nie vor Gericht gestellt worden, wenn damals nicht durchgesickert ware, da? da noch ein anderer Mann existierte - er machte sich aus dem Staube, nebenbei bemerkt. Es sah aus, als sei er nicht so ganz uberzeugt, selbst wenn die Geschworenen es sein sollten. Ich sage Ihnen, Haydock, was diese Frau betrifft, befurchte ich einen neuen - Unfall!«

»Es sind neun Jahre seit dieser Affare vergangen. Weshalb sollte es jetzt einen neuen Unfall geben, wie Sie es nennen?«

»Ich habe nicht gesagt, jetzt. Ich sagte, irgendwann. Wenn das erforderliche Motiv auftaucht.«

»Ich kann mir nicht vorstellen, wie Sie das verhindern wollen«, sagte Haydock.

»Ich auch nicht«, entgegnete Evans kleinlaut.

»Meiner Meinung nach sollte man die Sache auf sich beruhen lassen. Es ist noch nie etwas dabei herausgekommen, in anderer Leute Angelegenheiten herumzustochern«, brummte der Kapitan.

Dieser Rat war nicht nach dem Geschmack des Inspektors. Er war ein Mann der Geduld, aber auch des Entschlusses. Er verabschiedete sich von seinem Freund und schlenderte hinunter ins Dorf. In Gedanken erwog er die Moglichkeiten, ein eventuelles Verbrechen zu verhindern.

Als er in das Postamt trat, um einige Briefmarken zu kaufen, stie? er ausgerechnet mit George Merrowdene zusammen. Der ehemalige Chemieprofessor war ein kleiner, vertraumt aussehender Mann, hoflich und gutig in seiner Art, aber gewohnlich mit seinen Gedanken woanders. Er erkannte Evans und begru?te ihn freundlich. Dann buckte er sich, um die Briefe aufzusammeln, die durch den Zusammensto? zu Boden gefallen waren. Evans war ihm behilflich und schielte dabei auf die Briefe. Die Adresse auf dem einen Umschlag verstarkte seinen Verdacht aufs neue. Er trug den Namen einer bekannten Versicherungsgesellschaft. Sofort stand sein Entschlu? fest.

Der arglose Merrowdene bemerkte kaum, wie es kam, da? er nun zusammen mit dem Inspektor durch das Dorf ging, und noch weniger hatte er sagen konnen, weshalb er plotzlich von seiner Lebensversicherung sprach. Evans hatte keine Muhe, ihn fur sich zu gewinnen. Merrowdene gab bereitwilligst Auskunft, da? er gerade sein Leben zugunsten seiner Frau versichert habe, und fragte nach Evans' Meinung uber die Firma, mit der er abgeschlossen hatte.

»Ich habe schon manch eine unuberlegte Investition gemacht«, erklarte er, »mit dem Resultat, da? mein Vermogen zusammengeschrumpft ist. Sollte mir etwas passieren, ware meine Frau schlecht daran. Diese Versicherung soll das verhindern.«

»Hat sie gegen diese Idee keinen Einspruch erhoben?« erkundigte sich Evans beilaufig. »Manche Frauen tun das, wissen Sie. Sie meinen, es brachte Ungluck oder so etwas.«

»Ach, Margaret ist sehr praktisch«, entgegnete Merrowdene lachelnd. »Uberhaupt nicht aberglaubisch. Ich glaube, es war sogar ursprunglich ihre eigene Idee. Sie wollte nicht, da? ich mir Sorgen mache.«

Evans hatte die Information, die er wollte. Er verlie? den Professor kurz darauf. Sein Gesicht spiegelte grimmige Entschlossenheit wider. - Der verstorbene Mr. Anthony hatte auch eine Lebensversicherung zugunsten seiner Frau abgeschlossen - gerade ein paar Wochen vor seinem Tode.

Fur ihn gab es keinen Zweifel mehr. Aber was er unternehmen konnte, stand auf einem anderen Blatt. Er wollte keinen auf frischer Tat ertappten Verbrecher verhaften, sondern ein Verbrechen verhindern. Und das war etwas ganz anderes und viel schwieriger.

Den ganzen Tag uber war er sehr nachdenklich. Am Nachmittag gab der Primelzuchterverein ein Fest auf dem Besitz des ortlichen Gutsherrn, und er ging hin. Er spielte beim »Penny dip«, einer Art Lotterie, mit und warf mit Ballen nach leeren Blechdosen. In Gedanken aber war er standig bei seinem Problem. Er lie? sich sogar von Sarah, der Wahrsagerin, fur eine halbe Krone die Zukunft deuten und mu?te uber sich selbst lacheln, als er sich erinnerte, wie er wahrend seiner Amtszeit gegen diese Wahrsager vorgegangen war.

Er war nicht so richtig bei der Sache, bis das Ende eines Satzes seine Aufmerksamkeit erregte.

