Wagen kommen. Eine Menge Rote-Kreuz-Schwestern sind da. Kropp wird nach unten gepackt. Ich werde angehoben und soll in das Bett uber ihm.

»Um Gottes willen«, entfahrt es mir plotzlich.

»Was ist denn?« fragt die Schwester.

Ich werfe noch einen Blick auf das Bett. Es ist mit schneewei?em Leinen bezogen, unvorstellbar sauberem Leinen, das sogar noch die Plattkniffe hat. Mein Hemd dagegen ist sechs Wochen lang nicht gewaschen worden und sehr dreckig.

»Konnen Sie nicht allein hineinkriechen?« fragt die Schwester besorgt.

»Das schon«, sagte ich schwitzend,»aber tun Sie doch erst das Bettzeug weg.«

»Warum denn?«

Ich komme mir wie ein Schwein vor. Da soll ich mich hineinlegen? -»Es wird ja -« Ich zogere.

»Ein bi?chen schmutzig?« fragt sie ermunternd. »Das schadet nichts, dann waschen wir es eben nachher wieder.«

»Nee, das nicht -«, sage ich aufgeregt. Diesem Ansturm der Kultur bin ich nicht gewachsen. »Dafur, da? Sie drau?en im Graben gelegen haben werden wir wohl noch ein Bettlaken waschen konnen«, fahrt sie fort.

Ich sehe sie an, sie sieht knusprig und jung aus, blank gewaschen und fein, wie alles hier, man begreift nicht da? es nicht nur fur Offiziere ist, und fuhlt sich unheimlich und sogar irgendwie bedroht.

Das Weib ist trotzdem ein Folterknecht, es zwingt mich alles zu sagen. »Es ist nur -«, ich halte ein, sie mu? doch verstehen, was ich meine.

»Was denn noch?«

»Wegen der Lause«, brulle ich schlie?lich heraus.

Sie lacht. »Die mussen auch mal gute Tage haben.«

Nun kann es mir ja gleich sein. Ich krabbele ins Bett und decke mich zu. Eine Hand fingert uber die Decke. Der Feldwebel. Er zieht mit den Zigarren ab. Nach einer Stunde merken wir, da? wir fahren.

* * *

Nachts erwache ich. Auch Kropp ruhrt sich. Der Zug rollt leise uber die Schienen. Es ist alles noch unbegreiflich: ein Bett, ein Zug, nach Hause. Ich flustere:»Albert!«

»Ja -«

»Wei?t du, wo hier die Latrine ist?«

»Ich glaube, druben rechts die Tur.«

»Ich werde mal sehen.« Es ist dunkel, ich taste nach dem Bettrand und will vorsichtig hinuntergleiten. Aber mein Fu? findet keinen Halt, ich gerate ins Rutschen, das Gipsbein ist keine Hilfe, und mit einem Krach liege ich auf dem Boden.

»Verflucht«, sage ich.

»Hast du dich gesto?en?« fragt Kropp.

»Das konntest du doch wohl gehort haben«, knurre ich,»mein Schadel -«

Hinten im Wagen offnet sich die Tur. Die Schwester kommt mit Licht und sieht mich.

»Er ist aus dem Bett gefallen -«

Sie fuhlt mir den Puls und fa?t meine Stirn an. »Sie haben aber kein Fieber.«

»Nein -«, gebe ich zu.

»Haben Sie denn getraumt?« fragt sie.

»So ungefahr«, weiche ich aus. Jetzt geht die Fragerei wieder los. Sie sieht mich mit ihren blanken Augen an, sauber und wunderbar ist sie, um so weniger kann ich ihr sagen, was ich will.

Ich werde wieder nach oben gehoben. Das kann ja gut werden. Wenn sie fort ist, mu? ich sofort wieder versuchen, hinunterzusteigen. Ware sie eine alte Frau, so ginge es eher, ihr Bescheid zu sagen, aber sie ist ja ganz jung, hochstens funfundzwanzig Jahre, es ist nichts zu machen, ich kann es ihr nicht sagen.

Da kommt Albert mir zu Hilfe, er geniert sich nicht, er ist es ja auch schlie?lich nicht, den die Sache angeht. Er ruft die Schwester an. Sie dreht sich um. »Schwester, er wollte -«, aber auch Albert wei? nicht mehr, wie er sich tadellos und anstandig ausdrucken soll. Unter uns drau?en ist das mit einem einzigen Wort gesagt, aber hier, einer solchen Dame gegenuber – - Mit einem Male jedoch fallt ihm die Schulzeit ein, und er vollendet flie?end:»Er mochte mal hinaus, Schwester.«

»Ach so«, sagt die Schwester. »Dazu braucht er doch nicht mit seinem Gipsverband aus dem Bett zu klettern. Was wollen Sie denn haben?« wendet sie sich an mich.

