»Ja, Bwana. Er ist ein unwissender Narr.«

»Ist er betrunken?«

»So betrunken, Bwana, da? er nicht gerade gehen kann.«

»Hm. Glaubst du, da? er auch betrunken war, als er behauptete, er hatte einen wei?en Affen gesehen?«

Die Augen des kleinen Jopaous weiteten sich vor Angst. Er schnitt Grimassen und warf sich vor mir auf die Knie. Ich mu?te meine Frage wiederholen, bevor ich eine Antwort bekam.

»Andere haben den wei?en Affen auch gesehen, Bwana«, flusterte er. »Ich selbst sah ihn eines Abends im Dschungel, in der Nahe des Mondturms, wo sich die Bakanzenzi treffen. Und viele Manyimas und Zapo Zaps haben ihn gesehen. Es ist Mafui – der Weraffe. Er ist nicht von dieser Welt, Bwana.«

»Hast du Angst vor ihm?«

»Angst? Und wie! Der Mafui ist ein Todesbote.«

Ich sah ihn prufend an. Kein Zweifel, die Angst, die ich in seinen Augen las, war echt. Ich zuckte gleichmutig mit den Schultern, um mein eigenes Unbehagen zu verbergen, wandte mich ab, drehte mich dann jedoch noch einmal zu Njo um. »Wo ist Kodagi?«

»In seiner Hutte, Bwana, auf der anderen Seite des Dorfes.«

»Geh zu ihm«, befahl ich. »Sag ihm, es tut mir leid, da? der wei?e Mann ihn getreten hat. Sag ihm, er soll zu mir kommen, ich werde seine Wunden heilen.«

»Ja, Bwana.«

N jo lief davon. Eine Zeitlang ging ich in meiner Hutte auf und ab und lauschte dem Regen, der auf das Dach trommelte. Dann trat ich auf die Veranda hinaus und vergewisserte mich, da? mein Revolver, ein Webley 44, in der Halfter steckte.

Eine Stunde spater kam Betts zu Besuch. Er kam allein, watete muhsam durch den dunklen Schlamm, stockbetrunken und in schlechter Laune. Zitternd sank er neben mir auf einen Verandastuhl. »Dieses verdammte Wetter…«

»Sie trinken zuviel. In dieser Gegend kann man sich nicht vollaufen lassen, wenn man am Leben bleiben will. Man kann nicht…«

»Man kann nicht, man kann nicht!« unterbrach er mich wutend. »Das ist offenbar der wichtigste Satz in diesem verfluchten Land. Man hat mir gesagt, da? ich im Ituri-Distrikt keinen Gummi produzieren kann. Aber, bei Gott, ich habe die Konzession, und ich werde es tun.«

Ich zuckte mit den Schultern. Wenn er sich mit dem starken Rum der Eingeborenen umbringen wollte, so war das seine Sache. Aber ich dachte an seine schone junge Frau mit dem zarten Gesicht. Ich bedauerte sie aus tiefster Seele.

Das Ende war unausweichlich. Der Alkohol und der Regen wurden ihn um den Verstand bringen. Er wurde Lucilia das Leben zur Holle machen. Ein Blick in ihr sorgenvolles Gesicht hatte mir genugt, um zu erkennen, da? diese Entwicklung bereits begonnen hatte.

»Sie mussen Ihre Frau zuruckschicken«, sagte ich. »Sie haben kein Recht dazu, sie hierzuhalten und…«

Die Tur hinter mir offnete sich. Ich drehte mich rasch um. Njo kam auf mich zu. Er war aus dem Dorf zuruckgekehrt und hatte eine Nachricht fur mich.

Er beugte sich zu mir herab und flusterte mir ins Ohr: »Bwana, Kodagi sagt, da? er kommen wird, und er bedankt sich. Er sagt, da? du sein Freund bist, aber der wei?e Mann mit den roten Augen soll sich in acht nehmen. Das ist alles, Bwana.«

Njo verschwand im Haus, und ich wandte mich wieder zu Betts. Meine Augen verengten sich. »Sie sind in Gefahr. Sie haben kein Recht dazu, auch Ihre Frau dieser Gefahr auszusetzen.«

»Nein? Komisch, da? Sie sich so fur meine Frau interessieren…«

»Ich werde tun, wozu Sie nicht imstande sind – weil Sie zu betrunken sind«, stie? ich hervor. Ich konnte mich nur noch muhsam beherrschen. Am liebsten hatte ich ihn erwurgt.

»Wenn es in diesem Dorf so gefahrlich ist, warum bleiben Sie dann hier?« fragte er spottisch.

