»Im Sonnenschein vor dem Hause sitzen und essen und fuhlen, da? Sommer ist« – so hatte Melcher sich ihren ersten Abend im Schreinerhaus vorgestellt. Zwar wurde es ein wenig anders, aber Sommer war es, das fuhlte Malin so sehr, da? ihr die Tranen in die Augen traten. Au?erdem merkte sie, da? sie Hunger hatte; und sie fragte sich, wie weit Melcher wohl mit dem Herd gekommen sei.

Ziemlich weit war er gekommen.

»Malin, wo bist du?« schrie er, weil er immer nach seiner Tochter rief, sobald etwas schiefging. Aber Malin war au?er Horweite, und er fand sich wohl oder ubel damit ab, da? er allein war und sich selber helfen mu?te.

»Allein mit meinem Gott und einem eisernen Herd, der jetzt gleich zum Fenster rausfliegt«, murmelte er aufgebracht, aber dann mu?te er wieder husten und konnte nicht mehr sprechen. Er starrte den Herd an, der so bosartig Rauch uber ihn hinwegblies, obwohl er ihm nichts Boses getan, nur Feuer darin angemacht hatte, behutsam und vorsichtig. Er stocherte mit dem Feuerhaken im Herdloch herum, und schon paffte eine neue Rauchwolke uber ihn hinweg. Heftig hustend rannte er los, um alle Fenster zu offnen. Als er das getan hatte, ging die Tur auf, und es kam jemand herein. Es war das majestatische Kind, das vorhin auf der Landungsbrucke gestanden hatte. Das Kind mit dem erstaunlichen Namen – Korb oder Tjorv oder so ahnlich. Wie ein kleiner, prall gefullter Korb sieht sie auch aus, dachte Melcher, rund und gut. Das Gesicht, das unter dem Sudwester hervorsah, war, soviel er durch den Rauch sehen konnte, ein seltsam reines und schones Kindergesicht, breit, gutartig und mit klugen, forschenden Augen. Ihren riesigen Hund hatte sie auch mitgebracht, und er wirkte innerhalb des Hauses noch riesiger, er schien die ganze Kuche auszufullen.

Aber Tjorven war wohlerzogen auf der Schwelle stehengeblieben.

»Es qualmt«, sagte sie.

»Wahrhaftig?« erwiderte Melcher murrisch. »Das hab ich nicht bemerkt.«

Dann hustete er so sehr, da? ihm die Augen aus dem Kopf zu springen drohten.

»Doch, es qualmt«, versicherte Tjorven. »Wei?t du was? Vielleicht liegt eine tote Eule im Schornstein. Das hatten wir mal bei uns zu Hause.« Dann schaute sie Melcher forschend an und lachelte breit. »Du bist schwarz im Gesicht, du siehst aus wie ein Schornsteinfeger.«

Melcher hustete.

»Schornsteinfeger? Keineswegs! Ich bin ein Buckling, mein Kind, ein ganz frisch geraucherter Buckling. Ubrigens finde ich, du kannst nicht einfach du zu mir sagen. Du mu?t Herr Melcherson sagen.«

»Hei?t du denn so?« fragte Tjorven.

Melcher brauchte nicht zu antworten, denn nun kamen zum Gluck Malin und auch die Jungen.

»Papa, wir haben einen Frosch im Brunnen gefunden«, sagte Pelle eifrig. Aber dann verga? er samtliche Frosche uber dem phantastischen Hund, den er vorhin auf dem Bootssteg gesehen hatte und der jetzt hier in ihrer Kuche stand.

Melcher machte ein gekranktes Gesicht.

»Ein Frosch im Brunnen – ist das wahr? Angenehmes Sommerhaus, hat dieser Makler gesagt. Er hat nichts davon gesagt, da? es hier einen Tierpark gabe mit Eulen im Schornstein, Froschen im Brunnen und Riesenhunden in der Kuche. Johann, geh und sieh nach, ob ein Elch im Schlafzimmer liegt.«

Seine Kinder lachten so, wie es von ihnen erwartet wurde. Melcher ware sonst beleidigt gewesen. Aber Malin sagte:

»Uh, was fur ein Rauch hier!«

»Kein Wunder«, sagte Melcher. Er zeigte vorwurfsvoll auf den Herd. »Es ist eine Schmach fur den Lieferanten. Ich werde hinschreiben und mich beschweren: Sie haben im April 1908 einen eisernen Herd geliefert. Weshalb in aller Welt haben Sie das getan?«

Niemand horte auf ihn au?er Malin. Die anderen umdrangten Tjorven mit ihrem Hund und besturmten sie mit Fragen.

Und Tjorven erzahlte freundlich, da? sie in dem Haus wohne, das dem Schreinerhaus am nachsten lag. Dort hatte ihr Papa einen Kaufmannsladen, aber das Haus war gro?, so da? sie allesamt Platz darin hatten, »ich und Bootsmann und Mama und Papa und Teddy und Freddy«, sagte Tjorven.

