er war, denn man hatte mir mitgeteilt, da? eine gro?e Gummigesellschaft einen Landstrich in der Nahe des Dorfes verpachtet hatte. Diese Company, so stand in dem Bericht, wurde einen Burschen namens Matthew Betts nach Kodagi schicken, der mit verschiednen Baumen und Reben, die Milchsaft produzierten, experimentieren wollte.

Wenn dies der Mann war, den die Company ins Dorf geschickt hatte, so war mir sofort klar, da? ich ihn nicht mochte. Er war betrunken, und es ist nicht gut, wenn die Wei?en im hei?en, von Fieberkrankheiten heimgesuchten Kongo den Rum der Eingeborenen trinken. Ich war froh, als mir mein Jopalou-Hausdiener die lastige Pflicht abnahm, dem Neuankommling die Verandatur zu offnen.

Dann sah ich, da? er stockbetrunken war. Er stolperte auf den Stufen, verlor beinahe das Gleichgewicht. Vielleicht sah er Kodagi nicht, der auf der Schwelle hockte. Vielleicht sah er ihn, ignorierte ihn jedoch. Jedenfalls blieb sein Fu? zwischen Kodagis schwarzen Beinen hangen. Er taumelte, fiel gegen das Moskitonetz, und ehe ich es verhindern konnte, wirbelte er mit einem wutenden Schrei zu Kodagi herum. Sein schwerer Stiefel traf die nackten Rippen des Ngana. Kodagi heulte auf vor Schmerz, krummte sich zusammen, sturzte die Stufen hinab, in den Schlamm.

Betts richtete sich auf und kam grinsend auf mich zu. Er machte zwei Schritte, offnete den Mund, dann erstarb sein Grinsen abrupt. Nackte Angst spiegelte sich in seinem aufgedunsenen Gesicht. Seine Augen weiteten sich, er wurde aschfahl, dann warf er sich zur Seite und hob eine Luger. Flammen schossen aus der Mundung, die Kugeln zischten gefahrlich nah an mir vorbei und drangen in das dichte Gestrupp neben dem Gelander der Veranda.

Sekundenlang war es totenstill. Betts stand zitternd vor mir. Dann bewegte sich etwas hinter ihm, am Rand der Lichtung. Die Gepacktrager kreischten auf vor Angst, stoben in alle Richtungen davon, um sich in Sicherheit zu bringen. Njo, mein Hausdiener, kniete in der Tur, murmelte etwas in seiner Muttersprache vor sich hin. Kodagi, der verkrummt am Fu? der Treppe gelegen hatte, war verschwunden.

Langsam wandte ich mich um, starrte in das Gestrupp, das Betts’ Aufmerksamkeit erregt hatte. Ich sah nichts – uberhaupt nichts. Wutend ging ich auf Betts zu und packte ihn am Arm. »Sind Sie verruckt?«

»Verruckt?« wisperte er mit trockenen Lippen. »Haben Sie es denn nicht gesehen, Varicks?«

»Was?«

»Das – das Ding – da zwischen den Zweigen.« Seine Augen glitten zur Seite, gerotete braune Augen, in geschwollenen Lidern eingebettet, so da? sie unnaturlich klein wirkten. Er hob einen bebenden Zeigefinger.

Ich zuckte mit den Schultern. »Sie sind betrunken. Kommen Sie herein.«

»Ich – ich habe ihn gesehen, Varicks«, stammelte er. »Einen Affen – einen wei?en Affen – riesengro?. Er stand da und knurrte mich an.«

»Kommen Sie.« Ich griff nach seinem Arm. Offenbar hatte er sehr tief ins Glas geschaut. Wei?e Affen – im Kongo! Was fur ein Unsinn!

Aber er lie? sich nicht in die Hutte fuhren. Er entzog mir seinen Arm, blieb storrisch stehen und erklarte, er konne diesem Ding nicht den Rucken zuwenden. Ich erkannte, da? ich ungewohnliche Ma?nahmen ergreifen mu?te, sonst wurde ich einen tobenden, fiebernden, betrunkenen Wahnsinnigen am Hals haben.

»Sie haben sich das nur eingebildet«, sagte ich beruhigend. »Kommen Sie, wir werden nachsehen. Wenn sich etwas im Gestrupp versteckt hat, mu?ten wir Fu?spuren im Schlamm finden.«

Widerstrebend ging er mit mir. Wir stiegen die Verandastufen hinab, wateten durch den Schlamm zu dem ominosen Gebusch. Betts stand neben mir, zitternd und unbehaglich, als ich die Zweige auseinanderschob. Und dann stockte mein Atem. Unglaubig starrte ich auf den Abdruck eines Fu?es. Betts ri? die Augen auf. Seine Finger gruben sich in meinen Unterarm. Er flusterte etwas, aber ich verstand seine Worte nicht, denn ich lag bereits auf den Knien, um den Fu?abdruck zu inspizieren.