»... und Sie werden in Kurze, in allernachster Kurze in einer Sache stecken, bei der es um Tod oder Leben geht ...

Leben oder Tod eines Menschen.«

»Ha? Wie war das?« fragte er.

»Einen Beschlu?. Sie werden einen Beschlu? zu fassen haben. Sie mussen sehr vorsichtig sein, sehr, sehr vorsichtig. Wenn Sie einen Fehler machen, den kleinsten Fehler auch nur .«

Die Wahrsagerin erschauderte. Inspektor Evans wu?te, da? das alles Unsinn war, trotzdem war er beeindruckt.

»Ich warne Sie. Sie durfen keinen Fehler machen. Wenn Sie es doch tun, sehe ich die Folge ganz klar - den Tod.«

Komisch, verflixt komisch. Tod. Da? ihre Phantasie sie darauf gebracht hatte!

»Wenn ich einen Fehler mache, wird es einen Todesfall zur Folge haben? Ist es so?«

»Ja.«

»Aus diesem Grunde«, meinte Evans trocken und reichte ihr das Geldstuck hinuber, »darf ich also keinen Fehler machen, was?«

Er sprach zwar unbekummert, als er das Zelt verlie?, aber er war fest entschlossen aufzupassen. Leichter gesagt als getan! Er durfte keinen Schnitzer machen. Ein Leben, ein kostbares menschliches Leben hing davon ab. Und niemand war da, der ihm helfen konnte.

Er blickte hinuber zu seinem Freund Haydock, der in einiger Entfernung stand. Von ihm konnte er keine Hilfe erwarten.

»La? die Dinge auf sich beruhen«, war Haydocks Devise.

Haydock unterhielt sich mit einer Frau. Sie verabschiedete sich jetzt von ihm und kam auf Evans zu. Der Inspektor erkannte sie. Es war Mrs. Merrowdene. Impulsiv stellte er sich ihr genau in den Weg.

Mrs. Merrowdene war eine sehr gut aussehende Frau. Sie hatte eine breite, gerade Stirn und einen sanften Gesichtsausdruck. Mit ihren wunderschonen braunen Augen glich sie einer italienischen Madonna, und das unterstrich sie noch dadurch, da? sie ihr Haar in der Mitte gescheitelt trug. Ihre Stimme war warm und dunkel.

Sie lachelte Evans zu.

»Ich dachte mir doch, da? Sie es waren, Mrs. Anthony -ich meine, Mrs. Merrowdene«, sagte er hintergrundig.

Diesen Fehler hatte er absichtlich gemacht, und er beobachtete sie dabei, ohne es sich anmerken zu lassen. Er sah, wie sich ihre Augen weiteten und wie sie kurz den Atem anhielt. Aber sie zuckte mit keiner Wimper. Sie betrachtete ihn wurdevoll.

»Ich suche meinen Mann«, sagte sie ruhig. »Haben Sie ihn irgendwo gesehen?«

»Er war dort druben, als ich ihn zuletzt sah.«

Sie gingen Seite an Seite in der bezeichneten Richtung und plauderten. Der Inspektor fuhlte, wie seine Bewunderung wuchs. Welch eine Frau! Diese Selbstbeherrschung! Dieses wunderbare Gleichgewicht! Ein bemerkenswerter Mensch -und sehr gefahrlich.

Er fuhlte sich unbehaglich, obgleich er mit seinem ersten Schritt zufrieden war. Er hatte sie wissen lassen, da? er sie erkannt hatte. Sie wurde auf der Hut sein und es nicht wagen, irgend etwas Ubereiltes zu tun. Blieb noch Merrowdene. Wenn man ihn warnen konnte!

Sie fanden den kleinen Mann, wie er abwesend eine Porzellanpuppe betrachtete, die er gewonnen hatte. Seine Frau schlug vor, nach Hause zu gehen, und er stimmte freudig zu. Mrs. Merrowdene wandte sich an den Inspektor.

»Wollen Sie nicht mit uns kommen und gemutlich eine

Tasse Tee trinken, Mr. Evans?«

Lag da nicht ein leichter Ton von Herausforderung in ihrer Stimme? Er meinte, ihn bemerkt zu haben.

»Vielen Dank, Mrs. Merrowdene. Gern.«

Auf dem Weg unterhielten sie sich uber alltagliche Dinge. Die Sonne schien, und ein leichter Wind wehte. Die Welt schien ruhig und friedlich.

Ihr Hausmadchen sei auch bei dem Fest, erklarte Mrs. Merrowdene, als sie in dem hubschen Landhaus ankamen. Sie ging in ihr Zimmer, um ihren Hut abzusetzen. Dann kam sie zuruck und begann den Tee bereitzustellen. Auf einem kleinen silbernen Kocher brachte sie Wasser zurrt Sieden. Aus einem Fach neben dem Kamin nahm sie drei hauchdunne Schalen und Untertassen.

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