hatte, als falsch erkannt worden.

Man hatte ihn gefragt, von wem er diese Scheine hätte, er hatte mich genannt, und man kam zu mir, dem Ursprung des Falschgeldes nachzuforschen.

Da ich diese vier Scheine aus einem Portefeuille genommen hatte, worin, wie gesagt, ein Dutzend andere waren, die ich aus verschiedenen Quellen erhalten hatte, war es mir unmöglich, der Polizei irgendeine Auskunft zu geben.

Doch ich kannte meinen Juwelier als einen völlig ehrlichen Mann und erklärte, ich wäre bereit, die joo Franc zu ersetzen, wenn man mir das Falschgeld zurückgeben würde; aber man antwortete, dies wäre nicht üblich, denn die Bank bezahle alle Scheine, die man ihr präsentiere, auch wenn sie als falsch erkannt werden sollten.

Der Juwelier verließ mich, von dem Verdacht befreit, wissentlich eine falsche Banknote ausgegeben zu haben. Nach einigen weiteren Fragen entfernten sich auch die Polizisten, und ich hörte nichts mehr von dieser Sache.

9. Kapitel

Eine Ecke des Schleiers

Drei Monate waren vergangen, da fand ich unter meiner Morgenkorrespondenz folgendes kurze Schreiben:

»Mein libber Doktor,

Ich bin waraftig Krank und bedarf ernstlig Ihrer Wissenschaft; komen Sie heute zu Mir, wenn Sie ohne Groll gegen Mich sind.

Ihr ergebenster

Henri Vicomte de Faverne

Rue Taitbout Nr. ii«

Dieser Brief, den ich wortgetreu mit seinen orthographischen Fehlern wiedergebe, bestätigte die Ansicht, die ich von dem Mangel an Erziehung meines Patienten hatte. War er, wie er sagte, in Guadeloupe geboren, so durfte man sich übrigens weniger darüber wundern. Man weiß, wie sehr die Erziehung der Pflanzer vernachlässigt wird.

Doch andererseits hatte der Vicomte de Faverne weder die kleinen Hände noch die kleinen Füße, noch die schlanke, anmutige Gestalt, noch die reizende Sprache der Menschen aus den Tropenländern, und mir war es klar, daß ich es mit einem durch den Aufenthalt in der Hauptstadt nur oberflächlich abgehobelten Mann aus der Provinz zu tun hatte.

Da er indessen wirklich krank sein mochte, begab ich mich zu ihm. Ich trat ein und fand ihn in einem mit veilchenblauen und orangefarbenem Damast ausgeschlagenen Boudoir.

Zu meinem großen Erstaunen war dieser Winkel weit geschmackvoller als die übrige Wohnung.

Faverne lag halb auf einem Sofa, in einer sichtbar einstudierten Haltung, und war mit einer seidenen Hose und einem glänzenden Schlafrock bekleidet; zwischen seinen dicken Fingern schob er ein reizendes Flakon wertvollster Arbeit hin und her.

»Wie gut und freundlich ist es von Ihnen, mich zu besuchen, Doktor«, sagte er, indem er halb aufstand und mir durch ein Zeichen andeutete, ich möge mich setzen. »Übrigens habe ich Sie nicht belogen, ich bin furchtbar leidend.«

»Was haben Sie?« fragte ich. »Sollte es Ihre Wunde sein?«

»Nein, Gott sei Dank, es ist jetzt nicht mehr davon zu sehn, als wenn es ein Blutegelstich wäre. Nein, ich weiß nicht, Doktor, wenn ich nicht befürchtete, Sie könnten über mich spotten, würde ich sagen, ich habe Vapeurs[4]

Ich lächelte.