Es war der Abdruck eines Mannerfu?es – eines nackten Fu?es. In der Ferse hatte sich ein kleiner Teich gebildet, Wasser vermischt mit Blut.

Wortlos richtete ich mich auf, dann durchsuchte ich das ganze Gestrupp. Ich fand nichts – nichts au?er diesem geheimnisvollen, blutigen Fu?abdruck. Als ich Betts schlie?lich zur Treppe zuruckstie?, war mein Mund staubtrocken. Ich hatte Angst.

Auf der Veranda lie? ich mich in einen Sessel fallen. Betts setzte sich zu mir und starrte mich furchtsam an. Minutenlang wagte keiner von uns das Schweigen zu brechen. Dann beugte sich Betts vor, legte eine Hand auf mein Knie und flusterte: »Was – was war das?«

Ich antwortete nicht sofort. Ich dachte an Kodagi, den er in den Schlamm geworfen hatte, der so unglaublich schnell verschwunden war. Eben noch hatte der Medizinmann reglos im Schmutz gelegen, im nachsten Augenblick hatte Betts die seltsame Erscheinung im Gestrupp gesehen, und Kodagi war plotzlich verschwunden.

»Ich wei? nicht, was es war«, sagte ich ruhig. »Ich wei? nur, da? Sie eine Riesendummheit gemacht haben.«

»Eine Dummheit? Ich?«

»In diesem Dorf werden die Eingeborenen nicht getreten und geschlagen. Wir sind im tiefsten Dschungel. Hier leben nicht die halb zivilisierten, friedlichen Neger, an die Sie gewohnt sind. Die Leute hier sind atavistisch, und viele gehoren den Bakanzenzi an.«

»Sie – Sie meinen…«

»Sie sind hier im Herzen eines fremdartigen Dschungels, inmitten fremdartiger Menschen. Hier geschehen seltsame Dinge. Das ist die einzige Erklarung, die ich Ihnen anbieten kann.«

»Aber der Affe – ich habe ihn doch gesehen…«

»Hier gibt es keine Gorillas, Betts. Die Menschenaffen kommen nie in diese Gegend. Sie verlassen niemals ihre Heimat in den Ogowwi- und Kivu-Distrikten.«

Er blinzelte mich verstandnislos an. Zitternd hob er eine dicke Hand, um sich den Schwei? vom Kinn zu wischen. Meine Worte hatten ihn offenbar tief beeindruckt, denn in seinen Augen stand Entsetzen, und seine Lippen zuckten. »Geben Sie mir einen Drink, Varicks« stie? er hervor. »Ich kann einen brauchen.«

Ich zogerte. Er hatte schon mehr als genug getrunken. Aber ein Glas wurde vielleicht seine Nerven starken und einen Zusammenbruch verhindern. Ich stand auf, um die Flasche zu holen. Auch er erhob sich und wandte sich schwerfallig zur Verandatur um. Er offnete sie und blickte zum anderen Ende der Lichtung, wo die Safari aufgetaucht war.

»Lucilia!« schrie er. »Lucilia!«

Ich war verwirrt, und meine Verwirrung wuchs noch, als ich der Richtung seines Blickes folgte und sah, was mir zuvor entgangen war. Ein Masheela-Stuhl, eine Art verschleierter Sanfte, stand am Waldrand, wo die vier Trager ihn abgesetzt hatten, bevor sie Hals uber Kopf davongesturzt waren. Nun waren sie zuruckgekommen. Betts befahl ihnen, den Masheela zur Hutte zu tragen, und sie gehorchten.

»Mein Gott«, flusterte ich, »Sie haben eine Frau mitgebracht?«

»Warum nicht?«

»Hier hat eine wei?e Frau nichts zu suchen, Betts. Das wissen Sie ganz genau…«

»Das ist meine Sache«, unterbrach er mich. »Sie ist meine Frau.«

Ich schluckte die Entgegnung hinunter, die mir auf der Zunge lag. Dann wandte ich mich um und starrte die Frau an, die auf uns zukam. Sie war jung, – viel junger als ihr Mann, eine schlanke, sehr schone Frau. Als Betts uns miteinander bekanntmachte und sie ihre Hand in die meine legte, war ich nur zu gern bereit, die Anwesenheit ihres betrunkenen Mannes hier in Kodagi zu ertragen. Eine wei?e Frau an diesem schrecklichen Ort – es war, als sei ein Engel vom Himmel herabgestiegen.

Am nachsten Tag sah ich nur wenig von Betts und seiner Frau. Sie fuhrten ihre Safari ans andere Ende des Dorfes und lie?en sich mit ihrer gesamten Ausrustung in einer Gruppe halbverfallener, leerstehender Hutten nieder. N jo, mein Hausdiener, erzahlte mir am spaten Nachmittag, da? Betts allein in den Dschungel gegangen war, um eine Besichtigungstour zu unternehmen.

»Allein?« Ich runzelte die Stirn und starrte auf Njos gelbe Zahne.

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