Ich bin todlich erschrocken uber diese neue Wendung, denn ich habe keine Ahnung, wie man die Dinge fachmannisch benennt. Die Schwester kommt mir zu Hilfe. »Klein oder gro??« Diese Blamage! Ich schwitze wie ein Affe und sage verlegen:»Na, also nur klein -«

Immerhin, wenigstens noch etwas Gluck.

Ich erhalte eine Flasche. Nach einigen Stunden bin ich nicht mehr der einzige, und morgens haben wir uns gewohnt und verlangen ohne Beschamung, was wir brauchen.

Der Zug fahrt langsam. Manchmal halt er, und die Toten werden ausgeladen. Er halt oft.

* * *

Albert hat Fieber. Mir geht es leidlich, ich habe Schmerzen, aber schlimmer ist es, da? wahrscheinlich unter dem Gipsverband noch Lause sitzen. Es juckt furchterlich, und ich kann mich nicht kratzen.

Wir schlummern durch die Tage. Die Landschaft geht still durch die Fenster. In der dritten Nacht sind wir in Herbesthal. Ich hore von der Schwester, da? Albert an der nachsten Station ausgeladen werden soll, wegen seines Fiebers.

»Wie weit fahrt der Zug?« frage ich.

»Bis Koln.«

»Albert, wir bleiben zusammen«, sage ich,»pa? auf.« Beim nachsten Rundgang der Schwester halte ich die Luft an und presse den Atem in den Kopf. Er schwillt und wird rot. Sie bleibt stehen. »Haben Sie Schmerzen?«

»Ja«, stohne ich,»mit einem Male.«

Sie gibt mir ein Thermometer und geht weiter. Ich mu?te nicht bei Kat in der Lehre gewesen sein, um nicht Bescheid zu wissen. Diese Soldatenthermometer sind nicht fur erfahrenes Militar berechnet. Es handelt sich nur darum, das Quecksilber hochzutreiben, dann bleibt es in der dunnen Rohre stehen und sinkt nicht wieder.

Ich stecke das Thermometer unter den Arm, schrag nach unten, und knipse mit dem Zeigefinger standig dagegen. Darauf schuttele ich es nach oben. Damit erreiche ich 37,9 Grad. Das genugt aber nicht. Ein Streichholz vorsichtig nahe darangehalten ergibt 38,7 Grad.

Als die Schwester zuruckkommt, puste ich mich auf, atme leicht sto?weise, glotze sie mit etwas stieren Augen an, bewege mich unruhig und flustere:»Ich kann es nicht mehr aushalten -«

Sie notiert mich auf einem Zettel. Ich wei? genau, da? ohne Not mein Gipsverband nicht geoffnet wird.

Albert und ich werden zusammen ausgeladen.

Wir liegen in einem katholischen Hospital, im gleichen Zimmer. Das ist ein gro?es Gluck, denn die katholischen Krankenhauser sind bekannt fur gute Behandlung und gutes Essen. Das Lazarett ist voll belegt worden aus unserm Zug, es sind viele schwere Falle dabei. Wir kommen heute noch nicht zur Untersuchung, da zu wenig Arzte da sind. Auf dem Korridor fahren unablassig die flachen Wagen mit den Gummiradern vorbei, und immer liegt jemand lang darauf. Eine verfluchte Lage – so langgestreckt – nur gut, wenn man schlaft.

Die Nacht ist sehr unruhig. Keiner kann schlafen. Gegen Morgen duseln wir etwas ein. Ich erwache, als es hell wird. Die Tur steht offen, und vom Korridor hore ich Stimmen. Auch die andern wachen auf. Einer, der schon ein paar Tage da ist, erklart uns die Sache:»Hier oben wird jeden Morgen auf dem Korridor gebetet von den Schwestern. Sie nennen das Morgenandacht. Damit ihr euren Teil abkriegt, machen sie die Turen auf.«

Das ist sicher gut gemeint, aber uns tun die Knochen und die Schadel weh.

»So ein Unsinn«, sage ich,»wenn man gerade eingeschlafen ist.«

»Hier oben liegen die leichteren Falle, da machen sie es so«, antwortet er.

Albert stohnt. Ich werde wutend und rufe:»Ruhe da drau?en.«

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