Haar. Die Wolfin, die sich mit Martial in Algier befindet – Sie wissen doch, wo – soll zum Dank dafur, da? sie mir das Leben rettete, mein goldnes Kreuz erhalten. Sie alle sollen erfahren, da? diese Sachen Andenken an Marienblume sein sollen.«

»Ich werde deine Wunsche erfullen – doch hast du niemand vergessen unter denen, die dich lieben?« – Sie sah mich an und verstand – einer Frage vorgreifend, die auf ihren Lippen schwebte, antwortete ich: »Es geht ihm besser. Er ist au?er Lebensgefahr. Sein Vater lebt neu auf, da er seinen Sohn genesen sieht. Was gibst du Heinrich? Welches Andenken an dich soll er haben?«

»Vater, geben Sie ihm meinen Betschemel. Den habe ich oft mit Tranen benetzt, wenn ich den Himmel um Kraft bat, den Geliebten zu vergessen, dessen Liebe ich nicht verdiente! Was das Asyl fur Waisen und verlassne Madchen anbetrifft, so wunsche ich, mein Vater –«

Hier brach Rudolfs Brief ab und enthielt nur noch die fast unleserlichen Worte: »Murph wird dieses Schreiben beenden – ich habe nicht die Kraft dazu – o des dreizehnten Januar!«

Der Schlu? des Briefes, von Murph geschrieben, lautete:

Gnadige Frau!

Auf Befehl Seiner Hoheit beende ich diesen traurigen Bericht. Die beiden Briefe unsers gnadigen Herrn haben Sie ja schon auf die Nachricht vorbereitet, die ich zu melden habe. Es sind wohl drei Stunden seitdem her, da? der gnadige Herr schrieb und ich im Zimmer nebenan wartete, um die Briefe sogleich durch Eilboten abzuschicken. Plotzlich kam die Prinzessin Juliane mit verstorter Miene herein. »Sir Walter.« sagte sie, »Seine konigliche Hoheit mu? etwas Schreckliches erfahren. Bereiten Sie ihn, darauf vor. Aus Ihrem Munde trifft es ihn vielleicht minder schwer.«

Ich begriff, was geschehen war, und hielt es in der Tat fur ratsam, die Botschaft selber zu bestellen. Die Prinzessin hatte mir mitgeteilt, Amalie lage im Sterben und Seine Hoheit musse sich beeilen, wenn er noch ihre letzten Seufzer horen wolle. Ich eilte zu Seiner Hoheit hinein, der die Kunde schon von meinem Gesicht ablas und mit mir ins Kloster eilte.

Prinzessin Amalie war in ihre Zelle gebracht worden. Eine Schwester wachte bei ihr. David war gerufen worden und hatte vergebens versucht, die verloschenden Lebensgeister zu wecken. Er muhte einsehen, da? menschliches Konnen hier nichts mehr zu verrichten imstande sei. Die Prinzessin hatte die Sterbesakramente empfangen, als Seine Hoheit eintrat. Ein schwacher Schimmer von Bewu?tsein war ihr noch geblieben – in den uber der Brust gefalteten Handen hielt sie die Ueberreste ihres kleinen Rosenstocks.

Der gnadige Herr sturzte zu ihrem Bette hin, fiel auf die Knie und schluchzte: »Mein Kind! mein Kind!« – Prinzessin Amalie horte ihn, offnete die Augen, erkannte ihn, lachelte und antwortete mit kaum vernehmlicher Stimme: »Mein guter, lieber Vater, verzeih mir – auch Heinrich – auch du, meine teure zweite Mutter! Verzeiht mir alle!«

Dies waren ihre letzten Worte. – Eine Stunde noch schwebte sie sanft zwischen Leben und Tod – dann war sie hinuber. Der gnadige Herr sprach kein Wort – sein Schweigen war entsetzlich – er druckte ihr die Augen zu, ku?te sie mehrmals, entzog ihren kalten Handen die Ueberreste des Rosenstockes und ging hinaus. Ich folgte ihm, er kehrte in das Haus vorm Kloster zuruck, zeigte mir den begonnenen Brief und sagte nur: »Ich kann nicht weiter» schreiben. Mein Kopf droht zu springen. Schreibe du der Gro?herzogin, da? sie keine Tochter mehr hat.«

Das habe ich nun hiermit getan, doch nun moge mir als dem altesten Diener des gnadigen Herrn auch erlaubt sein, die Bitte hinzuzufugen, die dringende Bitte: Kommen Sie so schnell wie nur irgend moglich zuruck! Nur Ihre Anwesenheit kann unsern gnadigen Herrn vorm Wahnsinn erretten!

Damit ist mein trauriges Amt erfullt. Empfangen Sie die Versicherung meiner Ehrfurcht und Hochachtung, mit der ich die Ehre habe zu verbleiben

Eurer Koniglichen Hoheit gehorsamster Diener Walter Murph.

Am Vorabend des feierlichen Trauergottesdiensts fur Prinzessin Amalie traf Clemence mit ihrem Vater in Gerolstein ein, und Rudolf war am Begrabnis seiner Tochter, der armen Marienblume, nicht allein.

Ende.

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