»Wie alt sind Teddy und Freddy?« fragte Johann eifrig.

»Teddy ist dreizehn, und Freddy ist zwolf, und ich bin sechs Jahre alt, und Bootsmann ist zwei. Ich wei? nicht mehr, wie alt Mama und Papa sind, aber ich kann nach Hause gehen und fragen«, sagte sie bereitwillig.

Johann versicherte ihr, das sei nicht notig. Er und Niklas sahen sich zufrieden an. Zwei Jungen in ihrem eigenen Alter im Haus nebenan, das war fast zu schon, um wahr zu sein.

»Was sollen wir blo? machen, wenn wir diesen Herd nicht ankriegen?« fragte Malin.

Melcher raufte sich das Haar.

»Ich mu? wohl aufs Dach klettern und nachsehen, ob im Schornstein wirklich eine Eule liegt, wie dieses Kind da behauptet.«

»Oje«, sagte Malin. »Dann sei bitte vorsichtig. Denk daran, wir haben nur einen Vater.«

Melcher war jedoch schon zur Tur hinaus. Er hatte am Giebel eine Leiter stehen sehen, und fur einen einigerma?en gelenkigen Kerl konnte es keine Kunst sein, aufs Dach hinaufzugelangen. Seine Jungen folgten ihm auf den Fersen, auch Pelle. Selbst der gro?te Hund der Welt konnte ihn nicht in der Kuche zuruckhalten, wenn Papa Eulen aus dem Schornstein holen wollte. Und Tjorven, die sich Pelle schon zum Freund und Begleiter auserkoren hatte, wenn Pelle auch nichts davon wu?te, wanderte ebenfalls gemachlich nach drau?en, um nachzusehen, ob hier etwas Lustiges passieren wurde.

Es fing gut an, fand sie. Herr Melcher hatte den Feuerhaken mitgenommen, um die Eule damit herauszuangeln, und den mu?te er zwischen die Zahne nehmen, wahrend er die Leiter hinaufkletterte. Genau wie Bootsmann, wenn er einen Knochen bringt, dachte Tjorven. Etwas noch Lustigeres begehrte sie nicht. Sie lachte still in sich hinein dort unter dem Apfelbaum. Dann brach eine Leitersprosse durch, als Herr Melcher darauf trat, und er rutschte ein ganzes Stuck wieder nach unten. Pelle bekam Angst und schrie auf, aber Tjorven lachte wieder still vor sich hin. Dann lachte sie nicht mehr. Denn jetzt war Herr Melcher oben auf dem Dach, und das sah gefahrlich aus.

Melcher fand das auch.

»Ein wirklich gutes Haus«, murmelte er. »Aber hoch.«

Er fragte sich, ob es nicht im Grunde ein bi?chen zu hoch sei, um darauf herumzubalancieren, wenn man bald funfzig war.

»Falls ich uberhaupt so alt werde«, murmelte er und wankte auf dem Dachfirst entlang, die Augen starr auf den Schornstein geheftet. Aber dann warf er einen Blick zur Erde und ware fast hinuntergefallen, als er die angstlichen, nach oben gewandten Gesichter seiner Sohne so tief unter sich erblickte.

»Halt dich fest, Papa!« schrie Johann.

Melcher schwankte und wurde fast bose. Uber ihm war nichts als der weite Weltenraum – woran sollte er sich festhalten? Da horte er Tjorvens durchdringende Stimme: »Wei?t du was? Halt dich am Feuerhaken fest, Herr Melcher. Mach das!«

Aber jetzt war Melcher zum Gluck in Sicherheit beim Schornstein.

Er schaute hinein. Da drinnen war nichts als schwarze Finsternis.

»Du, Tjorven, was redest du da von toten Eulen!« rief er vorwurfsvoll. »Hier sind keine Eulen.«

»Ist es eine Waldeule?« schrie Niklas.

Da donnerte Melcher in seinem Zorn: »Hier ist keine Eule, hab ich gesagt.«

Und wieder horte er Tjorvens durchdringende Stimme: »Willst du eine haben? Ich wei?, wo eine ist. Es ist blo? keine tote.«

Hinterher in der Kuche war die Stimmung ein wenig gedruckt. »Wir mussen eben solange kalt essen«, sagte Malin.

Sie starrten alle trubselig den Herd an, der sich nicht so benehmen wollte, wie er sollte. Eben jetzt hatten sie nichts lieber gehabt, als etwas Warmes zu essen.

»Das Leben ist schwer«, sagte Pelle, denn das sagte sein Vater manchmal.

Da klopfte es an die Tur, und herein trat ein wildfremder Mensch, eine Frau in rotem Regenmantel. Sie stellte schnell einen emaillierten Kochtopf auf die Herdplatte und sah sie alle mit einem freundlichen Lacheln an.

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