Im Geiste des Difiusionismus erweiterte A. S. Faminzyn die AufFassung der Slawophilen, wahrend N. I. Kareew die sekundare Entstehung des Monotheismus verteidigte. Der Evolutionismus, der in 70en-80en Jahren des XIX. Jh. enstanden wurde, leitete Gottergestalte aus der niederen Demonologie her — aus der Glaube in Gespenste (in RuBland N. F. Sumzow).
Evolutionismus und Diffusionismus wurden in Schaffen von Lubor Niederle and A. N. Vesselowsky geaussert, die hielten, daB die Slawen letztlich keine hohe Mythologie entwickelt hatten und auf der Ebene der Demonologie geblieben waren. Andere Forscher wiesen von anderen Grtinde die Aufbauen der mytholgischen Schule zuriick: sie hoben den Mangel an Fakten hervor und glaubten nicht in die Wahrheitstreue der Hypothesen (W. Jagic, H. Machal, L. Leger, A. Kirpitschnikow).
Im Schaffen der Forscher des Anfangs der XX. Jh. (E. W. Anitschkow, N. M. Galkowsky, V. J. Mansikka) wurde der Skeptizismus iiberholt, und die Analyze der Belehrungen von orthdoxen Glaubenslehrer gegen den Uberbleibsel des Heidentums trat in Vordergrund heraus. Auf die Belehrungen stutzend, entlehnten die Forscher unwillkurlich auch die kirchliche Beurteilung des Heidentums als einer rohen und primitiven Glaube. Anitschkow meinte, daB Rus von kleinen Gottchen wimmelte, wahrend groBe anthropomorphe Gotter entlehnt von Varager waren — hier sttitzte er auf den Aufsatz von S. Rozniecki iiber Perun als angeblich Imitation von Thor.
Polnische Forscher (H. Lowmianski, W. Szafranski, L. Moszynski) namen in der XX. Jh. die Tradition iiber, die Merkmale des Monotheismus im slawischen Heidentum zu verstarken, was vielleicht den EinfluB des Katholizismus spiegelte. Fur sie war Perun nicht einfach der Haptgott, sondern der einzige Gott, die anderen waren nur seine Hypostases.
Im sowjetischen Milieu sperrte der kriegerische Atheismus fur lange Zeit das Eforschen des slawischen Heidentums: der kritische Eifer der Marxisten wandte sich an die Hauptfeinde — das Christentum und Islam. Aber kurz vor den GroBen Patriotischen Krieg in Zusammenhang mit der generellen Forderung des Patriotismus im Lande nahm das Interesse zum Heidentum wieder auf. Da waren vier Auffassungen des slawischen Heidentums geschaffen, und in alien vier wurde das Schwergewicht von den Materialien der Geschichte auf Ethnographie und Archaologie verlagert.
Die erste Auffassung wurde von offiziellen Hauptfiguren der sowjetischen Wissenschaft entwickelt — von Akademiemitglieder B. D. Grekow und Boris A. Rybakow. Nach dieser Konzeption besassen die Slawen seit l^ngem dieselbe Territorien als jetzt und schufen einige Tausende Jahre vor uns Pflugackerbau, Staatsorganisation and entwickelte heidnische Religion, die sehr nah an das Christentum herangekommen war.
Die zweite Auffassung wurde von Prof. Wladimir Propp vorgeschlagen, dem Griinder der sowjetischen Semiotik und Fiihrer des Strukturalismus, der in der Stalinzeit in Ungnade verweilte. Nach dieser Auffassung enthielten russische Kalenderfeste verschiedener Jahreszeiten viele gemeinsame.
Komponente wegen Ahnlichkeit der bauerlichen Haptarbeiten. Und da in diesen Festen es keine entwickelten Gotter gab, nahm Propp an, daB das russische Heidentum sie iiberhaupt nicht hatte — es besitze ein besonders archaische Charakter (wie bei Anitschkow, Niederle und Wesselowsky). Kupalo, Jarilo u. a. sind nur «unterentwickelte Gotter».
Die Ansichten von Propp gaben dem Werke von Dmitrij Selenin, der gerade mit der retrospektiven Methode Demonologie studierte, eine weitere Bedeutung. Selenins I^achfolger war der Akedemiemitglied Nikita I. Tolstoj, ein Urenkel von Leo Tolstoj. Der bildete eine einfluBreiche Schule von Ethnographer und Ethnolinguisten. So entstand eine dritte Konzeption des slawischen Pagantums, die auf die Rekonstruktion der alten slawischen Religion nur mit Materialien von Ethnographie gerichtet war. Selbstverstandlich, konnte solche Art der Forschung auf die vergangene Zeit nur das projezieren, was in der lebendigen Kultur erhalten geblieben war, also keine grossere Gotter. Somit hatten die solidesten professionale Gelehrten die Idee angenommen, daB die alte Slaven nur eine Demonologie (niedere Mythologie) hatten.
Die vierte Auffassung war von Strukturalisten (und schon dadurch Frondierer) Wjatscheslaw Iwanow und Wladimir Toporow gebildet. Sie haben gerade die Namen der slawishen Gotter zugrunde gelegen, sie mit indoeuropaischen Namen, Bezeichnungen und Mythen gegeniibergestellt, und eine entwickelte Mythologie, die von der gemein-indoeuropaischen hergeleitet sein muBte, rekonstruiren begannen (der Grundmythus, der ureigene Streit zwischen Perun und Wolos-Weles). Die Methodik wurde haupsachlich von Levy-Strauss entlehnt, und sie erlaubte solch eine Freiheit des Ineinklang- bringen, daB die Ergebnisse sehr reich geworden wurden, doch verliessen die Beweisfahigkeit. Es gibt keine direkte Beweise des Streits Peruns mit Wolos, und Wolos (zum Unterschied von Weles) ist iiberhaupt ein neuer Gott, eine Umgestaltung des christlichen Heil. Blasius, bulg. Vlas).