»Weil ich nicht in Gefahr bin. Ich trete nicht nach Medizinmannern, und ich schie?e nicht auf wei?e Affen. Ich kummere mich nur um meine eigenen Angelegenheiten.«

»Und?«

»Mein Vorganger war so wie Sie. Er tat immer nur das, wozu er Lust hatte. Er starb ganz langsam – und qualvoll – und auf geheimnisvolle Weise.«

Meine Worte verfehlten ihre Wirkung. Betts stand schwankend auf und grinste mich an. »Sie sind schlimmer als die Nigger mit Ihrem verdammten Aberglauben. Ich bin vernunftiger. Und was ich begonnen habe, werde ich auch zu Ende bringen.«

»Sie weigern sich also, Lucilia zuruckzuschicken?«

»Sie bleibt hier bei mir. Ich brauche jemanden, der mir die Drinks eingie?t, Varicks. Zu was anderem ist sie nicht zu gebrauchen, aber vielleicht lernt sie mit der Zeit noch was dazu.«

»Sind Sie…« Ich brach ab. Diese Frage war indiskret.

»Was?«

»Sind Sie schon lange verheiratet?«

»Etwa einen Monat.« Er wandte sich ab. »Ich glaube, es war ein Fehler. Aber vielleicht lernt sie’s noch. Ja, ich werde es ihr schon beibringen.«

Dann stolperte er die Treppe hinab und taumelte durch das Dunkel davon.

Danach sah ich ihn ziemlich oft. Er war standig betrunken, und immer, wenn er zu mir kam, prahlte er mit den gro?artigen Fortschritten, die er gemacht hatte. Er hatte seine Hutten bereits repariert, so da? sie dem trommelnden Regen standhielten. Und er hatte Vorbereitungen getroffen, um seine Milchsaftgewachse zu pflanzen. Seine Frau begleitete ihn nur selten, wenn er mich besuchte. Zuerst konnte ich das nicht verstehen. Aber eines Abends, als sie ihn begleitete, erkannte ich den Grund. Sie schamte sich.

Ha?liche rote Flecken entstellten ihren schonen Hals. Rote Striemen zogen sich uber ihre blasse linke Wange. Er mu?te sie geschlagen oder gekratzt haben. Aber sie sagte nichts. Sie schwieg auch, wenn wir uns zufallig allein begegneten.

Und dann sagte Betts eines Abends: »Ich habe eine gro?e Lichtung im Dschungel gesehen, Varicks – etwa eine Viertelmeile vom Dorf entfernt. Was ist denn das fur ein komischer Turm in der Mitte dieser Lichtung?«

Ich wu?te, was er meinte. Er hatte den Versammlungsort der Bakanzenzi gefunden, der kannibalistischen Sekte. Der Turm war eine massive Saule aus schimmerndem wei?en Stein, eine Plattform umgab die Spitze, die sich wie ein Gegenstand aus einer anderen Welt aus dem Dschungel erhob.

Wahrend der vier Monate, die ich nun in Kodagis Dorf lebte, hatte ich mir diesem Turm schon oft angesehen. Er war nicht hohl, und die Steine waren offenbar aus weiter Ferne angeschleppt worden, denn in der naheren Umgebung hatte ich kein ahnliches Gestein entdecken konnen. Ich glaube, da? die Phonizier diesen Turm gebaut haben, vor vielen Jahrhunderten. Im dunklen Innern des afrikanischen Kontinents stehen viele solche Turme. Sie waren zu Ehren der phonizischen Gottin Astarte errichtet worden. Aber nun sind sie den Gottern der Eingeborenen geweiht, und der schwarzen Magie.

Ich erklarte das alles dem Mann, der mir gegenubersa?, so gut ich konnte. Er zuckte mit den Schultern, als ich Astarte erwahnte, und grinste spottisch, als ich von Mafui sprach. »Was sind denn das fur merkwurdige Leute, diese Bakanzenzi?«

»Das wei? ich nicht genau, Betts. Kein Wei?er kennt die geheimen Kulte der Schwarzen. Die Bakanzenzi sind Kannibalen, die sich angeblich zu bestimmten Zeiten in Tiere verwandeln konnen. Kodagi hat mir erzahlt, da? jene Lichtung den Bakanzenzi heilig ist. Sie feiern bei dem alten wei?en Turm ihre kultischen Feste. Die Lichtung ist von verkrummten Okis umgeben, die angeblich Zauberbaume sind. Kodagi behauptet, da? jeder, der den heiligen Ort entweiht, mit dem Tode bestraft wird – mit einem grausamen Tod.«

»Unsinn«, sagte Betts. »Sie sind ein altes Waschweib, Varicks.«

»Ich habe lange genug im Dschungel gelebt, um vorsichtig zu sein«, erklarte ich.

»Tatsachlich? Und ich bin lange genug hier, um zu wissen, da? diese Lichtung eine wunderbare Plantage abgeben wird. Morgen werde ich anfangen, den Boden zu bebauen.«

Ich versuchte ihn von seinem Vorhaben abzubringen, aber er sagte, die Lichtung gehore zu seinem Pachtgrund und es sei sein gutes Recht, sie zu bepflanzen. Am nachsten Tag ging er mit einer Negerschar in den

Вы читаете King Kongs Rivalen
Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату
×