an den Kasten da und spiel ein paar von den alten Soldatenliedern.«

Ich spielte »Drei Lilien« und den »Argonnerwald«. Es klang geisterhaft in dem leeren Lokal, wenn man daran dachte, wann wir es immer gesungen hatten.

VII

Zwei Tage spater kam Koster eilig aus der Bude. »Robby, dein Blumenthal hat telefoniert. Du sollst um elf mit dem Cadillac zu ihm kommen. Er will eine Probefahrt machen.«

Ich schmi? Schraubenzieher und Englander hin. »Mensch, Otto – wenn das was wurde!«

»Was habe ich euch gesagt«, lie? Lenz sich aus der Grube unter dem Ford her vernehmen. »Er kommt wieder, habe ich gesagt. Immer auf Gottfried horen!«

»Halt den Schnabel, die Situation ist ernst«, schrie ich hinunter. »Otto, wieviel kann ich au?erst vom Preis nachlassen?«

»Au?erst zweitausend. Allerau?erst zweitausendzweihundert. Wenn's gar nicht anders geht, zweifunf. Wenn du siehst, da? du einen Wahnsinnigen vor dir hast, zweisechs. Aber sag ihm, da? wir ihn dann in alle Ewigkeit verfluchen werden.«

»Gut.«

Wir putzten den Wagen blitzblank. Ich stieg ein. Koster legte mir die Hand auf die Schulter. »Robby, bedenke, da? du als Soldat andere Sachen mitgemacht hast. Verteidige die Ehre unserer Werkstatt bis aufs Blut. Stirb stehend, die Hand an Blumenthals Brieftasche.«

»Gemacht«, grinste ich.

Lenz kramte eine Medaille aus der Tasche und hielt sie mir vors Gesicht. »Fa? mein Amulett an, Robby!«

»Meinetwegen.« Ich fa?te zu.

»Abrakadabra, gro?er Schiwa«, betete Gottfried,»segne diese Memme mit Mut und Starke! Halt, hier, noch besser, nimm's mit! So, jetzt spuck noch dreimal aus.«

»In Ordnung«, sagte ich, spuckte ihm vor die Fu?e und fuhr los, vorbei an Jupp, der aufgeregt mit dem Benzinschlauch salutierte.

Unterwegs kaufte ich ein paar Nelken und dekorierte sie kunstlerisch in den Kristallvasen des Wagens. Ich spekulierte damit auf Frau Blumenthal.

Leider empfing mich Blumenthal in seinem Buro, nicht in der Wohnung. Ich mu?te eine Viertelstunde warten. Liebling, dachte ich, den Trick kenne ich, damit machst du mich nicht murbe. Ich forschte im Vorzimmer eine hubsche Stenotypistin, die ich mit der Nelke aus meinem Knopfloch bestach, uber das Geschaft aus. Trikotagen. Umsatz gut, neun Personen im Buro, ein stiller Sozius, scharfste Konkurrenz Meyer und Sohn, der Meyersohn fuhr roten Zweisitzer Essex – soweit war ich, als Blumenthal mich rufen lie?.

Er scho? sofort mit Kanonen. »Junger Mann«, sagte er,»ich hab' nicht viel Zeit. Neulich der Preis war ein Wunschtraum von Ihnen. Also Hand aufs Herz, was kostet der Wagen?«

»Siebentausend Mark«, erwiderte ich.

Er wandte sich kurz ab. »Dann ist nichts zu machen.«

»Herr Blumenthal«, sagte ich,»sehen Sie sich den Wagen noch einmal an…«

»Nicht notig«, unterbrach er mich,»ich habe ihn mir ja neulich genau angesehen…«

»Sehen und Sehen ist zweierlei«, erklarte ich. »Sie sollen Details sehen. Die Lackierung erstklassig, von Voll und Ruhrbeck, Selbstkosten 250 Mark – die Bereifung neu, Katalogpreis 600 Mark, macht schon 850. Die Polsterung, feinster Cord…«

Er winkte ab. Ich begann von neuem. Ich forderte ihn auf, das luxuriose Fahrzeug zu besichtigen, das herrliche Verdeckleder, den verchromten Kuhler, die modernen Sto?stangen, sechzig Mark das Paar – wie ein Kind zur Mutter strebte ich zu dem Cadillac zuruck und versuchte Blumenthal zu uberreden, herunterzukommen. Ich wu?te, da? mir, wie Antaus, neue Krafte auf der Erde wachsen wurden. Preise verlieren viel von ihrem abstrakten Schrecken, wenn man was dafur zeigen kann.

Aber Blumenthal wu?te ebenso, da? seine Starke hinter seinem Schreibtisch lag. Er setzte seine Brille ab und ging mich jetzt erst richtig an. Wir kampften wie ein Tiger mit einer Pythonschlange. Blumenthal war der Python. Ehe ich mich umsehen konnte, hatte er mir schon funfzehnhundert Mark abgehandelt.