Was betrifft Rybakowsche Auffassung, verteilte ich ihr eine ausfiihrliche Kritik, denn seine Werke waren, und tur ein nichtwissenschaftliches Publikum bis jetzt bleiben, die einfluBreichsten. Seine Quellen (denen ganze Kategorien er professional nicht besaB) sind betrachtet, sowie seine Methodik (unglaublich veraltet) und seine Ausfuhrungen (nach heutigen Kriterien haltlose, oft einfach anekdotehafte). Trotz allerdem, das Talent des Akademiemitglieds nach Gebiihr wtirdigt ist, wie auch seine Leistungsfahigkeit und Enthusiasm.
Es ist von Bedeutung, daB seine Werke Ausgangsbasis tur neo-Heiden geworden sind, die seit 70-n immer mehr unter neuen religiosen Bewegungen auffallen sind. Hervorgerufen durch Nationalismus in Bedingungen der Krise der orthdoxen Religion, diese Bewegung hat eigentlich reale Daten iiber alte heidnische Kulte und Brauche ignoriert und neue Kulte und Brauche schaffen begann, zum Teil aus indischen und germanischen Kultpraktik entlehnt und auf Propaganda einer harten urtumlichen Ideologie gerichtet: Hasse zu Fremdstammigen, Raufsucht, Isolationismus und nationalistische Solidaritat. Ekologische Losungen der Gegenwart (Respekt zu Natur) gewinnen bei ihnen eine Form der Absage von Prinzipien und Normen der Zivilisation.
Eine Analyse der echten ost-slawischen Kulten und Mythologie erweist sich als gegenwartig auch daffir, die neo-Heiden im Lichte der Realitat zu sehen.
Fur die Rekonstruktion des ostlawischen Heidentums ist in dieser Arbeit eine neue Quelle geniitzt — die Tschetschenisch-Inguschische (Wainachische) Folklore. In dieser Folklore gibt es eine Figur namens Pir|on, also mit dem Name, der nach seinem Klang sehr nah zum slawischen Name Perun ist. Diese Wainachische Figur wurde von Spezialisten als Umanderung der Pharaogestalt gedeutet («Pir|on» sei eine kaukasische Verzerrung des Wortes «Pharao»). Aber nach seinen Funktionen paBt er nicht zu dieser Rolle: er klettert auf Himmel, donnert, gieBt ein Regen auf die Erde. Das heiBt er stimmt nach seinen Funktionen mit Donnerschleuderer iiberein, mit Perun. Wie aber konnte der in die Wainachische Folklore geraten? In die letzten Jahrhunderten, wenn die Russen nach Kaukasus traten, waren sie schon Christen und hatten keinen Perun in ihrer Mythologie.
Es erweist sich, daB im 8. Jh. AD der arabische Kalif und Feldherr Merwan II. ging mit seinen Truppen vom Siiden Nordkaukasus durch, vertiefte sich in das Chazarische Kaganat, unter anderem kam in das Slawische Territorium (trat dem «Sakaliben-FluB» zu), hatte 20 Tausend Bewohner gefangengenommen, mit sich weggeffihren, und siedelte sie im nordkauka- sischen Land Kacheti, in der Nachbarschaft von Tschetschnja. Von diesen Gefangenen konnten zu Wainachen die Mythen iiber Perun durchdringen. Mit der eigenen Mythologie der Wainachen kollidierend, sollten sie ihre Heiligkeit losen und sich in die Folklore «niedersinken». Also die Erzahlungen iiber Pir|on-Perun — iiber seine Befehle den Frauen, das Wasser aus FaBen zu gieBen, iiber seinen Zusammenhang mit Brot und Mtihle, iiber seine Fiirsorge an Alten und Kinder usw. — konnen als Material fur die Rekonstruktion der slawischen Mythen dienen. Daffir braucht man Analyse der mit dem Material verbundeten slawischen Marchen.
Rybakows Auffassung weist selbst die Moglichkeit der Entlehnung des Namens Perun von Slawen zuriick, denn ffir Rybakow der supreme God der Slawen war Rod, wahrend Perun wiirde nur vom Ftirst Wladimir als ein Gott der Kriegsgefolge eingeffihrt. Aber Vorhandensein der Spure Peruns bei alien slawischen Volker widerlegt solche Begrenzung, und es gab iiberhapt keinen Rod bei Slawen — dies war eine kiinstliche Konstruktion altrussischen Literaten, basiert auf einer Fehllesung der griechischen Texten der christlichen.
Zeit. Die Byzantiner nannten Horoskopen «Genealogien», buchstablich Wissen iiber Geschlect, Generation, oder Geburt. Solche Verbindung mit dem Los, die bei Geburt des Menschen entsteht, war von Ubersetzer als in der Figur von Rod eingekorpert verstanden. Daraus stammt seine enge Verbindung mit Rozhanizen — Jungfern des Schicksals, slawischen Parken.
Perun war nicht nur der Haupgott der Ost-Slawen, sondern moglich eine kurze Zeit deren einzige Gott. In den Chroniken gibt es, wie Lowmianski bemerkte, einige Zeugnisse, daB die andere Gotter des Wladimirschen Pantheons nur eine spate Einffigung eines christlichen Redaktors sind. Das heiBt, daB die erste Religionsreform Wladimirs ein Versuch war, Mono- theismus auf der heidnischen Grundlage einzufuhren. Archaologische Denkmaler, die fur Bestatigung der sechs Gotter des Wladimirschen Pantheons angenommen sind, halten in der