»Ja, nicht wahr«, fuhr er fort, »das ist eine Krankheit, die Sie ausschließlich für Ihre Schönen aufbewahren. Doch es ist darum nicht weniger wahr, daß ich leide - daß ich sehr leide, und zwar ohne sagen zu können, woran ich leide noch wie ich leide.«

»Teufel, das wird gefährlich. Sollte es Hypochondrie sein?«

»Wie nennen Sie das, Doktor?«

Ich wiederholte das Wort, doch ich bemerkte, daß es de Faverne unbekannt war. Inzwischen nahm ich seine Hand und legte zwei Finger auf die Arterie.

Er hatte in der Tat einen sehr aufgeregten Puls.

Während ich die Pulsschläge zählte, läutete es; der Baron zuckte zusammen, und die Pulsschläge beschleunigten sich.

»Was haben Sie?« fragte ich.

»Nichts«, antwortete er. »Das ist nur stärker, weil ich ... jedesmal, wenn ich eine Klingel höre, bebe ich, und dann muß ich erbleichen. Ah! Doktor, ich sage Ihnen, ich bin sehr krank.«

Der Vicomte war in der Tat leichenblaß geworden.

Ich begann zu glauben, daß er nicht übertrieb und daß er in Wirklichkeit sehr litt; nur war ich überzeugt, daß diese physische Erschütterung eine psychische Ursache hatte.

Ich schaute ihn scharf an, er senkte die Augen, und der Blässe, die sein Gesicht bedeckt hatte, folgte eine lebhafte Röte.

»Ja«, sagte ich, »Sie leiden offenbar.«

»Nicht wahr, Doktor?« rief er. »Ich habe schon zwei Ihrer Kollegen zu Rate gezogen; sie waren so sonderbar, daß ich es nicht wagte, zu Ihnen zu schicken, um Sie rufen zu lassen. Die Dummköpfe lachten, als ich ihnen sagte, ich leide an den Nerven.«

»Sie leiden« versetzte ich, »doch es ist keine körperliche Ursache, die Sie leiden macht; Sie haben irgendeinen psychischen Schmerz, eine ernste Ursache vielleicht.«

Er bebte.

»Und welche Ursache sollte ich haben? Alles geht im Gegenteil auf das beste. Meine Heirat . ah, Sie wissen? Meine Heirat mit Fräulein de Macartie, die wegen Ihres Herrn Olivier beinahe in die Brüche gegangen wäre .«

»Ja; nun?«

»Sie wird in vierzehn Tagen stattfinden; das erste Aufgebot ist verkündet. Übrigens ist er für seine Behauptungen sehr bestraft worden und hat sich bei mir entschuldigt.«

»Wieso?«

»Germain«, sagte der Vicomte, »geben Sie mir das Portefeuille, das dort auf der Ecke des Kamins liegt.«

Der Bediente gehorchte, de Faverne nahm das Portefeuille und öffnete es.

»Sehen Sie«, sagte er mit einem leichten Zittern in der Stimme, »hier ist mein Geburtsschein; in Pointe-a- Pitre geboren, wie Sie sehen; ferner ist hier ein Zeugnis von Herrn de Malpas, in dem bestätigt wird, daß mein Vater einer der reichsten Grundeigentümer in Guadeloupe ist.

Diese Papiere sind Herrn Olivier vorgelegt worden, und da er die Unterschrift des Gouverneurs kannte, mußte er gestehen, die Unterschrift wäre echt.«

Während er mir diese Papiere zeigte, steigerte sich seine Aufregung von Sekunde zu Sekunde.

»Ihr Leiden muß heftiger geworden sein?« fragte ich ihn.

»Warum soll ich nicht leiden! Man verletzt mich, man verfolgt mich, ich werde verleumdet. Ich muß ständig damit rechnen, eines Verbrechens angeklagt zu werden. O ja, Doktor, Sie haben recht«, fuhr er mit einer gewissen Anstrengung fort, »ich leide, ich leide ungemein.«

»Sie müssen sich beruhigen.«

»Mich beruhigen, das ist leicht gesagt! Bei Gott, wenn ich mich beruhigen könnte, wäre ich geheilt.

Hören Sie, es gibt Augenblicke, wo meine Nerven starr werden, als ob sie zerspringen wollten, wo

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