Mir wurde angst und bange. Ich griff in die Tasche und nahm Gottfrieds Amulett fest in die Hand. »Herr Blumenthal«, sagte ich ziemlich erschopft,»es ist ein Uhr, Sie mussen sicher zum Essen!« Ich wollte um alles in der Welt 'raus aus dieser Bude, in der die Preise wie Schnee zerschmolzen.

»Ich esse erst um zwei«, erklarte Blumenthal ungeruhrt,»aber wissen Sie was? Wir konnen jetzt die Probefahrt machen.«

Ich atmete auf.

»Nachher reden wir dann weiter«, fugte er hinzu. Ich atmete wieder ein.

Wir fuhren zu seiner Wohnung. Zu meinem Erstaunen war er im Wagen plotzlich wie ausgewechselt. Gemutlich erzahlte er mir den Witz vom Kaiser Franz Josef, den ich langst kannte. Ich versetzte ihm dafur den vom Stra?enbahnschaffner; er mir den vom verirrten Sachsen; ich ihm sofort den vom schottischen Liebespaar – erst vor seiner Wohnung wurden wir wieder Serios. Er bat mich zu warten, er wolle seine Frau holen.

»Mein lieber dicker Cadillac«, sagte ich und klopfte dem Wagen auf den Kuhler,»hinter dieser Witzeerzahlerei steckt sicher wieder eine neue Teufelei. Aber sei nur ruhig, wir kriegen dich schon unter Dach und Fach. Er kauft dich schon – wenn ein Jude wiederkommt, dann kauft er. Wenn ein Christ wiederkommt, kauft er noch lange nicht. Er macht ein halbes Dutzend Probefahrten, um eine Droschke zu sparen, und dann fallt ihm plotzlich ein, da? er statt dessen eine Kucheneinrichtung braucht. Nein, nein, Juden sind gut, die wissen, was sie wollen. Aber ich schwore dir, mein guter Dicker: Wenn ich diesem direkten Nachkommen des streitbaren Judas Makkabaus auch nur noch hundert Mark nachlasse, will ich mein ganzes Leben keinen Schnaps mehr trinken.«

Frau Blumenthal erschien. Ich erinnerte mich an alle Ratschlage von Lenz und verwandelte mich aus einem Kampfer in einen Kavalier. Blumenthal hatte dafur nur ein niedertrachtiges Lacheln. Der Mann war aus Eisen. Er hatte Lokomotiven verkaufen sollen, aber keine Trikotagen.

Ich sorgte dafur, da? er hinten in den Wagen kam und seine Frau neben mich. »Wohin darf ich Sie fahren, gnadige Frau?« fragte ich schmelzend.

»Wohin Sie wollen«, meinte sie, mutterlich lachelnd.

Ich begann zu plaudern. Es war eine Wohltat, einen harmlosen Menschen vor sich zu haben. Ich sprach so leise, da? Blumenthal nicht viel verstehen konnte. So sprach ich freier. Es war ohnehin schon schlimm genug, da? er hinten sa?.

Wir hielten. Ich stieg aus und sah meinen Feind fest an. »Sie mussen doch zugeben, da? der Wagen sich wie Butter fahrt, Herr Blumenthal.«

»Was hei?t schon Butter, junger Mann«, entgegnete er sonderbar freundlich,»wenn die Steuern einen auffressen. Der Wagen kostet zuviel Steuern. Ihnen gesagt.«

»Herr Blumenthal«, sagte ich, bestrebt, den Ton festzuhalten,»Sie sind Geschaftsmann, zu Ihnen kann ich, aufrichtig reden. Das sind keine Steuern, das sind Spesen. Sagen Sie selbst, was erfordert ein Geschaft denn heute? Sie wissen es – nicht mehr Kapital wie fruher -, Kredit braucht es! Und wie kriegt man Kredit? Immer noch durchs Auftreten. Ein Cadillac ist solide und flott – behabig, aber nicht altmodisch – gesundes Burgertum -, er ist die lebendige Reklame furs Geschaft.«

Blumenthal wandte sich belustigt an seine Frau. »Ein judisches Kopfchen hat er, wie? Junger Mann«, sagte er dann, immer noch familiar,»die beste Reklame fur Soliditat ist heute ein schabiger Anzug und Autobusfahren. Wenn wir beide das Geld hatten, das fur die eleganten Autos, die da 'rumflitzen, noch nicht bezahlt ist, konnten wir uns bequem zur Ruhe setzen. Ihnen gesagt. Im Vertrauen.«

Ich sah ihn mi?trauisch an. Was hatte er nur mit seiner Freundlichkeit vor? Oder dampfte die Gegenwart seiner Frau seinen Kampfgeist? Ich beschlo?, eine Pistole abzufeuern. »So ein Cadillac ist doch was anderes als ein Essex, nicht wahr, gnadige Frau? Der Junior von Meyer und Sohn fahrt so ein Ding, aber ich mochte ihn nicht geschenkt haben, diesen grellroten, auffalligen Schlitten…«

Ich horte Blumenthal schnauben und fuhr rasch fort:»Die Farbe hier kleidet Sie ubrigens sehr gut, gnadige Frau – gedampftes Kobaltblau zu Blond…«

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